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19. Juni 2009 Nachrichten Ein gefährliches System chinesischer Schachteln Stundenlöhne zwischen sechs und acht Euro (9 bis 12 Franken) liegen weit unter den Ansätzen im geltenden Gesamtarbeitsvertrag der Schweizer Bauchbranche. Trotzdem haben kantonale Inspektoren in den letzten Wochen vermehrt solche Dumping- Löhne feststellen müssen. Zu reden gab dabei vor allem die Tatsache, dass Arbeiter zu diesen Bedingungen auf Grossbaustellen angetroffen wurden, die von der öffentlichen Hand finanziert werden. Konkret: Die in Bau befindliche thermische Kehrichtverbrennungsanlage in Giubiasco sowie die Alptransitbaustelle in Sigirino für den neuen Basistunnel am Ceneri. Die Arbeiter waren häufig für Firmen aus Deutschland oder osteuropäischen Ländern tätig, die ihrerseits wieder einen Auftrag von einer Firma aus der Deutschschweiz erhalten hatten. Der Sekretär der Gewerkschaft Unia, Saverio Lurati, berichtet sogar von ausländischen Arbeitern, die auf Baustellen übernachten mussten. Hintergrund dieser Zustände ist ganz offensichtlich eine Mischung der Vergabepraxis öffentlicher Aufträge, bei der die preisgünstigsten Angebote bevorzugt werden, mit den neuen Möglichkeiten der Personenfreizügigkeit. Um die Kosten einzudämmen, neigen jene Unternehmungen, die den Auftrag erhalten, dazu, ausländischen Unternehmen Unteraufträge zu erteilen. Dies macht ganz offensichtlich den Weg frei für rechtswidrige Arbeitsbedingungen. Für den Schwarzmarkt in Italien bestimmt Ti-Press Dumping-Löhne auf Tessiner Baustellen und billige Unteraufträge an ausländische Unternehmen sorgen für rote Köpfe DIE VERTEIDIGER der mutmasslichen Gehilfen der Zigaretten-Mafia haben vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona Freisprüche beantragt. Die Anklage der Bundesanwaltschaft (BA) sei diffus, widersprüchlich und haltlos. Es fehle an Beweisen. Ausserdem könne keine Verbindung zwischen den vor Gericht Stehenden und kriminellen Organisationen wie der Camorra oder der Sacra Corona Unita nachgewiesen werden, betonen sie. Das Ermittlungsverfahren sei nicht wegen der Entdeckung einer neuen Straftat eingeleitet worden. Vielmehr hätte die BA dem Druck von EU-Ländern wie Italien nachgegeben. In diesen würden bestimmte Tätigkeiten juristisch anders gewertet. In der Schweiz seien Verstösse gegen Fiskalgesetze anderer Länder jedoch nicht strafbar, von Gerhard Lob Harte Arbeit für wenig Lohn: Missliche Zustände auf den Baustellen des Südkantons Im aktuellen Prozess gegen die Zigaretten-Mafia Freisprüche gefordert sagte beispielsweise der Fürsprecher eines 66-jährigen Tessiner Angeklagten. Wenn man über seinen Klienten richte, dann müsse man auch dessen gesellschaftliches und historisches Umfeld berücksichtigen. Im Tessiner Grenzgebiet habe der Schmuggel seit jeher eine wichtige Rolle gespielt. Die BA wirft den neun Angeklagten vor, sie hätten Mafia-Clans logistische Hilfe beim Ankauf, der Lagerung und dem Transport von Zigaretten geleistet. Ausserdem soll über eine Wechselstube im Tessin Geld gewaschen worden sein. Die Anklage beantragt deshalb Freiheitsstrafen von neun Monaten bedingt bis zu viereinhalb Jahren. Die Verhandlung wurde diese Woche abgeschlossen. Das Urteil wird für den kommenden 8. Juli erwartet. sda/tz Ti-Press Renzo Ambrosetti, Präsident der kantonalen Kontrollkommission AIC (Associazione interprofessionale di controllo), welche17 Berufsgruppen aus Industrie und Handwerk zusammenschliesst, sprach diese Woche an einer Medienkonferenz in Gordola von einem “gefährlichen System chinesischer Schachteln.” Die AIC beschäftigt vier Kontrolleure, die bei rund 30 Prozent der Baustellen Regelverstösse feststellen. “Das ist besorgniserregend”, so Ambrosetti. Für einmal ziehen Gewerkschaften und Baumeisterverband (SSIC) an einem Strick. Denn auch Edo Bobbià als SSIC-Direktor denunzierte die Machenschaften. Bobbià erwähnte Angebote von