Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

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auch, daß Projekte, die sich noch im Bau befanden, nicht die Genehmigung erhielten, den Namen Piłsudskis zu tragen. So lehnte es das Oberste Gedächtniskomitee im Juli 1939 ab, in der Volksschule der Gemeinde Czerński im Kreis Słonim einen Gedenkstein zu errichten, weil dieser seinen künstlerischen Ansprüchen nicht genügte. Es bot aber an, einen entsprechenden Entwurf, der auch der Finanzkraft des Antragstellers entsprach, zu liefern. 152 Wegen der „sehr primitiven architektonischen Form“ 153 versagte das Komitee einem Denkmalbauprojekt in Wołów (Kreis Kielce) die finanzielle Unterstützung und wies darauf hin, daß ein Denkmal „monumentalen Charakter“ und eine „gebührende künstlerische Form“ 154 haben und aus dauerhaftem Material bestehen solle. Andererseits äußerte das Oberste Gedächtniskomitee keine Bedenken gegen die Aufschrift auf einer neuen Glocke für die orthodoxe Kirche in Kamienicy-Zyrowiecki, die für die Ruhe des „geliebten Führers und Wiedererrichters Polens“ (Ukochanego Wodza i Wskrzesiciela Polski) warb, gewährte aber keine finanzielle Unterstützung. 155 Ebenfalls untersagte es, kommerziellen Nutzen aus dem Namen des Marschalls zu ziehen. Es lehnte strikt alle Anträge von Firmen ab, die mit Piłsudski werben wollten. Nach einer Mitteilung im BBWR-Organ Przegląd Tygodniowy („Wochenrundschau“) lehnte das Oberste Gedächtniskomitee Angebote von verschiedenen Handelsunternehmen ab, das Bild oder die Initialen Józef Piłsudskis mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs oder Massenprodukten zu verbinden. Es ermahnte die Bürger außerdem, vom Erwerb solch pseudokünstlerischen Tands abzusehen. 156 152 Vgl. AAN, WWNK, 11, B. 27. 153 „bardzo prymitywą formę“ (AAN, WWNK, 11, B. 133). 154 „monumentalny charakter“ und „należyta forma artystyczna“ (beides: AAN, WWNK, 11, B. 133). 155 Vgl. AAN, WWNK, 11, B. 46 f. Daran wird deutlich, daß es dem Obersten Gedächtniskomitee darum ging, keine finanziellen Verpflichtungen einzugehen. Wenn ein sich im Bau befindliches, aber schon mit dem Namen Piłsudskis versehenes Projekt nicht mehr über die benötigten finanziellen Mittel verfügte, hätte ein solches durch Zuschüsse vollendet werden müssen, um nicht den Namen des Marschalls zu verunglimpfen. Daher erklärte sich das Exekutivkomitee beispielsweise damit einverstanden, die Namengebung einer Volksschule in Lipniszki für den Fall zu gewähren, daß deren Bau völlig beendet sei und danach keine finanzielle Hilfe des Obersten Gedächtniskomitees mehr benötigt würde. Vgl. AAN, WWNK, 35, B. 296, 282. 156 Vgl. Przegląd Tygodniowy vom 28.VII.1935, in: AAN, WWNK, 3, B. 28. Vgl. die Forderung der Finanzsektion nach einem Rundbrief an die Wojewodschaftskomitees, die Vorhaben wie die der Firma „Herma“ verhindern sollten, da diese mit dem Verkauf von Abzeichen mit dem Bild Piłsudskis Einkünfte erzielen wollte (vgl. AAN, WWNK, 4, B. 163 f.). Obwohl Postkarten ein geeignetes Propagandamittel waren, untersagte das Oberste Gedächtniskomitee dem lokalen Zirkel des Związek b. Ochotników Armii Polskiej (Verband der ehemaligen Freiwilligen der Polnischen Armee) in Białystok, Postkarten mit dem Bild 98

