Informativer Lesestoff für Musikliebhaber und ... - tessiner zeitung

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29.01.2013 Aufrufe

6 Starke Gemeindepräsidentin Vor gut einer Woche wurde in der neu gebildeten Bündner Einheitsgemeinde Bergell gewählt. Gewählt wurde Anna Giacometti zur Gemeindepräsidentin. Das ist an sich nichts Aussergewöhnliches. Auch im Tessin sind schon Frauen zu 19. Juni 2009 Gemeindevorsteherinnen gewählt worden. Aktuell sind es zehn Gemeinden. Fast schon revolutionär hingegen ist der Wahlmodus zur politischen Ausgestaltung der Fusionsgemeinde Bergell. Zuerst ist nämlich der Gemeindepräsident gewählt worden. Die Mehrheit der Nachrichten In Arbedo-Castione erfolgt der touristisch wichtige Bau eines neuen Knotenpunktes von S-Bahn und Bus Ein Geister- Bahnhof wird wiederbelebt Anzeige SCHMUCK ist das alte rosafarbene Bahnhofsgebäude. So wirkt es jedenfalls für die paar Augenblicke, die man aus dem fahrenden Zug auf den Bahnhof der Gemeinde Arbedo-Castione nördlich von Bellenz werfen kann. Denn dort hält kein Zug mehr. Das soll sich ändern: Das schöne alte Häuschen aus den Gotthard-Pionierzeiten wird abgerissen, es weicht einem modernen ÖV-Knotenpunkt. Einem sogenannten “Umsteigeterminal”, wie es im Fachjargon heisst. Der Geisterbahnhof erfährt also eine Wiederbelebung, indem auf seinem Areal eine neue Tilo-Haltestelle entsteht. Sie wird mit einem Busbahnhof und einem Park&Rail kombiniert. Spätestens ab 2012 soll hier das Um- Ein Taucher hat in den Fluten der Verzasca sein Leben verloren. Die Behörden appellieren an die Selbstverantwortung der Sportler Risiken richtig einschätzen von Marianne Baltisberger Sehen Sie sich die Verzasca an!“ Claudio Franscella, Präsident der Kantonalen Kommission für sichere Flüsse im Tessin, hatte nach dem Unfall des deutschen Tauchers bei Lavertezzo die Suchaktion der Rettungskräfte mitverfolgt. Wegen der starken Regenfälle der vergangenen Wochen und der Schneeschmelze ist die Strömung stark angestiegen. Der 54-jährige Tauchtourist hatte keine Chance, ihrem Sog zu entfliehen. Am vergangenen Samstag ist der Taucher mit seinen Begleitern in den “Pozzo delle Posse” bei Lavertezzo gestiegen. Er kannte die Verzasca von früheren Expe- Il PAESE DEI BALOCCHI Ti-Press ditionen her. Dennoch muss er die Strömung unterschätzt haben. Augenzeugen berichten, dass er sich noch an den Felsen festhalten wollte, ehe er in den Fluten verschwand. Die Rettungskräfte fanden seine Leiche erst am Mittwoch, rund 300 Meter flussabwärts und in sechs Metern Tiefe. Teile seiner Ausrüstung waren bereits am Wochenende entdeckt worden. “Seit rund zehn Jahren führen wir im Verzascatal Aufklärungskampagnen durch”, erklärt Franscella gegenüber der TZ. “Seit 2001 haben wir diese auf das gesamte Kantonsgebiet ausgeweitet.” In Hotels und auf Campingplätzen werden Flugblätter abgegeben, im Verzascatal warnen Plakate vor den Gefahren des Flus- Aufgefallen Bevölkerung hat sich also einen starken “Bürgermeister” gegeben, indem er an der Urne persönlich legitimiert wurde. Dieser oder in diesem Fall diese kann selbstsicher vor eine Gemeinde-Exekutive treten, die steiger- bzw. Pendlerleben pulsieren. “Der neue Knotenpunkt wird auch für den Tourismus sehr wichtig sein”, erklärt auf Anfrage der Tilo-Chef und Leiter des SBB-Personenverkehrs Tessin, Roberto Tulipani. Wer von Locarno aus die S20 nach Bellinzona nimmt, um dann per Bus in die beliebten Wander- und Skigebiete des Misox weiterzurreisen (dessen Eisenbahnlinie ist längst stillgelegt), kann bis Arbedo-Castione sitzen bleiben. Dort wird es einen übersichtlicheren und bequemeren Busbahnhof geben als in der Kantonshauptstadt. Diese, von den Güterzügen schon genug gebeutelt, erfährt eine