Schreinern aus Deutschland, die Arbeitstage von 7 Uhr morgens bis 22 Uhr abends garantierten. “Wahrscheinlich wissen diese Firmen nicht einmal, welche Löhne in der Schweiz bezahlt werden müssen”, meinte Bruno Zarro, einer der AIC-Kontrolleure. Die Christlichnationale Gewerkschaft OCST hat gefordert, dass die tripartite Kommission einen detaillierten Bericht zur Lage auf den Tessiner Baustellen erarbeitet. OCST-Sekretär und CVP-Nationalrat Meinrado Robbiani hat bereits Anfang Juni in der Fragestunde des Parlament auf die Missstände aufmerksam gemacht. Und den Bundesrat gefragt, ob die Regelungen für das öffentliche Beschaffungswesen angesichts dieser neuen Situation nicht überprüft werden müssen. Der Bundesrat hat dies abgelehnt. Tunnelbau am Ceneri: Auftrag vergeben “Italo-Tessiner” siegen WIE DER BLITZ sollen die Züge dereinst durch neue Tunnel auf der Nord- Süd-Achse rollen. So entsteht nicht nur ein neuer Gotthardtunnel, sondern auch einer am Ceneri. Um den Bauauftrag für Letzteren rissen sich fünf internationale Konsortien – das Rennen hat nun diese Woche eine italienisch-tessinerische Arbeitsgemeinschaft gemacht. Laut dem Bauherrn Alptransit Gotthard hat sie alle Kriterien erfüllt und das günstigste Kostenangebot unterbreitet. Der Auftrag für den Bau des 11 Kilometer langen Tunnels ist damit 987 Millionen Franken teuer. Die Entscheidung gefällt einigen bürgerlichen Bundesparlamentariern gar nicht: Sie hatten verlangt, angesichts der Krise den Auftrag einer Schweizer Firma zu erteilen. Doch nur eine schweizerische Kurz gefasst 5 Lange Sommerferien Für rund 55’000 Tessiner Schüler haben am Mittwoch die Sommerferien begonnen. Der Betrieb wird erst am 3. September wieder aufgenommen. Nur die Kinder im Mendrisiotto drücken schon ab Ende August die Schulbank. Sie können während der Rad-WM im September noch einige freie Tage geniessen. Nicht nur ein Hallenbad Das Bäderzentrum in Locarno soll bis zum Jahr 2011 um einen Wellness-Trakt für rund 31 Mio. Franken erweitert werden. Dafür habe man schon Privatinvestoren an der Hand, heisst es. Damit beliefe sich die Gesamtinvestition auf über 60 Mio. Franken. Die Eröffnung des bereits im Bau befindlichen Teils soll dennoch im Herbst 2009 erfolgen. Schlägerei bei Motel Mitte Woche kam es beim Etablissement Motel di Castione in Castione zu einer Schlägerei mit vier Verletzten. Laut Medienberichten soll albanische und kalabresische Konkurrenz die Geranten angegriffen haben. Tötungsdelikt Locarno Die beiden Männer, die an der Fasnacht 2008 in Locarno einen Studenten tot geprügelt haben, bekommen keinen Straferlass. Das Appellationsgericht hat ihre Beschwerde zurückgewiesen. Durchstich am Gotthard Seit langem wird am neuen superlangen Zugstunnel durchs Gotthardmassiv gebohrt. Letzten Dienstagnachmittag ist nun im Urnerland der zweitletzte Durchstich erfolgt: Aus zwei Teil-Tunneln zwischen Erstfeld und Amsteg ist unter den Augen von Verkehrsminister Moritz Leuenberger auf spektakuläre Weise einer geworden. Fehlt bloss noch der letzte sogenannte “Durchschlag” zwischen Faido und Sedrun. Dieser ist zu Beginn des Jahres 2011 geplant. tz Unternehmung – aus der Deutschschweiz – ist an einem der fünf interessierten Konsortien beteiligt. Und das Angebot jener Arbeitsgemeinschaft war um 70 Millionen teurer. Die siegreiche Firmen-Arge ist mehr italienisch als tessinerisch: Die Società per Condotte d’Acqua hat ihren Sitz in Rom und musste aufgrund von Vorwürfen ihr “Antimafia-Zertifikat” erneuern; die Firma Cossi wiederum residiert in Sondrio, hat aber eine Filiale in Lugano. Daher sprechen die hiesigen Medien von einer “italo-tessinerischen” Unternehmung. Edo Bobbià, Direktor der Tessiner Baumeistervereinigung, ist zufrieden, weil nun auf der Baustelle Italienisch gesprochen werde. So profitiere die Tessiner Wirtschaft eher von den anstehenden Teil-Bauaufträgen am Ceneri. pj

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