Das Oberste Gedächtniskomitee strebte an, in jeder Stadt und Gemeinde Polens eine Institution, ein Denkmal oder eine Straße nach Piłsudski zu benennen. Es wollte jedoch verhindern, daß der Name Piłsudskis gleichsam inflationär und für ungeeignete Projekte verwendet wurde. Zu diesem Zweck führte es Erhebungen durch. 157 Entstanden nach Meinung des Exekutivkomitees zu viele Initiativen auf lokaler Ebene, so versuchte man, diese über den Wojewoden als Delegierten des Obersten Gedächtniskomitees zu „bremsen“ 158 , d.h. zu regulieren. Ein weiterer wichtiger Aspekt war die historische Genauigkeit bei der Aufstellung eines Gedenkprojekts, d.h. bei der Auswahl des entsprechenden Ortes oder bei der Abfassung der Inschrift, so daß das Oberste Gedächtniskomitee auch diesbezüglich lieber Pläne verwarf als nach seiner Ansicht unpräzise Vorschläge zu befürworten. In fraglichen Fällen konsultierte es vor allem das Wojskowe Biuro Historyczne (Militärhistorisches Büro, WBH) und das Instytut Józefa Piłsudskiego poświęcony Najnowszej Historji Polski (Józef-Piłsudski-Forschungsinstitut für die Neueste Geschichte Polens). 159 Insgesamt wird daher deutlich, daß das Oberste Gedächtniskomitee sämtliche Gedenkaktionen auf allen Ebenen des Staates und damit das Gedenken unter seiner Ägide umfassend organisatorisch erfaßte. Durch sein Wirken wurde das Piłsudski-Gedenken bzw. die Verehrung des Ersten Marschalls vollkommen konzentriert und institutionalisiert. Es wurde im Sinne der gesamtnationalen Aufgabenstellung des Komitees quasi „gleichgeschaltet“, damit jeder Staatsbürger eine gleichförmige und würdige Form des Gedächtnisses an den Marschall erfahren konnte. Ausgangspunkt für diese Form der staatlich gelenkten und vereinheitlichten Form der Verehrung war der Piłsudski-Mythos, durch den die als historisch herausragend angesehenen Leistungen und Taten Piłsudskis für die nachfolgenden Generationen bewahrenswert erschienen. Gleichzeitig halfen die Vertreter des Obersten Gedächtniskomitees, diesen Mythos in der Gesellschaft weiter zu verbreiten und zu festigen. Die „Bewahrung des Gedächtnisses“ erfolgte durch die im folgenden noch zu erläuternden gesamtnationalen Denkmalsprojekte, die symbolisch die Verdienste des Marschalls darstellten bzw. darstellen sollten, und die von ihm organisierten Feiern zum Namens- und Todestag Piłsudskis, die wichtige Rituale der Verehrung waren. Es förderte mit seinem Wirken also zwei wichtige Komponenten des Piłsudski-Kultes. Die Arbeit des Obersten Ge- des Piłsudski-Erdhügels und dem Portrait des Marschalls aus kommerziellen Gründen zu verkaufen. Vgl. AAN, WWNK, 34, B. 239 (Schreiben vom 24.IX.1937). 157 Die Abb. 8 verdeutlicht jedoch, daß bis zur Mitte des Jahres 1937 dieses Ziel nicht realisiert wurde. 158 „hamować“ (AAN, WWNK, 35, B. 23, Brief an den Wojewoden in Polesien vom 12.IX.1935). In diesem Brief ermahnte es den Wojewoden, die verschiedenen Projekte in der Gemeinde Lohiszyń zu bremsen, um ein würdiges Gedenken an den Marschall zu gewährleisten. Zur Übersicht über die Denkmäler siehe Abb. 8. 159 Vgl. AAN, WWNK, 38, B. 96-109. 99

auch, daß Projekte, die sich noch im Bau befanden, nicht die Genehmigung erhielten,<br />

den Namen <strong>Piłsudski</strong>s zu tragen.<br />

So lehnte es das Oberste Gedächtniskomitee im Juli 1939 ab, in der Volksschule<br />

der Gemeinde Czerński im Kreis Słonim einen Gedenkstein zu errichten, weil dieser<br />

<strong>seine</strong>n künstlerischen Ansprüchen nicht genügte. Es bot aber an, einen entsprechenden<br />

