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Rechtsanwalt Dr. Johannes Mierau, Würzburg: Rechtsanwälte Dr ...

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<strong>Rechtsanwalt</strong> <strong>Dr</strong>. <strong>Johannes</strong> <strong>Mierau</strong>, <strong>Würzburg</strong>:<br />

<strong>Rechtsanwälte</strong> <strong>Dr</strong>. Vocke & Partner<br />

Entwurf einer<br />

Musterverordnung über die<br />

Gewährung eines Nachteilsausgleichs und Notenschutzes für Schülerinnen<br />

und Schüler mit einer anerkannten Teilleistungsstörung (Legasthenie /<br />

Dyskalkulie) – LegDysVO


<strong>Dr</strong>. <strong>Johannes</strong> <strong>Mierau</strong>, <strong>Würzburg</strong> 2<br />

§ 1 Allgemeines<br />

(1) Lesen, Schreiben und Rechnen gehören zu den grundlegenden<br />

Kulturtechniken, deren Erlernen und Beherrschen zu den Hauptaufgaben der<br />

Schule gehört. Sie sind Voraussetzung für die Entfaltung der Persönlichkeit,<br />

für den Wissenserwerb, die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen<br />

sowie für den späteren Beruf.<br />

(2) Bei einer nicht geringen Zahl von Schülerinnen und Schülern ist der<br />

Schulerfolg durch besondere Schwierigkeiten im Lesen, Rechtschreiben und /<br />

oder Rechnen beeinträchtigt. Davon sind insbesondere Grundschüler, aber<br />

auch Schülerinnen und Schüler aller anderen Schularten betroffen.<br />

(3) Schülerinnen und Schülern mit einer Legasthenie und / oder Dyskalkulie steht<br />

nach Maßgabe dieser Verordnung deshalb ein Anspruch auf Gewährung von<br />

Nachteilsausgleich und Notenschutz zu.<br />

§ 2 Begriffsbestimmungen<br />

(1) Die Lese- / Rechtschreibstörung (Legasthenie) ist eine umschriebene<br />

Entwicklungsstörung der schulischen Fertigkeiten, die neurobiologisch als<br />

basale Störung in der auditiven und visuellen Informationsverarbeitung erklärt<br />

wird.<br />

(2) Die Rechenstörung (Dyskalkulie) stellt eine umschriebene<br />

Entwicklungsstörung der schulischen Fertigkeiten dar, die durch ein Defizit der<br />

basisnumerischen Verarbeitung (Numerosität) verursacht wird.<br />

(3) Die Legasthenie oder Dyskalkulie (Teilleistungsstörung) stellt für die<br />

betroffene Schülerin / den betroffenen Schüler eine Behinderung im Bereich<br />

der Schule dar. Es handelt sich um Störungen, bei denen die normalen Muster<br />

des Fertigkeitserwerbs von frühen Entwicklungsstadien an gestört sind. Die<br />

Störungen ergeben sich nicht aus mangelnden Gelegenheiten zu lernen. Die<br />

Teilleistungsstörung ist auch nicht allein als Folge einer Intelligenzminderung<br />

oder irgendeiner erworbenen Hirnschädigung oder -krankheit aufzufassen.<br />

§ 3 Feststellung<br />

(1) Die Anerkennung einer Teilleistungsstörung setzt voraus, dass eine auf der<br />

Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom<br />

Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information<br />

herausgegebenen deutschen Fassung erstellte fachliche Bescheinigung das<br />

Vorliegen einer Lese- und Rechtschreibstörung (ICD F 81.0), isolierten<br />

Rechtschreibstörung (ICD F 81.1), Rechenstörung (ICD F 81.2) oder eine<br />

Kombination dieser Störungen (ICD F 81.3) feststellt.


<strong>Dr</strong>. <strong>Johannes</strong> <strong>Mierau</strong>, <strong>Würzburg</strong> 3<br />

(2) Die fachliche Bescheinigung ist entsprechend der Leitlinien der Deutschen<br />

Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie zu den<br />

umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (F81) zu<br />

erstellen. Insbesondere sind in der Angaben zur schulischen Situation beim<br />

Lesen, Rechtschreiben und / oder Rechnen sowie zu den angewandten<br />

standardisierten Testverfahren zu treffen. Der Fachgutachter soll sich auch<br />

zur Ausgestaltung des Nachteilsausgleiches, insbesondere zu dem zu<br />

gewährenden Zeitzuschlag bei schriftlichen Leistungserhebungen, äußern.<br />

(3) Die fachliche Bescheinigung nach Abs. 1 ist von einem<br />

1. Arzt für Kinder und Jugendpsychiatrie und – psychotherapie,<br />

2. einem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut oder<br />

3. einem Arzt oder einem psychologischen Psychotherapeuten, der über<br />

besondere Erfahrungen auf dem Gebiet der Teilleistungsstörung hat,<br />

(Fachgutachter) zu erstellen.<br />

§ 4 Anerkennung<br />

(1) Die fachliche Bescheinigung ist Grundlage für die Anerkennung einer<br />

Legasthenie / Dyskalkulie durch die Schule.<br />

(2) Sie wird hierzu dem jeweils zuständigen Schulpsychologen vorgelegt. Dieser<br />