Entlastung als Knotenpunkt von Bahn und Bus. Bellenz muss sich ohnehin ge- Am Dienstag wurde die Suche unterbrochen. Denn zuerst musste der Wasserstand sinken, damit der verunfallte Taucher leichter gefunden werden konnte ses. “Wir setzen auf Prävention”, sagt Francella, “und möchten von Verboten absehen.” Gesunder Menschenverstand und ein richtiges Einschätzen der Risiken, sei wichtiger. Die Kommission lässt gegenwärtig eine Studie über Flussläufe erstellen, die sich fürs Canyoning eignen. Die Sportart erlebt gegenwärtig im Südkanton einen Boom. “Da die meisten dieser Bäche zu Elektrizitätswerken gehören und deren Wasserstand rasch anschwellen kann, werden wir für das Canyoning bestimmte Vorschriften setzen müssen”, so Franscella. Zum Flusstauchen gibt es bereits einen “Leitfaden”. Dieser ist kann in drei Sprachen auf Internet eingesehen werden: www.verzasca.com/river. aber erst noch bestimmt werden muss. Denn die Gewählte ist etwas mehr als nur prima inter pares. Allfällige Municipio-Kandidaten wissen bereits heute, mit wem sie es zu tun haben werden und können sich darauf einstellen. Oder sie ziehen sogar vor, für das Gemeindeparla- ment anstatt für die Exekutive zu kandidieren. Diese Vorgehensweise könnte vielleicht auch fürs Tessin interessant sein. Besonders dort, wo über Zwangseingemeindungen neue Körperschaften entstehen sollen. Dazu bräuchte es allerdings eine Wahlrechtsreform. ra gen die Gefahr der Überlastung wappnen, die von der künftigen Eröffnung der superschnellen Alptransit-Zugsstrecke (frühestens 2019) ausgeht. Die 42 Millionen Franken teure Wiederbelebung des Geisterbahnhofs (29 Millionen davon berappen der Kanton und die Gemeinden des Nordbellinzonese) soll auch die gleich angrenzende Industriezone der Gemeinde Arbedo-Castione erfassen. Man erhofft sich durch den nahen ÖV-Anschluss neue Impulse für wirtschaftliche Aktivitäten. Mit dem Projekt Arbedo-Castione sind die Tilo-Herren der Verwirklichung ihres alten Traums ein Stückchen nähergerückt: Dass dank der Regionalbahn Tilo das Tessin zu einer Stadt wird. pj Erstes Ibis eröffnet im Tessin AM 8. JULI eröffnet in Locarno ein neues Ibis-Hotel, die Accor- Gruppe ist damit erstmalig im Tessin vertreten. Die Stadt Locarno und Ticino Tourimus zeigen sich äusserst erfreut über diesen Neuzugang, der bekannte Name der Hotelkette lässt sie auf steigende Übernachtungszahlen, mehr Business-Reisende und eine Verjüngung des Gästeprofils hoffen. In der Tat hat Hoteldirektorin Nadja Mastrandrea bereits zahlreiche Reservierungen für die kommenden Monate entgegen genommen, wie sie sagt. Während des Filmfestivals sei das Haus so gut wie ausgebucht. Die Mittelklasse-Hotels der Region blicken der Eröffnung ein wenig mit Sorge entgegen – das war schon bei der Projektpräsentation vor zwei Jahren bekannt – schliesslich kann die Ibis-Hotelkette mit vergleichsweise niedrigen Preisen (Zimmer zwischen 89 und 169 Franken), verlässlichem Drei-Sterne-Standart, moderner Einrichtung und ganzjährigem Betrieb werben. Das neue Gebäude an der Via Giuseppe Cattori 6 im Zentrum Locarnos verfügt über sechs Stockwerke und ein Untergeschoss. Es gibt insgesamt 82 Zimmer, davon drei Suiten, die im Winter auch als Versammlungsräume genutzt werden können. Eine Bar im Erdgeschoss steht Hotelgästen wie auch externen Besuchern offen. Rund 14 Millionen Franken hat die Accor-Gruppe in das neue Hotel investiert. Ein zweites Ibis im Tessin soll in Lugano-Paradiso entstehen. Baubeginn ist für den kommenden Herbst oder das Frühjahr geplant, die Eröffnung zwei Jahre später. ab Sabato 20 e domenica 21 giugno 2009 Piazza Castello "La rotonda" - Locarno Giochi, divertimenti e animazione per bambini e tutta la famiglia www.giocolandia.ch

