Agrobiodiversität in Deutschland - Genres

Agrobiodiversität in Deutschland - Genres Agrobiodiversität in Deutschland - Genres

29.01.2013 Aufrufe

140 | Bärbel Gerowitt Agrobiodiversität – Herausforderungen in den nächsten 20 Jahren tensiv mit den Wirkungen von Agrarpolitik auf Agrobiodiversität beschäftigt (Wissenschaftlicher Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen, 2008 und 2011), gibt in diesem Artikel aber nicht zwangsläufig die Meinung des Beirats wieder. Was ist Agrobiodiversität? Agrobiodiversität umfasst alle Komponenten der biologischen Vielfalt, die mit agrarischer Nutzung verbunden sind. Bei dem Stichwort „agrarische Nutzung“ denkt man zunächst an die Vielfalt bei Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen, die direkt genutzt wird. Dahinter verbergen sich alle Arten, Rassen, Sorten und Genotypen, die für die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Produktion eingesetzt werden oder früher eingesetzt wurden. Der Grad der Domestizierung von genutzten Arten ist in den verschiedenen Sektoren unterschiedlich. Im Falle der forstlichen und fischereiwirtschaftlichen Nutzung wird weitgehend natürlich bei uns vorkommende biologische Vielfalt genutzt. Die Nutzpflanzen wurden hingegen vom Menschen intensiv selektiert und gezüchtet. Dies hat zu einer sehr großen Vielfalt auf genetischer Ebene geführt. Bei den Nutzpflanzen ist die Vielfalt sowohl auf Arten- als auch auf Sortenebene von Bedeutung. Auch die verwandten Wildarten spielen als pflanzengenetische Ressourcen für weitere Anpassungen in der Zucht eine Rolle. Bei Nutztieren ist die Artebene kaum relevant, da tatsächlich nur wenige Arten weltweit das Spektrum der Nutztierarten bilden. Hier führte die Zucht bei den wenigen Arten zu einer großen genetischen Vielfalt an Rassen, die an verschiedenste Nutzungsformen angepasst waren. Heute haben viele dieser Nutzungsformen, wie Last- oder Zugtier, oft nur noch historische oder traditionelle Bedeutung. Die verwandten Wildarten bzw. Ursprungsarten spielen in der Zucht kaum noch eine Rolle. Dieser direkt in der Produktion genutzte Teil der Agrobiodiversität wird auch unter dem Stichwort „genetische Ressourcen“ zusammengefasst; viele dieser genetischen Ressourcen sind durch züchterische Tätigkeit entstanden. Damit ist aber nur ein Teilbereich der Agrobiodiversität beschrieben. Ein umfangreicher und wichtigerer Teil umfasst alle Organismengemeinschaften, die in agrarisch geprägten Ökosystemen (Acker, Grünland, Gewässer, Wald) Funktionen und Dienstleistungen übernehmen: Bindung und Umsetzung von Nährstoffen, Klimaregulation, Regulierung von Schädlingen und Krankheiten, Bestäubung, Regulierung des Wasserhaushalts, Erosionsschutz und anderes mehr. Wir nennen diese Arten und Artengemeinschaften auch „assoziierte Agrobiodiversität“. Obwohl man die meisten dieser Arten wohl als „wild“ bezeichnen würde, sind sie unmittelbar an die durch Nutzung geprägten Agrarökosysteme gekoppelt. Diese Nutzungsabhängigkeit bestimmt die Trennlinie zwischen Biodiversität und Agrobiodiversität. Während Biodiversität ausgehend von durch den Menschen unbeeinflussten Ökosystemen die gesamte Vielfalt an Individuen, Arten und Artengemeinschaften umfasst, ist Agrobiodiversität immer mit agrarischer Nutzung assoziiert. Während sich agrarische Tätigkeiten auf natürliche Ökosysteme stets negativ auswirken, ist dieser absolute Zusammenhang bei der Agrobiodiversität nicht gegeben. Im Gegenteil – im Prinzip ist Agrobiodiversität auf eine aktive land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Nutzung angewiesen. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich verschiedene Nutzungsmuster sehr unterschiedlich auf Komponenten und Mengen sowohl der assoziierten als auch der direkt genutzten Agrobiodiversität auswirken. Aus diesen Zusammenhängen ergeben sich zwei Konsequenzen: (1) Wegen der hohen historischen wie aktuellen Nutzungsdichte in Mitteleuropa dominiert Agrobiodiversität unsere Umwelt und unseren Naturhaushalt, (2) wegen dieser direkten Nutzungsabhängigkeit müssen Schutzkonzepte für Agrobiodiversität vor allem Nutzkonzepte sein. Herausforderungen Die im „Health Check“ der Gemeinsamen Agrarpolitik in erster Linie im Hinblick auf die Schwerpunktsetzung von Fördermitten erstellte Liste an neuen Herausforderungen lässt sich noch um weitere ergänzen. Unter dem Stichwort „Herausforderungen“ werden hier im Folgenden die großen Bärbel Gerowitt | 141

