Agrobiodiversität in Deutschland - Genres
Agrobiodiversität in Deutschland - Genres
Agrobiodiversität in Deutschland - Genres
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
96 | Hermann Schulte-Coerne<br />
Tiergenetische Ressourcen <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />
e<strong>in</strong>igung für Tierzucht (EVT) durch Professor Simon an der Tierärztlichen<br />
Hochschule Hannover dar. Diese Datenbank erweiterte bald ihr Spektrum<br />
über Europa h<strong>in</strong>aus und gab Auskunft über Merkmale, Verbreitung und<br />
Gefährdungsgrad von be<strong>in</strong>ahe 1000 Nutztierrassen aus 38 Ländern. Weil<br />
die Dokumentation tiergenetischer Rassen nachfolgend als notwendige und<br />
verb<strong>in</strong>dliche öffentliche Aufgabe gesehen wurde, erfolgte seit 1990 der Aufbau<br />
des weltweiten Informationssystems DAD-IS (Domestic Animal Diversity<br />
Information System) der FAO nach dem Vorbild und auf Datengrundlage der<br />
EVT-Datenbank <strong>in</strong> Hannover.<br />
Seit 1997 wird die Erhebung, Speicherung und Weitergabe von Daten über<br />
tiergenetische Ressourcen <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> auf nationaler Ebene <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
offiziellen nationalen Datenbank TGRDEU wahrgenommen. Dieses System<br />
wurde beim Informationszentrum für Genetische Ressourcen (IGR) <strong>in</strong> der<br />
ZADI etabliert und wird auch mit der Umbenennung zum IBV und dem<br />
Übergang <strong>in</strong> die BLE dort erfolgreich weiter entwickelt und fortgeführt.<br />
1988 wurde auch auf Anregung der M<strong>in</strong>isterien von Bund und Ländern der<br />
Arbeitsausschuss der DGfZ zur Erhaltung der genetischen Vielfalt bei landwirtschaftlichen<br />
Nutztieren gegründet. In Zusammenarbeit der Vertreter<br />
aus Behörden, Zuchtorganisationen, der GEH und der Wissenschaft wurden<br />
zwischen 1991 und 1999 zahlreiche Stellungnahmen und Empfehlungen<br />
veröffentlicht. In e<strong>in</strong>er ersten Phase (Vorsitz Prof. Simon) galten diese vor allem<br />
Grundsätzen der Erhaltungszucht und der Kryokonservierung. Danach<br />
erfolgte die Begutachtung und Veröffentlichung von Vorschlägen zu Erhaltungszuchtprogrammen<br />
<strong>in</strong> 12 Bundesländern unter dem Vorsitz von Prof.<br />
Gravert. Dieser DGfZ-Ausschuss kann als Vorläufer des heutigen Fachbeirats<br />
Tiergenetische Ressourcen gelten.<br />
Das Ende der 80er Jahre und der Beg<strong>in</strong>n der 90er Jahre markieren dann<br />
endgültig das staatliche E<strong>in</strong>greifen und Handeln <strong>in</strong> diesem Bereich. Zwar<br />
gab es schon 1972 e<strong>in</strong>e erste Förderrichtl<strong>in</strong>ie für H<strong>in</strong>terwälder R<strong>in</strong>der durch<br />
das Land Baden-Württemberg und auch andere Länder förderten bereits seltenere<br />
Rassen durch Bereitstellung staatlicher Zuchtleiter oder Gewährung<br />
von Geldprämien. Dies hatte aber noch ke<strong>in</strong>en offiziellen Niederschlag <strong>in</strong><br />
gesetzlichen Regelungen gefunden.<br />
Bei der Novellierung des Bundestierzuchtgesetzes im Jahr 1989 wurde<br />
erstmals die „Erhaltung der genetischen Vielfalt“ als e<strong>in</strong>es der Ziele im<br />
Tierzuchtgesetz benannt. Dem Gesetz fehlten damals jedoch noch weitere<br />
konkrete Regelungen zu diesem Bereich. Regelungen, etwa zur Def<strong>in</strong>ition<br />
e<strong>in</strong>heimischer Rassen, zum Monitor<strong>in</strong>g und diverse Verordnungsermächtigungen<br />
folgten erst mit der Neufassung des Tierzuchtgesetzes im Jahr 2006.<br />
1992 eröffnete e<strong>in</strong>e Verordnung der EU zur Förderung des Ländlichen<br />
Raumes (VO 2087/92) erstmals die Möglichkeit der Ko-F<strong>in</strong>anzierung von<br />
Erhaltungsprämien aus EU-Mitteln. Dies hatte sehr schnell zur Folge, dass<br />
die Fördermaßnahmen durch die meisten Bundesländer angewandt wurden<br />
und dass es zu e<strong>in</strong>er Stabilisierung, z.T. sogar zum Anwachsen der Bestandszahlen<br />
gefährdeter Nutztierrassen kam.<br />
Das 1992 abgeschlossene Übere<strong>in</strong>kommen über die Biologische Vielfalt<br />
(ÜBV) verpflichtete die Mitgliedsstaaten, nationale Strategien und Programme<br />
zur Erhaltung und Nutzung biologischer Vielfalt zu erarbeiten. Weil den<br />
politisch Verantwortlichen bald klar wurde, dass sich das ÜBV auch auf den<br />
Bereich der Nutztiere erstreckt, erteilte das Bundesm<strong>in</strong>isterium für Ernährung,<br />
Landwirtschaft und Forsten dem Institut für Tierzucht und Tierverhalten<br />
(Mariensee) den Auftrag, e<strong>in</strong> Konzept zur Erhaltung und Nutzung<br />
tiergenetischer Ressourcen zu erarbeiten. Das 1994 vorgelegte Konzept sah<br />
e<strong>in</strong>e Koord<strong>in</strong>ierung der beteiligten Stellen bei Bund, Ländern und Verbänden<br />
vor. Dazu sollte e<strong>in</strong>e Fachagentur als Stiftung gegründet und das Institut<br />
<strong>in</strong> Mariensee als wissenschaftliche Zentralstelle fungieren.<br />
Das Konzept wurde organisatorisch so nicht umgesetzt. Aber später entschied<br />
BMELV, e<strong>in</strong>en wissenschaftlichen Arbeitsschwerpunkt für TGR im<br />
Institut für Nutztiergenetik (ING) des Friedrich-Löffler-Instituts <strong>in</strong> Mariensee<br />
zu betreiben und die Koord<strong>in</strong>ierung und Dokumentation für TGR dem<br />
IBV <strong>in</strong> der BLE zu übertragen.<br />
Der bis heute folgenreichste Auslöser von Maßnahmen und Entwicklungen<br />
war der Aufruf der FAO zum „Weltzustandsbericht TGR“ (State of the World’s<br />
Animal Genetic Resources for Food and Agriculture) im Jahr 2001. Auch<br />
<strong>Deutschland</strong> folgte der E<strong>in</strong>ladung der FAO zur Erstellung nationaler Berichte,<br />
die zur Grundlage des Weltzustandsberichts werden sollten. Auf Vor-<br />
Hermann Schulte Coerne | 97