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6E6C>H8 - Supershit

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später einen gewissen Michael Jackson vom<br />

ersten Platz der Billboard-Charts stoßen<br />

sollten. Es schien fast, als sollten die vier<br />

Akkorde von „Smells like Teen Spirit“, ein<br />

zynisch wütender Text und ein tristes Turnhallenmusikvideo<br />

ausreichen, um die seit<br />

Jahren stagnierende Musikszene Amerikas<br />

wachzurütteln. Glattpolierter Pop von inszenierten<br />

Megastars wurde abgelöst durch<br />

eine kleine Band aus Seattle, die sich vor ein<br />

paar Jahren bei ihrer Westküstentour noch<br />

eine Matratze teilen mussten.<br />

Die gesteigerte Aufmerksamkeit hatte<br />

gute wie schlechte Seiten. Bands aus dem<br />

Seattle-Umfeld wie Mudhoney oder Soundgarden<br />

erhielten endlich verdiente Aufmerksamkeit.<br />

Die unter dem Oberbegriff<br />

Alternative subsumierte Musik fand aus ih-<br />

Die Musikindustrie schlachtete<br />

die Marke Grunge nach<br />

allen Möglichkeiten aus<br />

rem Nischendasein heraus, wovon Bands bis<br />

heute profitieren. Doch auch die Industrie<br />

witterte Möglichkeiten, Geld zu verdienen<br />

und schlachtete die Marke Grunge nach allen<br />

Möglichkeiten aus. Und die Medien interessierten<br />

sich für Nirvana und vor allem<br />

für Cobain. Das Interesse ging schnell weg<br />

von der Musik, man machte Cobain zum<br />

Sprachrohr der so genannten Generation<br />

X, der perspektivlosen Männer und Frauen<br />

zwischen 20 und 30. Durch die Liaison und<br />

baldigen Heirat Cobains mit Musikerin und<br />

Groupie Courtney Love hatte die Presse<br />

das perfekte Objekt ihrer Berichterstattung<br />

gefunden. Diese Art von Berühmtheit<br />

überschattete die Karriere von Nirvana und<br />

setzte Cobain nachhaltig zu. Wovon er als<br />

Junge geträumt hatte, entwickelte sich zum<br />

Albtraum. Vor allem, als seine persönlichen<br />

Probleme und der wachsende Drogenkonsum<br />

mehr und mehr thematisiert wurden.<br />

Ärger gab es auch mit der Plattenfirma. Der<br />

Sound des doch recht glatt-polierten Albums<br />

Nevermind sollte sich nach Cobains Willen<br />

auf dem nächsten Studioalbum, Arbeitstitel<br />

„I hate myself and I want to die“ ganz<br />

anders anhören, wovon Geffen Records gar<br />

nicht begeistert war. So verzögerte sich die<br />

Veröffentlichung von „In Utero“, wie das<br />

Album schließlich hieß, um mehrere Monate.<br />

Das alles konnte dem Erfolg der Band<br />

nichts antun. Das neue Studioalbum stieg in<br />

England auf Platz 1 der Charts ein, das Unplugged-Konzert<br />

für MTV zeigte die Band<br />

von einer ganz anderen Seite. Und dennoch:<br />

die Auseinandersetzungen mit Courtney<br />

Love, die Streitigkeiten mit dem Jugendamt<br />

um Tochter Frances Bean, Misstrauen gegenüber<br />

Medien, Plattenfirma und der Welt<br />

an sich, gesundheitliche Probleme, Drogen<br />

und Depressionen zogen Cobain in einen<br />

Strudel, aus dem er sich nicht mehr befreien<br />

konnte. Als sich die Band Anfang 1994 auf<br />

Welttournee machte, stand sie kommerziell<br />

gut da, Cobain sprach immer öfter davon,<br />

alles hinzuwerfen.<br />

Nach dem Auftritt in München war zunächst<br />

Schluss. Alle weiteren Konzerte<br />

wurden abgesagt. Im Rom, wo die Familie<br />

Cobain wieder zusammenfand, ereignete<br />

sich die nächste Katastrophe. Kurt wurde<br />

bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert,<br />

er hatte Champagner mit Unmengen Medikamente<br />

genommen, vermutlich der erste<br />

Selbstmordversuch. Die Familie reiste<br />

zurück nach Seattle, doch die Situation<br />

wurde nicht besser. Bei den Streitigkeiten<br />

zwischen den Eheleuten Cobain musste<br />

sogar die Polizei eingreifen, beschlagnahmte<br />

alle Waffen in dem Haushalt. Bis<br />

auf eine Schrotflinte, die Cobain zusammen<br />

mit Kumpel Dylan Carlson gekauft<br />

hatte. Familie und Freunde überredeten<br />

Kurt, eine Entziehungskur zu machen.<br />

Er willigte schließlich ein und flog nach<br />

Los Angeles, verschwand aber nach zwei<br />

Tagen wieder aus der Klinik. Seine Spur<br />

verlor sich in Seattle, wo sich der Nirvana-<br />

Sänger zwischen seinem Haus, Fastfood-<br />

Tempeln und Apartments seiner Dealer<br />

rumtrieb. Am 5. April schrieb er einen Abschiedsbrief,<br />

nahm Heroin, sein Spritzbesteck<br />

und die Schrotflinte und ging in die<br />

Wohnung über der Garage seines Hauses.<br />

Seine Leiche wurde drei Tage später von<br />

einem Elektriker gefunden. Kurt Cobain<br />

wurde 27 Jahre alt. Die Musik von Nirvana<br />

voller Wut und Verletzlichkeit und<br />

dieses finale Scheitern an sich selbst und<br />

an der Welt machten Kurt Cobain endgültig<br />

zu einer Jugendikone, zum perfekten<br />

Soundtrack für die Jahre im Jugendzimmer.<br />

Noch heute tragen 13-, 14-Jährige,<br />

die erst nach dem 5. April 1994 geboren<br />

wurden und die Band nie live gesehen haben,<br />

Nirvana-T-Shirts oder schreiben in<br />

Internetforen Sätze wie „Nirvana war und<br />

ist und wird immer die geilste Band der<br />

ganzen Welt sein! Und ich bin ja der Meinung,<br />

dass Kurt Cobain Gott war.“<br />

Musik<br />

Von hier von dort und anderen guten Dingen 9

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