140 | Bärbel Gerowitt<br />

<strong>Agrobiodiversität</strong> – Herausforderungen <strong>in</strong> den nächsten 20 Jahren<br />

tensiv mit den Wirkungen von Agrarpolitik auf <strong>Agrobiodiversität</strong> beschäftigt<br />

(Wissenschaftlicher Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen,<br />

2008 und 2011), gibt <strong>in</strong> diesem Artikel aber nicht zwangsläufig die Me<strong>in</strong>ung<br />

des Beirats wieder.<br />

Was ist <strong>Agrobiodiversität</strong>?<br />

<strong>Agrobiodiversität</strong> umfasst alle Komponenten der biologischen Vielfalt, die<br />

mit agrarischer Nutzung verbunden s<strong>in</strong>d. Bei dem Stichwort „agrarische<br />

Nutzung“ denkt man zunächst an die Vielfalt bei Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen,<br />

die direkt genutzt wird. Dah<strong>in</strong>ter verbergen sich alle Arten,<br />

Rassen, Sorten und Genotypen, die für die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche<br />

Produktion e<strong>in</strong>gesetzt werden oder früher e<strong>in</strong>gesetzt wurden.<br />

Der Grad der Domestizierung von genutzten Arten ist <strong>in</strong> den verschiedenen<br />

Sektoren unterschiedlich. Im Falle der forstlichen und fischereiwirtschaftlichen<br />

Nutzung wird weitgehend natürlich bei uns vorkommende biologische<br />

Vielfalt genutzt. Die Nutzpflanzen wurden h<strong>in</strong>gegen vom Menschen<br />

<strong>in</strong>tensiv selektiert und gezüchtet. Dies hat zu e<strong>in</strong>er sehr großen Vielfalt auf<br />

genetischer Ebene geführt. Bei den Nutzpflanzen ist die Vielfalt sowohl<br />

auf Arten- als auch auf Sortenebene von Bedeutung. Auch die verwandten<br />

Wildarten spielen als pflanzengenetische Ressourcen für weitere Anpassungen<br />

<strong>in</strong> der Zucht e<strong>in</strong>e Rolle. Bei Nutztieren ist die Artebene kaum relevant,<br />

da tatsächlich nur wenige Arten weltweit das Spektrum der Nutztierarten<br />

bilden. Hier führte die Zucht bei den wenigen Arten zu e<strong>in</strong>er großen genetischen<br />

Vielfalt an Rassen, die an verschiedenste Nutzungsformen angepasst<br />

waren. Heute haben viele dieser Nutzungsformen, wie Last- oder Zugtier, oft<br />

nur noch historische oder traditionelle Bedeutung. Die verwandten Wildarten<br />

bzw. Ursprungsarten spielen <strong>in</strong> der Zucht kaum noch e<strong>in</strong>e Rolle.<br />

