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1 - Horntip

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männerschaft" und „Von der gastlichen Prostitution". Im ersteren sind immerhin<br />

nicht weniger als 28 Geschichten zusammengefaßt, im anderen 17, von<br />

denen mir allerdings einige recht wenig Beziehung oder Beweiskraft zu haben<br />

scheinen. Was im allgemeinen gilt, daß das Volksempfinden sich nur sehr<br />

langsam vom Überkommenen loslöst und zäh an Anschauungen festhält, die die<br />

literarisch gebildete Kulturwelt längst begraben und vergessen hat, das sehen<br />

wir hier in ganz überraschender Weise auf einem Gebiete bestätigt, das<br />

unseren gesellschafts-biologischen Studien besonders nahe liegt. Ein Teil dieser<br />

absichtslos erzählten unappetitlichen Schnurren verrät uns untrüglich, daß hier<br />

bei einem europäischen, dem Christentume angehörigen, mit Schulen ver*<br />

sehenen Volkstume Reste uralter Entwicklungsstufen direkt noch erhalten sind<br />

oder bis vor kurzem waren oder wenigstens in Sitte und Anschauung noch<br />

nachwirkend lebendig sind. Der Einfluß der christlichen Ehe und ihrer Vorschriften<br />

scheint gegenüber dem Fortleben früherer Gebräuche im Volksempfinden<br />

gänzlich machtlos gewesen zu sein.<br />

Die Verheiratung unreifer Knaben mit erwachsenen Mädchen, um mehr<br />

Arbeitskräfte in die Wirtschaft zu bekommen, und die damit verbundene<br />

Zeitehe des Schwiegervaters oder eines älteren Bruders mit der jungen Frau<br />

bis zur Heranreifung ihres Gatten war bis vor kurzem üblich und scheint<br />

noch hier und dort vorzukommen. Sehr bezeichnend hierfür ist neben anderen<br />

die Geschichte (Nr. 224) vom gottgefälligen Tun eines Montenegriners, der<br />

es sich bei der Beichte seiner Sünden als ein diese ausgleichendes gottgefälliges<br />

Tun anrechnete, daß er vier Jahre lang die Frauen seiner unmündigen Neffen<br />

vom Verlassen des Hauses zurückgehalten habe, indem er selbst bei ihnen<br />

die noch unfähigen Gatten vertrat. Die Kinder solcher Zeitehen wurden natürlich<br />

dem jugendlichen Manne zugeschrieben, doch scheint für den Sohn einer<br />

Schwiegertochter mit dem Schwiegervater die besondere Bezeichnung „Babovic"<br />

(Vatersohn) im Gebrauch gewesen zu sein. „Unter den Chrowoten der ehemaligen<br />

Militärgrenze gilt es als selbstverständich, daß der Schwiegervater<br />

und alle seine Söhne der neuen Schnur beischlafen." Auf einen alten Brauch<br />

oder einst geltende Rechte der Brautführer scheint die im Gefilde von Hlijevno<br />

(Nr. 214) bestehende, äußerst merkwürdige Hochzeitssitte zurückzugehen.<br />

Allgemein in allen Geschichten nennen Eltern, die keinen Sohn haben, ihre<br />

Tochter „Söhnchen". Die Sitte dürfte auf denselben Urgrund zurückgehen,<br />

wie die im Gewohnheitsrecht der oberalbanesischen Gebirgsstämme noch geltende<br />

Bestimmung, daß Frauen, die nur Töchter, aber keinen Sohn geboren<br />

haben, sowie die Töchter selbst, kein Erbrecht besitzen. Eine Frau<br />

ohne Kind schämt sich vor ihrer Sippe. Diese, gewöhnlich die Schwiegermutter,<br />

redet ihr dann zu, einen fremden Mann zu sich zu lassen. Wie ein<br />

Stück bewußter Rassenhygiene berührt es, wenn erzählt wird (S. 285): „Es<br />

kommt auch vor, daß eine Familie ganz schwächlich und kränklich geartet<br />

ist. Dann bereden sie die Schnur, daß sie einem Jüngling oder einem Manne<br />

von gutem, gesunden Geschlechte gewähre, damit er ihr ein Kind mache und<br />

eine gute Zucht ansetze/'<br />

Die Stellung des Hausvorstandes und diejenige der Frauen im Hause während<br />

eines Stadiums der Entwicklungsgeschichte der Familie könnte durch keine<br />

Erklärung und Beschreibung, und wäre sie noch so gründlich, so lebhaft und<br />

klar mit allen Perspektiven zum Verständnis gebracht werden, wie durch

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