Kopf der Woche Kein Wasserweg ist ihr zu lang: Giorgia Polese SIE HABE beweisen wollen, dass auch eine nicht professionelle Sportlerin Grosses leisten könne, sagt Giorgia Polese. Die 34-Jährige überquerte am vergangenen Sonntag schwimmend den Lago Maggiore von Luino nach Ascona. Etwas mehr als zehn Stunden benötigte die in Neuseeland geborene und in der italienischen Provinz Trient wohnhafte Powerfrau für die 22 Kilometer. Bereits um sechs Uhr in der Früh stieg Polese am italienischen Lago-Maggiore-Ufer ins Wasser. Im Neoprenanzug, denn der See hat noch immer frühlingshaft kühle Temperaturen. Die Schwimmerin wurde von einem Betreuerteam begleitet, zu dem unter anderem Rettungsärzte und Sportlehrer gehörten. Denn für diese Höchstleistung braucht es gemäss Polese nicht nur eisernen Durchhaltewillen, sondern auch eine gezielte Vorbereitung. Vor drei Jahren hat Giorgia Polese den Gardasee von Norden nach Süden durchschwommen. 24 Stunden dauerte dieses Unterfangen. Sie ernährte sich von Bananen, Äpfeln, Brot, Nutella und trank viel, wie sie später am Ziel in Sirmione berichtete. Am meisten gelitten habe sie während der Nachtstunden. Die hätten ewig gedauert. Die Überquerung des Langensees mag ihr dagegen wie ein Kurzstrecken-Schwimmenerschienen sein. mb von Peter Jankovsky VERURSACHERPRINZIP: Ein typisches kühles Wort aus dem deutschsprachigen Bürokratieslang. Doch dahinter steckt ein gesetzlicher Zwang, der noch immer viele Gemüter erhitzt. Und zwar ziemlich. Denn nirgendwo ist ziviler Ungehorsam schöner als beim Müll: Die Formel “Wer mehr Abfall produziert, zahlt mehr” weckt den Widerstandsgeist. Bisher haben 61 Tessiner Gemeinden die Sackgebühr eingeführt, also müssen etwa 37 Prozent der Südeidgenossen nebst der allgemeinen jährlichen Gebühr einen Obulus auf jeden “Güselsack” entrichten, den sie füllen. Mülltourismus: ein cooles Neu-Wort. Und zwar für die illegale Abfallentsorgung in einer fremden Gemeinde, welche die Sackgebühr nicht kennt. So deutet einiges darauf hin, dass beispielsweise Giubiasco, nahe Bellinzona gelegen, Mülltourismus hervorbringt. Die Gemeinde Giubiasco führ- Locarnos kleine Schwester: So sehen viele die Gemeinde Muralto. Klein ist sie, entpuppt sich flächenmässig als zweitkleinste Tessiner Gemeinde. Doch ihre Lage ist extrem vorteilhaft: Der Bahnhof von Locarno, ein touristischer Knotenpunkt par exellence, liegt auf Muraltos Gebiet, und das hiesige Seeufer zieht mehr konsumfreudige Flaneure an als Locarnos Gestade. Also kann Gemeindepräsident Stefano Gilardi stolz sein. Aber er will mehr, hegt eine spannende Vision: die Errichtung eines Kongresszentrums gleich neben dem Bahnhof. Dort, wo sich heute die SBB-Parkplätze befinden. Eine Vision, die vor etwa zehn Jahren Ascona und Locarno in ähnlicher Form entwickelten und die für Zwist sorgte. Weil beide das Zentrum – als Kongress- und Kulturevent-Ort – für sich beanspruchten und weil die Idee der Gemeindefusion für zusätzlichen Verdruss sorgte. Bereits vor sieben Jahren begann Gilardi mit den Schweizerischen Bundesbahnen über den Bau eines Kongresszentrums zu verhandeln. Letzten Dienstag wurde nun das Baukonzept, sprich der Masterplan, öffentlich vorgestellt. Die Ausarbeitung besorgte der französische Stararchitekt Dominique Perrault (er entwarf die Bibliothèque Nationale in Paris), und beraten wurde er unter anderem vom Berufskollegen Giorgio Giudici, seines Zeichens langjähriger Stadtpräsident Luganos, sowie von Silvio Tarchini, der Mendrisios Shopping-Mekka namens Foxtown eignet. Es ist ein grandioses Projekt. Die Geleise und Parkplätze, deren Fläche ein Sechstel von Muraltos Gemeindegebiet ausmacht, werden überdacht. Auf der riesigen Dachplatte sollen ein 800-plätziger Kongresszentrum-Kubus sowie Laden- und Wohneinheiten zu stehen kommen. Überdies ist eine Verwandlung des jetzigen Bahnhofsgebäudes in ein Hotel-Hochhaus geplant. “Mir schwebt eine neue Piazza Grande für Muralto vor”, sagt Perrault. Also eigentlich eine öffentliche Terrazza Grande, die mit einer grossartigen Seesicht aufwartet. Und das Dach des Kongresskubus soll als zweite Piazza fungieren, versehen mit Treppen-Tribünen in Form von blütenblätterartigen Aufsätzen. Schliesslich gehen auch die Parkplätze nicht verloren, sie werden einfach unter die Erde verlagert. Das Ganze erscheint als echtes urbanes Multifunktionszentrum, weil es Schnittpunkt von öffentlichem Verkehr und Stadtstruktur ist. Fragt sich bloss, ob man dieses 150- bis 200-Millionen-Franken-Projekt genau so realisieren kann, oder ob nur die Hälfte zur Ausführung gelangt. Das hänge von den Investoren ab, meint Muraltos Gemeindepräsident Gilardi. Anscheinend bekunden einige mögliche Geldgeber ihr Interesse, doch sie wollen vorerst unge- 19. Juni 2009 Nachrichten Schnittpunkt von ÖV und Stadtraum: der Bahnhof von Locarno-Muralto in einer Vision des französischen Stararchitekten Dominique Perrault. Rechts das zu einem Hochhaus aufgestockte alte Bahnhofsgebäude Muralto: Projekt des Kongresszentrums nimmt konkrete Formen an Der Traum von der Terrazza Grande te 1997 die Sackgebühr und damit auch die Abfalltrennung ein und gehört diesbezüglich neben Chiasso (seit 1994) und Minusio (1999) zu den Tessiner Vorreitern. Erstaunlich schien auch die Disziplin der Giubiaskesen zu sein: 1996 verursachten sie 1700 Tonnen Müll, ein Jahr später bloss noch 970, und nach zehn Jahren waren es 880 Tonnen. Anders formuliert: Der jährliche Pro- Kopf-Müll sank von 230 auf durchschnittliche 105 Kilogramm, die Rückgabemenge von Papier, Karton und Glas wuchs markant. Wahrlich lobenswert. Die Gemeindeoberen waren stolz auf ihre Mitbürger. Letztes Jahr folgte die grosse Ernüchterung: Die tiefen Quoten sind vermutlich das Ergebnis von beharrlichem Mülltourismus. Zu