Dieser direkt <strong>in</strong> der Produktion genutzte Teil der <strong>Agrobiodiversität</strong> wird<br />

auch unter dem Stichwort „genetische Ressourcen“ zusammengefasst; viele<br />

dieser genetischen Ressourcen s<strong>in</strong>d durch züchterische Tätigkeit entstanden.<br />

Damit ist aber nur e<strong>in</strong> Teilbereich der <strong>Agrobiodiversität</strong> beschrieben. E<strong>in</strong><br />

umfangreicher und wichtigerer Teil umfasst alle Organismengeme<strong>in</strong>schaften,<br />

die <strong>in</strong> agrarisch geprägten Ökosystemen (Acker, Grünland, Gewässer,<br />

Wald) Funktionen und Dienstleistungen übernehmen: B<strong>in</strong>dung und Umsetzung<br />

von Nährstoffen, Klimaregulation, Regulierung von Schädl<strong>in</strong>gen<br />

und Krankheiten, Bestäubung, Regulierung des Wasserhaushalts, Erosionsschutz<br />

und anderes mehr. Wir nennen diese Arten und Artengeme<strong>in</strong>schaften<br />

auch „assoziierte <strong>Agrobiodiversität</strong>“. Obwohl man die meisten dieser<br />

Arten wohl als „wild“ bezeichnen würde, s<strong>in</strong>d sie unmittelbar an die durch<br />

Nutzung geprägten Agrarökosysteme gekoppelt.<br />

Diese Nutzungsabhängigkeit bestimmt die Trennl<strong>in</strong>ie zwischen Biodiversität<br />

und <strong>Agrobiodiversität</strong>. Während Biodiversität ausgehend von durch den<br />

Menschen unbee<strong>in</strong>flussten Ökosystemen die gesamte Vielfalt an Individuen,<br />

Arten und Artengeme<strong>in</strong>schaften umfasst, ist <strong>Agrobiodiversität</strong> immer<br />

mit agrarischer Nutzung assoziiert. Während sich agrarische Tätigkeiten auf<br />

natürliche Ökosysteme stets negativ auswirken, ist dieser absolute Zusammenhang<br />

bei der <strong>Agrobiodiversität</strong> nicht gegeben. Im Gegenteil – im Pr<strong>in</strong>zip<br />

ist <strong>Agrobiodiversität</strong> auf e<strong>in</strong>e aktive land-, forst- und fischereiwirtschaftliche<br />

Nutzung angewiesen.<br />

Das darf allerd<strong>in</strong>gs nicht darüber h<strong>in</strong>wegtäuschen, dass sich verschiedene<br />

Nutzungsmuster sehr unterschiedlich auf Komponenten und Mengen sowohl<br />

der assoziierten als auch der direkt genutzten <strong>Agrobiodiversität</strong> auswirken.<br />

Aus diesen Zusammenhängen ergeben sich zwei Konsequenzen:<br />

(1) Wegen der hohen historischen wie aktuellen Nutzungsdichte <strong>in</strong> Mitteleuropa<br />

dom<strong>in</strong>iert <strong>Agrobiodiversität</strong> unsere Umwelt und unseren Naturhaushalt,<br />

(2) wegen dieser direkten Nutzungsabhängigkeit müssen Schutzkonzepte<br />

für <strong>Agrobiodiversität</strong> vor allem Nutzkonzepte se<strong>in</strong>.<br />

Herausforderungen<br />

Die im „Health Check“ der Geme<strong>in</strong>samen Agrarpolitik <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie im<br />

H<strong>in</strong>blick auf die Schwerpunktsetzung von Fördermitten erstellte Liste<br />

an neuen Herausforderungen lässt sich noch um weitere ergänzen. Unter<br />

dem Stichwort „Herausforderungen“ werden hier im Folgenden die großen<br />

Bärbel Gerowitt | 141

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