überprüft die hierin getroffenen Aussagen und Feststellungen.<br />

(3) Bestätigt der Schulpsychologe das Vorliegen einer Teilleistungsstörung, so<br />

stellt er unverzüglich eine Bestätigung für die Schule mit dem Hinweis auf die<br />

Gewährung eines Nachteilsausgleiches und Notenschutzes aus. Er hat dabei<br />

auch unter Beachtung der Empfehlungen des Fachgutachters für den<br />

Einzelfall Vorgaben für die Umsetzung des Nachteilsausgleiches und<br />

Notenschutzes zu geben. Die fachliche Bescheinigung sowie weitere<br />

Befundberichte selbst verbleiben beim Schulpsychologen.<br />

(4) Sind nach Auffassung des Schulpsychologen die fachlichen Voraussetzungen<br />

für das Vorliegen einer Teilleistungsstörung nicht gegeben, teilt er dies<br />

unverzüglich unter Darlegung seiner Erwägungen dem Fachgutachter mit.<br />

Können sich der Schulpsychologe und Fachgutachter nicht einigen,<br />

entscheidet der Fachgutachter abschließend. Abs. 3 gilt sodann<br />

entsprechend.<br />

(5) Nach Erhalt der Bestätigung des Schulpsychologen gewährt die Schule dem<br />

betreffenden Schüler einen Nachteilsausgleich und Notenschutz. Die<br />

Gewährung wie auch die konkrete Umsetzung des Nachteilsausgleiches und<br />

Notenschutzes wird den Erziehungsberechtigten unverzüglich schriftlich<br />

mitgeteilt.


<strong>Dr</strong>. <strong>Johannes</strong> <strong>Mierau</strong>, <strong>Würzburg</strong> 4<br />

(6) Die Anerkennung erfolgt rückwirkend zum Beginn des Schuljahres, in<br />

welchem die fachliche Bescheinigung erstellt wird. Die Anerkennung gilt<br />

grundsätzlich bis zu dem jeweiligen Schulabschluss. Nachteilsausgleich und<br />

Notenschutz sind infolge der Anerkennung grundsätzlich bis zur Beendigung<br />

des Schulbesuches einschließlich der Abschlussprüfung zu gewähren.<br />

(7) Die fachliche Bescheinigung über das Vorliegen einer Teilleistungsstörung ist<br />

beim Übertritt von der Grundschule in eine weiterführende Schule erneut<br />

auszustellen bzw. von dem Fachgutachter und dem jeweils zuständigen<br />

Schulpsychologen zu bestätigen. Absätze 2, 3 gelten entsprechend.<br />

§ 5 Nachteilsausgleich<br />

(1) Grundsätzlich unterliegen auch Schülerinnen und Schüler mit einer<br />

Teilleistungsstörung an allen allgemeinbildenden Schulen und beruflichen<br />

Schulen den allgemeinen Maßstäben der Leistungsfeststellung.<br />

(2) Bei schriftlichen Formen der Leistungserhebung ist Schülern mit einer<br />

anerkannten Teilleistungsstörung in allen Fächern ein Zeitzuschlag bis zur<br />

Hälfte der regulären Arbeitszeit zu gewähren. Die Dauer des Zeitzuschlags<br />

richtet sich nach Art und Ausmaß der Störung. Er wird auf Empfehlung der<br />

fachlich zuständigen Lehrkräfte unter Berücksichtigung der vom<br />

Schulpsychologen gegebenen Vorgaben vom Schulleiter festgelegt. Es kann<br />

auch eine schriftlich gestellte Aufgabe zusätzlich vorgelesen oder die<br />

Leistungsfeststellung mündlich durchgeführt werden. In geeigneten Fällen<br />

können auch technische und didaktisch-methodische Hilfsmittel (z.B.<br />

Computer, Wörterbuch, spezifisch gestaltete Arbeitsblätter) eingesetzt<br />

werden. Ferner können differenzierte Aufgaben (z.B. verringertes<br />

Arbeitspensum) gestellt werden, die dem individuellen Lernstand angepasst<br />

sind.<br />

(3) Schülerinnen und Schüler mit einer anerkannten Legasthenie sind von der<br />

Teilnahme an schriftlichen Leistungserhebungen, die ausschließlich der<br />

Feststellung der Rechtschreibkenntnisse dienen, zu befreien. Nehmen sie<br />

freiwillig teil, so erfolgt keine ziffernmäßige Leistungsbewertung, sondern eine<br />

verbale Beurteilung, die insbesondere feststellbare Lernfortschritte betont und<br />

Anregungen für weiterführende Übungen gibt.<br />

(4) Die Gewährung eines Nachteilsausgleiches darf in Zeugnissen und sonstigen<br />

schulischen Leistungsbestätigungen nicht angegeben werden.


