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Essen und Trinken<br />
von August F. Winkler<br />
Die Tischrunde wirkte irritiert. „Glauben<br />
Sie“, hatte der Gastgeber gefragt, „dass<br />
man mit Blumen ein komplettes Menü zubereiten<br />
kann?“ Das Echo war ein ziemlich<br />
lautes Nein. Die esserfahreneren Gäste<br />
murmelten wohl was von Kresseblüten<br />
und Geranien-Eis. Auch kandierte Veilchen<br />
wurden erwähnt, und ein Gast war<br />
dabei, der hatte bereits<br />
einmal Magnolien in<br />
Weingelee genascht<br />
und kam sich deswegen<br />
geradezu verwegen<br />
vor. Aber ein blumiges<br />
Menü, nein, das<br />
klang ihnen allen doch<br />
reichlich fremd. Also, sprach<br />
der Hausherr, ein Hobbykoch, beim nächsten<br />
Mal lasse ich die Küche erblühen.<br />
Und zur heiteren Verblüffung der Runde<br />
biss er wie zur Bestätigung in eine pralle<br />
Rosenblüte, die er genüsslich verspeiste:<br />
4 Von hier von dort und anderen guten Dingen<br />
Blütenküche:<br />
Blühende<br />
Pracht zum<br />
Vernaschen<br />
„Das schmeckt wirklich herrlich.“<br />
Man muss kein Blumen-Gourmet sein,<br />
um zu wissen, dass Freilandrosen betörend<br />
duften und auch geschmacklich voller<br />
Süße sind. Rosenblätter sind der kreative<br />
Pfiff mancher Bowle. Und die bunten<br />
Blüten von Kresse, Zucchini und Kürbis<br />
erfreuen über das Dekorative hinaus<br />
durch feinwürzigen, apart säuerlich unterlegten<br />
Geschmack. Die Blüten der Ringelblume<br />
machen sich geschmacklich gut mit<br />
Schnittlauch oder Dill; einen besonderen<br />
geschmacklichen Effekt geben sie einem<br />
Kartoffelpüree. Kleine Stiefmütterchen<br />
kann man kandieren oder zum Aromatisieren<br />
von Essig verwenden. Köstlich<br />
schmecken gebackene Rosenblätter mit<br />
Balsamico-Erdbeeren. Feinschmecker<br />
lassen solche Blüten niemals auf dem<br />
Teller liegen. Wer sie verschmäht,<br />
der tut dem Koch weh und ist ein<br />
Ignorant oder, verzeihlich, ein gastronomisches<br />
Erstsemester.<br />
Weit ungewöhnlicher als derlei blü-<br />
merante Küchenstückerln ist freilich ein<br />
Essen, bei dem Blumen nicht nur schöne<br />
Form sind, sondern der Inhalt jedes Speisegangs,<br />
zumindest dessen hauptsächlicher<br />
Aromafaktor. Das annoncierte Blumen-Menü<br />
begann mit einem Salat aus<br />
Hibiskus-, Lilien-, Stiefmütterchen- und<br />
Fuchsienblüten mit Kapuzinerkresse und<br />
einigen Blättchen Löwenzahn, angemacht<br />
mit einer raffinierten Vinaigrette aus<br />
Himbeeressig und Walnussöl. Gang Nummer<br />
zwei war eine „Blütensuppe“ aus Rosen<br />
und Chrysanthemen. Danach folgte<br />
der Hauptgang: Hummer, über Kamille<br />
gedämpft und mit den Blüten angerichtet.<br />
Ein Rosen-Sorbet, gefolgt von einem Geranienpudding,<br />
beschlossen<br />
das mit herzlichem Beifall<br />
bedachte Essen.<br />
Chrysanthemen, sagte<br />
der Blumenkoch mit<br />
schmatzendem Behagen,<br />
„die schmecken ein<br />
bisschen wie Blumenkohl“.