Agrobiodiversität in Deutschland - Genres
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100 | Hermann Schulte-Coerne<br />
Tiergenetische Ressourcen <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
Gleichzeitig war zu beobachten, dass sich <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> viele ausländische<br />
„exotische“ Rassen verbreitet und e<strong>in</strong>heimische Rassen teilweise aus<br />
der Nutzung verdrängt haben. Dies gilt <strong>in</strong>sbesondere für Fleischr<strong>in</strong>der und<br />
Pferde.<br />
Fast bedeutsamer als der Rückgang der e<strong>in</strong>heimischen Rassevielfalt ist die<br />
fortschreitende Konzentration bei der Produktion tierischer Lebensmittel<br />
auf immer weniger Rassen. Beispielhaft wird das deutlich <strong>in</strong> der Abbildung<br />
1, wo der Anteil der Herdbuchtiere, die den 15 gefährdeten R<strong>in</strong>derrassen angehören,<br />
verschw<strong>in</strong>det unter der Dom<strong>in</strong>anz der 4 nicht gefährdeten Rassen.<br />
Die Tiere der Hauptrassen decken auch <strong>in</strong> der Produktionsstufe mehr als 99<br />
Prozent des Bestandes der Milchkühe und damit der Milcherzeugung ab.<br />
Nicht nur die Gefährdung der tiergenetischen Ressourcen <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
besteht fort. Auch die Ursachen für die Gefährdung von Rassen s<strong>in</strong>d die<br />
gleichen wie vor 50 Jahren, und teilweise die gleichen, die auch den Erfolg<br />
moderner Zuchtprogramme begründen:<br />
• Bessere Leistungen s<strong>in</strong>d eng korreliert mit betriebswirtschaftlichem<br />
Ertrag;<br />
• die hervorgehobene Robustheit alter Rassen alle<strong>in</strong> macht diese nicht<br />
wirtschaftlich;<br />
• durch immer e<strong>in</strong>heitlichere Produktionsbed<strong>in</strong>gungen werden Rassen<br />
besser vergleichbar und leichter austauschbar;<br />
• e<strong>in</strong>e auf optimalen Betriebserfolg orientierte Beratung hat solche<br />
Wechsel häufig beschleunigt;<br />
• moderne Zuchtprogramme s<strong>in</strong>d sehr effektiv und s<strong>in</strong>d nicht mehr<br />
e<strong>in</strong>seitig auf Leistungssteigerungen <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelmerkmalen ausgerichtet;<br />
• die Zuchtprogramme s<strong>in</strong>d aber auch sehr aufwändig geworden und<br />
lassen sich aus wirtschaftlichen und technischen Gründen nur bei<br />
großen Rassen anwenden. E<strong>in</strong> aktuelles Beispiel ist die Anwendung der<br />
genomischen Selektion;<br />
• kle<strong>in</strong>ere Populationen, etwa mit weniger als 200 Tieren, s<strong>in</strong>d schwerer<br />
zu vermarkten, weil die Lieferkapazität oft nicht e<strong>in</strong>mal für e<strong>in</strong>e regionale<br />
Vermarktung ausreicht und sich der Aufwand für Werbung und<br />
Vermarktung kaum lohnt.<br />
Als Fazit muss festgehalten werden, dass die gefährdeten Rassen, gerade<br />
wenn sie züchterisch nicht mehr wirksam bearbeitet werden, von den<br />
Hauptrassen abgehängt werden. Diese Schere öffnet sich immer mehr.<br />
Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten<br />
Zu den Handlungsmöglichkeiten als Reaktion auf die fortschreitende Gefährdung<br />
tiergenetischer Ressourcen soll nachfolgend vor allem auf staatliche<br />
Fördermaßnahmen e<strong>in</strong>gegangen werden. Fördermaßnahmen, die auf<br />
die Rückführung gefährdeter Rassen zu e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen Nutzung<br />
abzielen, etwa durch Umzüchtung oder alternative Vermarktung, können<br />
grundsätzlich s<strong>in</strong>nvoll und erfolgreich se<strong>in</strong>. Dennoch darf nicht übersehen<br />
werden, dass solche Maßnahmen langfristig wohl nur für den kle<strong>in</strong>eren Teil<br />
der Rassen und dort auch nur für Nischen wirksam se<strong>in</strong> können.<br />
Hermann Schulte Coerne | 101<br />
Für den großen Teil der zu erhaltenden Rassen wird es daher notwendig<br />
se<strong>in</strong>, Maßnahmen, Träger und F<strong>in</strong>anzierungsgrundlagen zur Erhaltung und<br />
Sicherung von Nutztierrassen aufzubauen, die über e<strong>in</strong>en sehr langen Zeitraum<br />
geplant und abgesichert se<strong>in</strong> müssen. Dies kann nur durch staatliche<br />
Maßnahmen gewährleistet werden, so wie die Erhaltung der genetischen<br />
Vielfalt ohneh<strong>in</strong> als staatliche Vorsorgemaßnahme aufgefasst werden muss.<br />
Priorität bei staatlichen Fördermaßnahmen sollte die Sicherung der Erhaltung<br />
haben. Dementsprechend wichtig s<strong>in</strong>d der Aufbau und die Erhaltung<br />
der nationalen Genbank. Das Konzept für die Genbank wurde lange diskutiert,<br />
es steht jetzt und sollte nun zügig durch Bund und Länder realisiert<br />
werden.<br />
Von gleicher Wichtigkeit ist die Förderung der Erhaltungszuchtprogramme.<br />
Dabei muss die Verbesserung dieser Programme im Vordergrund stehen.<br />
Notwendig s<strong>in</strong>d zentrale, zum<strong>in</strong>dest auf Rasse-Ebene vernetzte Herdbücher.<br />
Weiterh<strong>in</strong> müssen die personellen und f<strong>in</strong>anziellen Mittel zur Planung und<br />
Durchführung von Zuchtprogrammen, bis h<strong>in</strong> zum überbetrieblichen Vatertiere<strong>in</strong>satz,<br />
bereitgestellt werden.