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tigen Dinge sich vertiefen und mehr Leben bekommen. Damit allein schon<br />

hätte sich der Herausgeber ein großes Verdienst erworben, in erster Linie<br />

auch um die Ethnologie und Gesellschafts-Biologie.<br />

Der umfangreiche erste Band des Jahrbuchs ist von Krauss allein gefüllt<br />

worden. Er enthält: Südslawische Volksüberlieferungen, die sich auf den<br />

Geschlechtsverkehr beziehen. Es sind 371 von Krauss gesammelte, verdeutschte<br />

und erläuterte Erzählungen, die sich auf ein weites, ethnologisch aber<br />

ziemlich einheitliches Gebiet erstrecken. Die meisten stammen aus Kroatien,<br />

Slawonien und Serbien, die übrigen verteilen sich auf Bosnien, Dalmatien, Montenegro,<br />

Bulgarien und das Banat. Sie umfassen also fast alle südslawischen<br />

Gruppen, so daß wir über deren geschlechtliche Sitten und Ansichten ein großes<br />

Gesamtbild erhalten. Das erhöht ohne Frage den wissenschafdichen Wert<br />

des Materials ganz bedeutend. Gerade für dieses Sprachgebiet Europas war<br />

Krauss wie kein anderer borufen, die schwierige Aufgabe solcher Forschungen<br />

zu übernehmen. Er hat lange Zeit in jenen Gegenden gelebt, war<br />

also gewissermaßen Volksgenosse, geworden und gewann so nicht nur eine<br />

genaue literarische Kenntnis der Sprache, sondern auch die intimere der Idiome<br />

der nichtliterarischen Volksschichten. Seine älteren größeren Arbeiten: „Volksglaube<br />

und religiöser Brauch der Südslawen** (Münster i. W. 1890) und: „Die<br />

Zeugung in Sitte, Brauch und Glauben der Südslawen'* (in den oben erwähnten<br />

Kryptadia) sind ja unter den ethnologischen und volkskundlichen Fachgenossen<br />

allgemein bekannt und geschätzt. Die nötigen Vorbedingungen, um ein solches<br />

Material wie das hier gegebene wissenschaftlich wertvoll zu machen, waren<br />

demnach so erfüllt, wie es immer sein sollte.<br />

Wichtig für die Kritik ist auch die Art, wie er die Erzählungen gesammelt<br />

hat. Er hat „niemals die Leute nach solchen Geschichten befragt, sondern<br />

man erzählte sie bloß in meiner Gegenwart anderen und hernach ließ ich<br />

mir regelmäßig die Erzählungen in die Feder wiederholen oder die Aufzeichnungen<br />

unauffällig von jemand besorgen**. Wiedergegeben sind sie im<br />

Urtext und in Übertragung. Dadurch werden sie einerseits auch für die<br />

Sprachwissenschaft eine neue und wertvolle Quelle, andrerseits ist eine Kontrolle<br />

des Textes ermöglicht. Bei der Übersetzung hat Krauss streng das<br />

Prinzip möglichster sachlicher Treue ohne Scheu und Rücksicht verfolgt. Daß<br />

auf diese Weise das Derbe und Rohe mit gleichwertigen, ebenso derben und<br />

rohen Worten wiedergegeben wird, mag die Lektüre zum Teil widerlich machen,<br />

so daß sie Überwindung* kostet, aber es war das einzig Richtige und Notwendige.<br />

Die Selbstverständlichkeit, mit der der Erzähler stets die gewöhnwöhnlichste,<br />

unumschriebene Bezeichnung gebraucht, gehört ebenso zum Bilde<br />

und ist für Erzähler und Hörex nicht minder charakteristisch wie die Schnurre<br />

selbst. So wirken viele dieser prägnanten Geschichtchen wie eine photogragraphische<br />

Aufnahme der Volksseele. Wie wir aber bei den anthropologischen<br />

Aufnahmen des physischen Habitus jede Retouche verwerfen, müssen wir<br />

es auch hier tun.<br />

Ein ethnographisch interessanter Zug ist auch, daß die Geschichten in<br />

aller Öffentlichkeit und meist in Gegenwart von Kindern, Mädchen und Frauen<br />

erzählt wurden. Sie bilden also offenbar einen gewohnten und beliebten Unterhaltungsstoff.<br />

Das wird vielen unglaublich erscheinen. Und der Ethnolog<br />

und Folklorist, der die Südslawen nicht aus eigener Anschauung, sondern nur

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