Agrobiodiversität in Deutschland - Genres

Agrobiodiversität in Deutschland - Genres Agrobiodiversität in Deutschland - Genres

29.01.2013 Aufrufe

40 | Wilbert Himmighofen Vom Rio-Gipfel 1992 bis zur Agro biodiversitäts-Strategie des BMELV Damit sollten die Leistungen von Bauern für die Schaffung und Erhaltung der Vielfalt der Nutzpflanzen anerkannt werden. Zu deren Umsetzung wurde ein von Industrieländern und Nutzern von PGR zu speisender Internationaler Fonds beschlossen, aus dem Maßnahmen zur Erhaltung genetischer Ressourcen in den Ursprungsländern finanziert werden sollten, in den allerdings bis 1992 – außer Schweden – kein Mitgliedsstaat Beiträge geleistet hatte. In diesem Kontext ist auch die Gründung der multilateral – in Deutschland aus dem Haushalt des BMZ – finanzierten Weltbankberatungsgruppe für Internationale Agrarforschung (CGIAR) im Jahre 1971 zu sehen, unter deren Dach Internationale Agrarforschungsinstitute mit großen Sammlungen pflanzengenetischer Ressourcen für ihre jeweiligen Mandatsfrüchte vereinigt wurden. 1974 erfolgte in diesem Rahmen auch die Gründung des International Board for Plant Genetic Resources (IBPGR, später IPGRI, heute Bioversity International), mit dessen Unterstützung viele internationale Sammelreisen durchgeführt, zahlreiche nationale Genbanken, regionale und internationale Erhaltungsprogramme sowie Dokumentations- und Informationssysteme aufgebaut wurden, wie z.B. das Europäische Kooperationsprogramm für Pflanzengenetische Ressourcen (ECPGR). 1.3 Nationale und EU-Politik 1971 wurde von der damaligen Bundesregierung ein erstes Umweltprogramm verabschiedet. Darin wurde u. a. die Einführung eines Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege und eines Bundeswaldgesetzes angekündigt, die Mitte der Siebzigerjahre als Rahmengesetze verabschiedet wurden. Erst 15 Jahre später, 1986, wurde das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) gegründet. Daraufhin wurden die Zuständigkeit für Naturschutz und Landschaftspflege, die bis dahin im damaligen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML) lag, und die betreffenden Arbeitseinheiten im BML sowie die damalige Bundesanstalt für Naturschutz und Landschaftspflege, das heutige Bundesamt für Naturschutz, in die Zuständigkeit des BMU verlagert. Im BML wurde eine neue Unterabteilung mit einem Referat für Biotechnologie und genetische Ressourcen gebildet, dem auch das Aufgabengebiet Patentschutz für biotechnologische Erfindungen zugewiesen worden war. Dabei handelte es sich um Querschnittsaufgaben, die viele andere Aufgabengebiete berührten. Aufgrund des starken Aufgabenzuwachses wurden die beiden Aufgabengebiete 2002 organisatorisch getrennt und das Gebiet „genetische Ressourcen“ unter Beibehaltung des Patentschutzes umbenannt in „Biologische Vielfalt“. Das Referat hatte allgemeine, grundsätzliche und koordinierende Aufgaben, spezifische Fachaufgaben fielen in die Zuständigkeit der jeweils betroffenen Fachreferate. Das waren viele und die hatten z. T. andere Prioritäten. Gerade deshalb hat sich die vernetzte Struktur im Hinblick auf die interne Koordination und die einheitliche Vertretung der Belange des Ministeriums und Abstimmung mit anderen Akteuren auf nationaler, EU- und internationaler Ebene aber als sehr nützlich erwiesen. Die Zeit der Achtzigerjahre des letzten Jh. gilt als Modernisierungsphase der Umweltpolitik. Insbesondere aufgrund des Reaktorunfalls in Tschernobyl, des Waldsterbens, des sich abzeichnenden Klimawandels und zunehmender Verluste der biologischen Vielfalt hatte ein vorbeugender Umweltschutz gegenüber dem bis dahin vorherrschenden technischen Umweltschutz zunehmende Bedeutung bekommen. Dies hat viele gesetzgeberische Aktivitäten in Deutschland und in der EU, z. B. eine umfassende Gentechnikgesetzgebung sowie die Umweltverträglichkeitsprüfungs- und die Flora-Fauna- Habitat-Richtlinien und deren nationale Umsetzung ausgelöst. In diese Zeit fällt auch die Gründung verschiedener gesellschaftlicher Initiativen, die sich um die Erhaltung der Vielfalt der Nutzpflanzen und Nutztiere bemühten, sowie der Organisationen des Ökolandbaus. In der internationalen Wirtschafts-, Finanz- und Handelspolitik begann damals aber eine Phase staatlicher Deregulierung und Liberalisierung. Aufgrund von Beschlüssen der Welthandelsorganisation WTO war eine Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik mit dem Ziel einer Senkung der Agrarpreisstützung im Rahmen der Marktpolitik zugunsten direkter Einkommensbeihilfen notwendig geworden. Im Rahmen der Politik zur Ent- Wilbert Himmighofen | 41