<strong>Dr</strong>. <strong>Johannes</strong> <strong>Mierau</strong>, <strong>Würzburg</strong> 5<br />

§ 6 Notenschutz<br />

(1) Grundsätzlich unterliegen auch Schülerinnen und Schüler mit einer<br />

Teilleistungsstörung an allen allgemeinbildenden Schulen und beruflichen<br />

Schulen den allgemeinen Maßstäben der Leistungsbewertung; dies gilt<br />

insbesondere auch für die jeweilige Abschlussprüfung.<br />

(2) Hiervon gelten folgende Abweichungen:<br />

1. Bei der Bewertung schriftlicher Leistungsfeststellungen darf die<br />

mangelnde Rechtschreib- oder Rechenleistung nicht in die<br />

Notengebung miteinfließen.<br />

2. Insbesondere entfällt in den Fächern Deutsch und den Fremdsprachen<br />

eine notenmäßige Bewertung des Lesens und Rechtschreibens;<br />

gleiches gilt für das Rechnen bei den in Betracht kommenden Fächern,<br />

insbesondere in Mathematik in den Teilbereichen, die die Schülerin<br />

oder der Schüler aufgrund fehlender Förderung noch nicht abbilden<br />

kann. Teilbereiche, die durch diese abgesichert sind, fließen je nach<br />

den Fortschritten der Fördermaßnahmen in die Bewertung der<br />

Rechenleistung ein.<br />

3. Bei der Festlegung der Zeugnisnote sollen je nach Art und Ausmaß der<br />

Teilleistungsstörung die mündlichen Leistungen im Vordergrund<br />

stehen. Bei Schülern mit einer Teilleistungsstörung sind schriftliche und<br />

mündliche Leistungen im Verhältnis 1: 1 zu gewichten. Die Festsetzung<br />

der mündlichen Note erfolgt auf der Basis von rein mündlichen<br />

Leistungsnachweisen.<br />

4. Bei Schülerinnen und Schülern mit einer anerkannten<br />

Teilleistungsstörung darf diese nicht den Ausschlag für das Versagen<br />

der Vorrückungserlaubnis geben.<br />

5. Die anerkannte Teilleistungsstörung darf für sich genommen bei<br />

ansonsten angemessener Gesamtleistung kein Grund sein, einem<br />

Schüler den Übertritt an eine weiterführende Schule zu versagen.<br />

(3) Auf die Gewährung des Notenschutzes ist in Zeugnissen und sonstigen<br />

schulischen Leistungsbestätigungen hinzuweisen.<br />

§ 7 Sonstiges<br />

(1) Erziehungsberechtigte von Schülerinnen und Schülern, bei denen der<br />

Verdacht auf eine Teilleistungsstörung besteht, werden von der Schule<br />

frühzeitig über Art und Ausmaß der Teilleistungsstörung und über die<br />

Möglichkeiten, sie zu überwinden bzw. mit ihr zu leben, informiert.<br />

Insbesondere ist die Schule verpflichtet, die Erziehungsberechtigten<br />

umgehend nach Vorliegen eines solchen Verdachts auf die Möglichkeit einer<br />

Überprüfung durch Einholung der fachlichen Bescheinigung nach § 3<br />

hinzuweisen.


<strong>Dr</strong>. <strong>Johannes</strong> <strong>Mierau</strong>, <strong>Würzburg</strong> 6<br />

(2) Die Schule hat dafür Sorge zu tragen, dass Schülerinnen und Schüler mit<br />

einer Teilleistungsstörung eine individuelle Förderung erhalten. Die<br />

Fördermaßnahmen sind in Kleinstgruppen durchzuführen und bei Bedarf auch<br />

als Einzelförderung durchzuführen. Diese Maßnahme ist insbesondere zu<br />

Beginn der Förderung in Anwendung zu bringen, damit die Schülerin oder der<br />

Schüler dem Lernstoff folgen kann und das Klassenziel erreicht.<br />

(3) Auf die Gewährung des Nachteilsausgleiches wie Notenschutzes kann von<br />

den Erziehungsberechtigten bis zum jeweiligen Schulabschluss nur einmal<br />

verzichtet werden.<br />

(4) Die Durchführung von weitergehenden Fördermaßnahmen für Schülerinnen<br />

und Schüler mit einer anerkannten Teilleistungsstörung, insbesondere für<br />

solche, bei denen ein sonderpädagogischer Förderbedarf besteht, bleibt durch<br />

diese Verordnung unberührt. Gleiches gilt für die Durchführung<br />

außerschulischer Hilfsmaßnahmen.<br />

§ 8 Aufhebung von Vorschriften / Inkrafttreten / Außerkrafttreten<br />

(...)<br />

Stand: 27.10.2008

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