diesem Schluss kann man angesichts der Bilanz 2008 gelangen: 1060 Tonnen Abfall wurden letztes Jahr in Giu- nannt bleiben. Die SBB jedenfalls sind auch in Zukunft Besitzer des Terrains und damit ein potentieller Investor. “Eine finanzielle Beteiligung ist punkto Kommerzflächen und Dienstleistungen möglich”, erklärt auf Anfrage Rudolf Holzer, der Chef der SBB-Immobilien Mittelland und Südschweiz. Ob gar ein Ausbau zu einer Rail-City, der ersten im Tessin, mit Apotheken, Arztpraxen und Restaurants denkbar wäre, bleibt noch unklar. Laut Holzer werden die SBB in irgendeiner Form sicher mitmachen. Unter Umständen würden sie sogar für die Hälfte der Baukosten aufkommen. Holzer erachtet das Terrazza-Grande-Projekt als “durchaus realistisch und überzeugend”, jedoch müssen noch einige Punkte geklärt werden. Zum Beispiel wirft die ungewöhnliche Aufstockung des alten Bahnhofsgebäudes Fragen der Sicherheit auf. Ausserdem könnte die Überdeckung der Geleise sehr teuer werden, weil sie ein ex- Aufgefallen Mülltourismus ist nur noch halb so cool biasco entsorgt, also zirka 220 Tonnen oder 20 Prozent mehr als 2006. Dieser mysteriöse Anstieg erklärt sich durch einen kleinen “Zufall”, denn just in den letzten Jahren haben die Nachbarorte Bellinzona, Sementina, Monte Carasso sowie Camorino die Sackgebühr eingeführt. Für Giubiascos Mülltouristen sind die illegalen Entsorgungsausflüge daher komplizierter geworden. Viele haben sich eben ins Unvermeidliche gefügt. Aber nicht alle: Pro Kopf wurden letztes Jahr 130 Kilo Abfall produziert und damit noch immer weniger im Vergleich zu den anderen Gemeinden mit Sackgebühr. Schliesslich sind noch immer Giubiascos Nachbarn im Morobbia-Tal, Pianezzo und Sant’Antonio, sowie die Einkaufscenter-Gemeinde Sant’Antonino frei von besagter Gebühr. Mülltourismus ist aber nur noch halb so cool, wenn man etwas weiter fahren muss. Zum Glück. pj 7 tremes Gewicht aushalten muss. Da wären günstigere Varianten zu prüfen. “Das Kongresszentrum kann auch Platz für Anlässe des Filmfestivals bieten, aber es ist sicher nicht der geeignete Ort für Gemälde- und Skulpturausstellungen oder typische Kulturevents”, betont Gilardi. Ein Kulturzentrum solle ruhig in Ascona errichtet werden, das passe besser. Und Locarno? Die Stadtpräsidentin Carla Speziali scheint auf Gilardis Seite zu stehen, auch wenn in der Vergangenheit nicht immer Einigkeit zwischen Muralto, Ascona und Locarno darüber herrschte, wer als erster bestimmte Ideen zum Kongresszentrum hatte. Nächsten Dezember soll übrigens der Kanton das überarbeitete Kongresszentrum-Projekt wohlwollend prüfen, und spätestens im Sommer 2010 gelangt in Muraltos Gemeindeparlament die ersehnte Zonenplanänderung zur Abstimmung. Der Traum von der Terrazza Grande ist also eine handfeste Vision. Ti-Press Ein heimliches Vergnügen – die illegale Abfallentsorgung in einer fremden Gemeinde