40 | Wilbert Himmighofen<br />

Vom Rio-Gipfel 1992 bis zur Agro biodiversitäts-Strategie des BMELV<br />

Damit sollten die Leistungen von Bauern für die Schaffung und Erhaltung<br />

der Vielfalt der Nutzpflanzen anerkannt werden. Zu deren Umsetzung wurde<br />

e<strong>in</strong> von Industrieländern und Nutzern von PGR zu speisender Internationaler<br />

Fonds beschlossen, aus dem Maßnahmen zur Erhaltung genetischer<br />

Ressourcen <strong>in</strong> den Ursprungsländern f<strong>in</strong>anziert werden sollten, <strong>in</strong> den<br />

allerd<strong>in</strong>gs bis 1992 – außer Schweden – ke<strong>in</strong> Mitgliedsstaat Beiträge geleistet<br />

hatte.<br />

In diesem Kontext ist auch die Gründung der multilateral – <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

aus dem Haushalt des BMZ – f<strong>in</strong>anzierten Weltbankberatungsgruppe für<br />

Internationale Agrarforschung (CGIAR) im Jahre 1971 zu sehen, unter deren<br />

Dach Internationale Agrarforschungs<strong>in</strong>stitute mit großen Sammlungen<br />

pflanzengenetischer Ressourcen für ihre jeweiligen Mandatsfrüchte vere<strong>in</strong>igt<br />

wurden. 1974 erfolgte <strong>in</strong> diesem Rahmen auch die Gründung des<br />

International Board for Plant Genetic Resources (IBPGR, später IPGRI, heute<br />

Bioversity International), mit dessen Unterstützung viele <strong>in</strong>ternationale<br />

Sammelreisen durchgeführt, zahlreiche nationale Genbanken, regionale<br />

und <strong>in</strong>ternationale Erhaltungsprogramme sowie Dokumentations- und<br />

Informationssysteme aufgebaut wurden, wie z.B. das Europäische Kooperationsprogramm<br />

für Pflanzengenetische Ressourcen (ECPGR).<br />

1.3 Nationale und EU-Politik<br />

1971 wurde von der damaligen Bundesregierung e<strong>in</strong> erstes Umweltprogramm<br />

verabschiedet. Dar<strong>in</strong> wurde u. a. die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es Gesetzes<br />

über Naturschutz und Landschaftspflege und e<strong>in</strong>es Bundeswaldgesetzes<br />

angekündigt, die Mitte der Siebzigerjahre als Rahmengesetze verabschiedet<br />

wurden.<br />

Erst 15 Jahre später, 1986, wurde das Bundesm<strong>in</strong>isterium für Umwelt, Naturschutz<br />

und Reaktorsicherheit (BMU) gegründet. Daraufh<strong>in</strong> wurden die<br />

