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aus der ethnographischen Literatur und den zahlreichen Reiseschilderungen<br />

kennt, wird seine Vorstellung von Grund aus revidieren müssen, genau so<br />

wie die Literaturgeschichte es hätte tun sollen nach der großen Sammlung<br />

von Reigenliedern in den Kryptadia, zu denen die Erzählungen die natürliche<br />

Ergänzung bilden. Die dort niedergelegten Liedchen und Tanzstrophen werden<br />

gewiß auch jedem unglaublich erschienen sein, dessen Kenntnis der slawischen<br />

Volksdichtungen etwa auf den Sammlungen von Talvj, Kapper u. a. beruhte.<br />

Wer aber gelegentlich in den Dörfern der Save-Länder einem Kolotanze beiwohnte<br />

und hörte, wie auf freiem Platze die Burschen und Mädchen ein saftiges<br />

Verslein dem anderen folgen ließen, der wird Krauss bestätigen, daß<br />

es nicht zusammengesuchte Einzelerscheinungen sind, sondern daß sie einen<br />

wesentlichen Bestandteil der Stimmen jener Völker bilden. Und lächelnd wird<br />

er sich z. B. der Worte Otto von L e і x n e r s über das serbische Volkslied<br />

erinnern: „ihr Volkslied ist fast niemals zügellos, ihre Erotik, nur selten<br />

derb, kennt nicht jene Obszönitäten, welche das französische und das deutsche<br />

so oft entstellen." Die ganze Literatur über die Balkanvölker ist mit geringen<br />

Ausnahmen entweder romantisch oder politisch, in der Regel beides zusammen.<br />

Daß uns das Buch von Krauss statt des romantischen ein Wirklichkeitsbild<br />

gibt, ist zunächst ein allgemeines Verdienst um die Ethnologie<br />

der behandelten Volksgruppen. Das Material ist aber weiter auch ein Schlag<br />

für die Romantik in der Volkskunde überhaupt.<br />

Betrachten wir die Erzählungen im besonderen, so überrascht zuerst ihre<br />

Menge und die Verbreitung einzelner in gleicher oder ähnlicher Form über<br />

das ganze Gebiet. Die meisten sind nach ihrem lokalen Vorkommen gut bestimmt.<br />

Wesentliche Unterschiede im Stoffe, in den Motiven und in der Behandlungsweise<br />

scheint es zwischen den verschiedenen Gruppen nicht zu geben.<br />

Dabei ist recht bezeichnend, daß unter all diesen vielen Geschichten, die<br />

sich ausschließlich auf das Geschlechtsleben beziehen, nicht eine einzige ist,<br />

in der einmal auf Liebe im poetischen Sinne hingedeutet wäre.<br />

Der Herausgeber hat die Erzählungen nach dem Inhalte in 19 Abschnitte<br />

geteilt. Ein paar Überschriften genügen zur Charakterisierung: Bräuche und<br />

Anschauungen über den Beischlaf, die Ausübung des Beischlafes, Ort- und<br />

Personennamen nach Geschlechtsteilen, vom Zumpt und den Hoden, von den<br />

weiblichen Geschlechtsteilen, von den Schamhaaren, wie man um Liebesgenuß<br />

wirbt usw. usw. Ein großer Teil der Geschichten trägt den Charakter von<br />

Schnurren und Witzen über geschlechtliche Dinge, von Zoten, wie sie so<br />

oder ähnlich, mehr oder weniger, bei allen Völkern und in allen Bildungsschichten<br />

beliebt sind. Ich gebe zu, daß auch hierunter manche Erzählung,<br />

die offenbar neueren Ursprungs ist und ihren Wert nur im Witz zu haben<br />

scheint, eines einzelnen Zuges oder einer Wendung wegen ethnologisch oder<br />

sonst für die Wissenschaft beachtenswert sein kann. Aber eine etwas strengere<br />

Auswahl hätte nicht geschadet. Zoten mit und ohne Witz, die zum festen<br />

und allbekannten Bestände aller europäischen Kasernen und Kneiptische gehören,<br />

und die deutlich den witzigen Erfindungsgeist moderner Menschen<br />

verraten, werden dadurch nicht bedeutungsvoller, daß sie auch ins Kroatische<br />

übersetzt wurden. Ungleich wertvoller als die Geschichten der oben zum<br />

Teil aufgeführten Abschnitte sind die an Zahl geringeren der Kapitel „Von<br />

der Zeitehe des Schwiegervaters mit der Schwiegertochter und von der Viel-

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