Kopf der Woche<br />

Kein Wasserweg ist ihr zu<br />

lang: Giorgia Polese<br />

SIE HABE beweisen wollen,<br />

dass auch eine nicht professionelle<br />

Sportlerin Grosses leisten<br />

könne, sagt Giorgia Polese.<br />

Die 34-Jährige überquerte am<br />

vergangenen Sonntag schwimmend<br />

den Lago Maggiore von<br />

Luino nach Ascona. Etwas<br />

mehr als zehn St<strong>und</strong>en benötigte<br />

die in Neuseeland geborene<br />

<strong>und</strong> in der italienischen Provinz<br />

Trient wohnhafte Powerfrau<br />

<strong>für</strong> die 22 Kilometer. Bereits<br />

um sechs Uhr in der Früh<br />

stieg Polese am italienischen<br />

Lago-Maggiore-Ufer ins Wasser.<br />

Im Neoprenanzug, denn<br />

der See hat noch immer frühlingshaft<br />

kühle Temperaturen.<br />

Die Schwimmerin wurde von<br />

einem Betreuerteam begleitet,<br />

zu dem unter anderem Rettungsärzte<br />

<strong>und</strong> Sportlehrer gehörten.<br />

Denn <strong>für</strong> diese Höchstleistung<br />

braucht es gemäss Polese<br />

nicht nur eisernen Durchhaltewillen,<br />

sondern auch eine<br />

gezielte Vorbereitung. Vor drei<br />

Jahren hat Giorgia Polese den<br />

Gardasee von Norden nach Süden<br />

durchschwommen. 24<br />

St<strong>und</strong>en dauerte dieses Unterfangen.<br />

Sie ernährte sich von<br />

Bananen, Äpfeln, Brot, Nutella<br />

<strong>und</strong> trank viel, wie sie später<br />

am Ziel in Sirmione berichtete.<br />

Am meisten gelitten habe<br />

sie während der Nachtst<strong>und</strong>en.<br />

Die hätten ewig gedauert. Die<br />

Überquerung des Langensees<br />

mag ihr dagegen wie ein Kurzstrecken-Schwimmenerschienen<br />

sein. mb<br />

von Peter Jankovsky<br />

VERURSACHERPRINZIP: Ein typisches kühles<br />

Wort aus dem deutschsprachigen Bürokratieslang.<br />

Doch dahinter steckt ein gesetzlicher<br />

Zwang, der noch immer viele Gemüter erhitzt.<br />

Und zwar ziemlich. Denn nirgendwo ist ziviler<br />

Ungehorsam schöner als beim Müll: Die Formel<br />

“Wer mehr Abfall produziert, zahlt mehr” weckt<br />

den Widerstandsgeist. Bisher haben 61 Tessiner<br />

Gemeinden die Sackgebühr eingeführt, also müssen<br />

etwa 37 Prozent der Südeidgenossen nebst der<br />

allgemeinen jährlichen Gebühr einen Obulus auf<br />

jeden “Güselsack” entrichten, den sie füllen.<br />

Mülltourismus: ein cooles Neu-Wort. Und zwar<br />

<strong>für</strong> die illegale Abfallentsorgung in einer fremden<br />

Gemeinde, welche die Sackgebühr nicht kennt.<br />

So deutet einiges darauf hin, dass beispielsweise<br />

Giubiasco, nahe Bellinzona gelegen, Mülltourismus<br />

hervorbringt. Die Gemeinde Giubiasco führ-<br />

Locarnos kleine Schwester: So sehen viele<br />

die Gemeinde Muralto. Klein ist sie,<br />

entpuppt sich flächenmässig als zweitkleinste<br />

Tessiner Gemeinde. Doch ihre<br />

Lage ist extrem vorteilhaft: Der Bahnhof<br />

von Locarno, ein touristischer Knotenpunkt<br />

par exellence, liegt auf Muraltos Gebiet, <strong>und</strong> das<br />

hiesige Seeufer zieht mehr konsumfreudige Flaneure<br />

an als Locarnos Gestade. Also kann Gemeindepräsident<br />

Stefano Gilardi stolz sein. Aber er will mehr, hegt<br />

eine spannende Vision: die Errichtung eines Kongresszentrums<br />

gleich neben dem Bahnhof. Dort, wo sich<br />

heute die SBB-Parkplätze befinden. Eine Vision, die<br />

vor etwa zehn Jahren Ascona <strong>und</strong> Locarno in ähnlicher<br />

Form entwickelten <strong>und</strong> die <strong>für</strong> Zwist sorgte. Weil beide<br />

das Zentrum – als Kongress- <strong>und</strong> Kulturevent-Ort –<br />

<strong>für</strong> sich beanspruchten <strong>und</strong> weil die Idee der Gemeindefusion<br />