Zuständigkeit für Naturschutz und Landschaftspflege, die bis dah<strong>in</strong> im<br />

damaligen Bundesm<strong>in</strong>isterium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten<br />

(BML) lag, und die betreffenden Arbeitse<strong>in</strong>heiten im BML sowie die damalige<br />

Bundesanstalt für Naturschutz und Landschaftspflege, das heutige Bundesamt<br />

für Naturschutz, <strong>in</strong> die Zuständigkeit des BMU verlagert.<br />

Im BML wurde e<strong>in</strong>e neue Unterabteilung mit e<strong>in</strong>em Referat für Biotechnologie<br />

und genetische Ressourcen gebildet, dem auch das Aufgabengebiet<br />

Patentschutz für biotechnologische Erf<strong>in</strong>dungen zugewiesen worden war.<br />

Dabei handelte es sich um Querschnittsaufgaben, die viele andere Aufgabengebiete<br />

berührten. Aufgrund des starken Aufgabenzuwachses wurden<br />

die beiden Aufgabengebiete 2002 organisatorisch getrennt und das Gebiet<br />

„genetische Ressourcen“ unter Beibehaltung des Patentschutzes umbenannt<br />

<strong>in</strong> „Biologische Vielfalt“.<br />

Das Referat hatte allgeme<strong>in</strong>e, grundsätzliche und koord<strong>in</strong>ierende Aufgaben,<br />

spezifische Fachaufgaben fielen <strong>in</strong> die Zuständigkeit der jeweils betroffenen<br />

Fachreferate. Das waren viele und die hatten z. T. andere Prioritäten. Gerade<br />

deshalb hat sich die vernetzte Struktur im H<strong>in</strong>blick auf die <strong>in</strong>terne Koord<strong>in</strong>ation<br />

und die e<strong>in</strong>heitliche Vertretung der Belange des M<strong>in</strong>isteriums und<br />

Abstimmung mit anderen Akteuren auf nationaler, EU- und <strong>in</strong>ternationaler<br />

Ebene aber als sehr nützlich erwiesen.<br />

Die Zeit der Achtzigerjahre des letzten Jh. gilt als Modernisierungsphase der<br />

Umweltpolitik. Insbesondere aufgrund des Reaktorunfalls <strong>in</strong> Tschernobyl,<br />

des Waldsterbens, des sich abzeichnenden Klimawandels und zunehmender<br />

Verluste der biologischen Vielfalt hatte e<strong>in</strong> vorbeugender Umweltschutz<br />

gegenüber dem bis dah<strong>in</strong> vorherrschenden technischen Umweltschutz zunehmende<br />

Bedeutung bekommen. Dies hat viele gesetzgeberische Aktivitäten<br />

<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> und <strong>in</strong> der EU, z. B. e<strong>in</strong>e umfassende Gentechnikgesetzgebung<br />

sowie die Umweltverträglichkeitsprüfungs- und die Flora-Fauna-<br />

Habitat-Richtl<strong>in</strong>ien und deren nationale Umsetzung ausgelöst.<br />

In diese Zeit fällt auch die Gründung verschiedener gesellschaftlicher Initiativen,<br />

die sich um die Erhaltung der Vielfalt der Nutzpflanzen und Nutztiere<br />

bemühten, sowie der Organisationen des Ökolandbaus.<br />

In der <strong>in</strong>ternationalen Wirtschafts-, F<strong>in</strong>anz- und Handelspolitik begann<br />

damals aber e<strong>in</strong>e Phase staatlicher Deregulierung und Liberalisierung.<br />

Aufgrund von Beschlüssen der Welthandelsorganisation WTO war e<strong>in</strong>e<br />

Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik mit dem Ziel e<strong>in</strong>er Senkung der<br />

Agrarpreisstützung im Rahmen der Marktpolitik zugunsten direkter E<strong>in</strong>kommensbeihilfen<br />

notwendig geworden. Im Rahmen der Politik zur Ent-<br />

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