Entwurf, der auch der Finanzkraft des Antragstellers entsprach, zu liefern. 152 Wegen<br />

der „sehr primitiven architektonischen Form“ 153 versagte das Komitee einem<br />

Denkmalbauprojekt in Wołów (Kreis Kielce) die finanzielle Unterstützung <strong>und</strong> wies<br />

darauf hin, daß ein Denkmal „monumentalen Charakter“ <strong>und</strong> eine „gebührende künstlerische<br />

Form“ 154 haben <strong>und</strong> aus dauerhaftem Material bestehen solle. Andererseits<br />

äußerte das Oberste Gedächtniskomitee keine Bedenken gegen die Aufschrift auf einer<br />

neuen Glocke für die orthodoxe Kirche in Kamienicy-Zyrowiecki, die für die Ruhe<br />

des „geliebten Führers <strong>und</strong> Wiedererrichters Polens“ (Ukochanego Wodza i<br />

Wskrzesiciela Polski) warb, gewährte aber keine finanzielle Unterstützung. 155<br />

Ebenfalls untersagte es, kommerziellen Nutzen aus dem Namen des Marschalls zu<br />

ziehen. Es lehnte strikt alle Anträge von Firmen ab, die mit <strong>Piłsudski</strong> werben wollten.<br />

Nach einer Mitteilung im BBWR-Organ Przegląd Tygodniowy („Wochenr<strong>und</strong>schau“)<br />

lehnte das Oberste Gedächtniskomitee Angebote von verschiedenen Handelsunternehmen<br />

ab, das Bild oder die Initialen Józef <strong>Piłsudski</strong>s mit Gegenständen des täglichen<br />

Gebrauchs oder Massenprodukten zu verbinden. Es ermahnte die Bürger außerdem,<br />

vom Erwerb solch pseudokünstlerischen Tands abzusehen. 156<br />

152<br />

Vgl. AAN, WWNK, 11, B. 27.<br />

153<br />

„bardzo prymitywą formę“ (AAN, WWNK, 11, B. 133).<br />

154<br />

„monumentalny charakter“ <strong>und</strong> „należyta forma artystyczna“ (beides: AAN, WWNK, 11,<br />

B. 133).<br />

155<br />

Vgl. AAN, WWNK, 11, B. 46 f. Daran wird deutlich, daß es dem Obersten Gedächtniskomitee<br />

darum ging, keine finanziellen Verpflichtungen einzugehen. Wenn ein sich im Bau<br />

befindliches, aber schon mit dem Namen <strong>Piłsudski</strong>s versehenes Projekt nicht mehr über die<br />

benötigten finanziellen Mittel verfügte, hätte ein solches durch Zuschüsse vollendet werden<br />

müssen, um nicht den Namen des Marschalls zu verunglimpfen. Daher erklärte sich<br />

das Exekutivkomitee beispielsweise damit einverstanden, die Namengebung einer Volksschule<br />

in Lipniszki für den Fall zu gewähren, daß deren Bau völlig beendet sei <strong>und</strong> danach<br />

keine finanzielle Hilfe des Obersten Gedächtniskomitees mehr benötigt würde. Vgl. AAN,<br />

WWNK, 35, B. 296, 282.<br />

156<br />

Vgl. Przegląd Tygodniowy vom 28.VII.1935, in: AAN, WWNK, 3, B. 28. Vgl. die Forderung<br />

der Finanzsektion nach einem R<strong>und</strong>brief an die Wojewodschaftskomitees, die Vorhaben<br />

wie die der Firma „Herma“ verhindern sollten, da diese mit dem Verkauf von Abzeichen<br />

mit dem Bild <strong>Piłsudski</strong>s Einkünfte erzielen wollte (vgl. AAN, WWNK, 4, B. 163 f.).<br />

Obwohl Postkarten ein geeignetes Propagandamittel waren, untersagte das Oberste Gedächtniskomitee<br />

dem lokalen Zirkel des Związek b. Ochotników Armii Polskiej (Verband<br />

der ehemaligen Freiwilligen der Polnischen Armee) in Białystok, Postkarten mit dem Bild<br />

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