<strong>für</strong> zusätzlichen Verdruss sorgte.<br />

Bereits vor sieben Jahren begann Gilardi mit den<br />

Schweizerischen B<strong>und</strong>esbahnen über den Bau eines<br />

Kongresszentrums zu verhandeln. Letzten Dienstag<br />

wurde nun das Baukonzept, sprich der Masterplan, öffentlich<br />

vorgestellt. Die Ausarbeitung besorgte der französische<br />

Stararchitekt Dominique Perrault (er entwarf<br />

die Bibliothèque Nationale in<br />

Paris), <strong>und</strong> beraten wurde er unter<br />

anderem vom Berufskollegen<br />

Giorgio Giudici, seines Zeichens<br />

langjähriger Stadtpräsident Luganos,<br />

sowie von Silvio Tarchini,<br />

der Mendrisios Shopping-Mekka<br />

namens Foxtown eignet.<br />

Es ist ein grandioses Projekt. Die<br />

Geleise <strong>und</strong> Parkplätze, deren<br />

Fläche ein Sechstel von Muraltos<br />

Gemeindegebiet ausmacht, werden<br />

überdacht. Auf der riesigen<br />

Dachplatte sollen ein 800-plätziger<br />

Kongresszentrum-Kubus sowie<br />

Laden- <strong>und</strong> Wohneinheiten<br />

zu stehen kommen. Überdies ist<br />

eine Verwandlung des jetzigen Bahnhofsgebäudes in<br />

ein Hotel-Hochhaus geplant. “Mir schwebt eine neue<br />

Piazza Grande <strong>für</strong> Muralto vor”, sagt Perrault. Also eigentlich<br />

eine öffentliche Terrazza Grande, die mit einer<br />

grossartigen Seesicht aufwartet. Und das Dach des<br />

Kongresskubus soll als zweite Piazza fungieren, versehen<br />

mit Treppen-Tribünen in Form von blütenblätterartigen<br />

Aufsätzen. Schliesslich gehen auch die Parkplätze<br />

nicht verloren, sie werden einfach unter die Erde<br />

verlagert. Das Ganze erscheint als echtes urbanes<br />

Multifunktionszentrum, weil es Schnittpunkt von öffentlichem<br />

Verkehr <strong>und</strong> Stadtstruktur ist.<br />

Fragt sich bloss, ob man dieses 150- bis 200-Millionen-Franken-Projekt<br />

genau so realisieren kann, oder<br />

ob nur die Hälfte zur Ausführung gelangt. Das hänge<br />

von den Investoren ab, meint Muraltos Gemeindepräsident<br />

Gilardi. Anscheinend bek<strong>und</strong>en einige mögliche<br />

Geldgeber ihr Interesse, doch sie wollen vorerst unge-<br />

19. Juni 2009<br />

Nachrichten<br />

Schnittpunkt von ÖV <strong>und</strong> Stadtraum: der Bahnhof von Locarno-Muralto in einer Vision des französischen<br />

Stararchitekten Dominique Perrault. Rechts das zu einem Hochhaus aufgestockte alte Bahnhofsgebäude<br />

Muralto: Projekt des Kongresszentrums nimmt konkrete Formen an<br />

Der Traum von der<br />

Terrazza Grande<br />

te 1997 die Sackgebühr <strong>und</strong> damit auch die Abfalltrennung<br />

ein <strong>und</strong> gehört diesbezüglich neben<br />

Chiasso (seit 1994) <strong>und</strong> Minusio (1999) zu den<br />

Tessiner Vorreitern. Erstaunlich schien auch die<br />

Disziplin der Giubiaskesen zu sein: 1996 verursachten<br />

sie 1700 Tonnen Müll, ein Jahr später<br />

bloss noch 970, <strong>und</strong> nach zehn Jahren waren es<br />

880 Tonnen. Anders formuliert: Der jährliche Pro-<br />

Kopf-Müll sank von 230 auf durchschnittliche<br />

105 Kilogramm, die Rückgabemenge von Papier,<br />

Karton <strong>und</strong> Glas wuchs markant. Wahrlich lobenswert.<br />

Die Gemeindeoberen waren stolz auf<br />

ihre Mitbürger.<br />

Letztes Jahr folgte die grosse Ernüchterung: Die<br />

tiefen Quoten sind vermutlich das Ergebnis von<br />

beharrlichem Mülltourismus. Zu diesem Schluss<br />

kann man angesichts der Bilanz 2008 gelangen:<br />

1060 Tonnen Abfall wurden letztes Jahr in Giu-<br />

nannt bleiben. Die SBB jedenfalls sind auch in Zukunft<br />

Besitzer des Terrains <strong>und</strong> damit ein potentieller Investor.<br />

“Eine finanzielle Beteiligung ist punkto Kommerzflächen<br />

<strong>und</strong> Dienstleistungen möglich”, erklärt auf<br />

Anfrage Rudolf Holzer, der Chef der SBB-Immobilien<br />

Mittelland <strong>und</strong> Südschweiz. Ob gar ein Ausbau zu einer<br />

Rail-City, der ersten im Tessin, mit Apotheken,<br />

Arztpraxen <strong>und</strong> Restaurants denkbar wäre, bleibt noch<br />

unklar.<br />

Laut Holzer werden die SBB in irgendeiner Form sicher<br />

mitmachen. Unter Umständen würden sie sogar<br />

<strong>für</strong> die Hälfte der Baukosten aufkommen. Holzer erachtet<br />

das Terrazza-Grande-Projekt als “durchaus realistisch<br />

<strong>und</strong> überzeugend”, jedoch müssen noch einige<br />

Punkte geklärt werden. Zum Beispiel wirft die ungewöhnliche<br />

Aufstockung des alten Bahnhofsgebäudes<br />

Fragen der Sicherheit auf. Ausserdem könnte die Überdeckung<br />

der Geleise sehr teuer werden, weil sie ein ex-<br />

Aufgefallen<br />

Mülltourismus ist nur noch halb so cool<br />

biasco entsorgt, also zirka 220 Tonnen oder 20<br />

Prozent mehr als 2006. Dieser mysteriöse Anstieg<br />

erklärt sich durch einen kleinen “Zufall”, denn<br />

just in den letzten Jahren haben die Nachbarorte<br />

Bellinzona, Sementina, Monte Carasso sowie Camorino<br />

die Sackgebühr eingeführt. Für Giubiascos<br />

Mülltouristen sind die illegalen Entsorgungsausflüge<br />

daher komplizierter geworden. Viele haben<br />

sich eben ins Unvermeidliche gefügt.<br />

Aber nicht alle: Pro Kopf wurden letztes Jahr 130<br />

Kilo Abfall produziert <strong>und</strong> damit noch immer weniger<br />

im Vergleich zu den anderen Gemeinden mit<br />

Sackgebühr. Schliesslich sind noch immer Giubiascos<br />

Nachbarn im Morobbia-Tal, Pianezzo <strong>und</strong><br />

Sant’Antonio, sowie die Einkaufscenter-Gemeinde<br />

Sant’Antonino frei von besagter Gebühr. Mülltourismus<br />

ist aber nur noch halb so cool, wenn<br />

man etwas weiter fahren muss. Zum Glück. pj<br />

7<br />

tremes Gewicht aushalten muss. Da wären günstigere<br />

Varianten zu prüfen.<br />

“Das Kongresszentrum kann auch Platz <strong>für</strong> Anlässe des<br />

Filmfestivals bieten, aber es ist sicher nicht der geeignete<br />

Ort <strong>für</strong> Gemälde- <strong>und</strong> Skulpturausstellungen oder<br />

typische Kulturevents”, betont Gilardi. Ein Kulturzentrum<br />

solle ruhig in Ascona errichtet werden, das passe<br />

besser. Und Locarno? Die Stadtpräsidentin Carla Speziali<br />

scheint auf Gilardis Seite zu stehen, auch wenn in<br />

der Vergangenheit nicht immer Einigkeit zwischen Muralto,<br />

Ascona <strong>und</strong> Locarno darüber herrschte, wer als<br />

erster bestimmte Ideen zum Kongresszentrum hatte.<br />

Nächsten Dezember soll übrigens der Kanton das überarbeitete<br />

Kongresszentrum-Projekt wohlwollend prüfen,<br />

<strong>und</strong> spätestens im Sommer 2010 gelangt in Muraltos<br />

Gemeindeparlament die ersehnte Zonenplanänderung<br />

zur Abstimmung. Der Traum von der Terrazza<br />

Grande ist also eine handfeste Vision.<br />

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Abfallentsorgung in einer fremden Gemeinde

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