Systemsteuerung im Case Management

Systemsteuerung im Case Management Systemsteuerung im Case Management

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Rahmen von Case Management zu richten sind. Dieses erfordert sowohl die Beschäftigung mit der Frage nach dem Stellenwert von systembezogenen Handlungen im Rahmen des Case Management Konzeptes wie auch der Versuch, die systemsteuernden Aspekte zu systematisieren und zu einer übersichtlichen Darstellung aufzubereiten. Zunächst sind dazu die relevanten Begriffe zu klären. Als Definition für Case Management kann die entsprechende Aussage der relevanten Fachgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Care und Case Management (DGCC) verwendet werden: „Aufgabe ist es, ein zielgerichtetes System von Zusammenarbeit zu organisieren, zu kontrollieren und auszuwerten, das am konkreten Unterstützungsbedarf der einzelnen Person ausgerichtet ist und an deren Herstellung die betroffene Person konkret beteiligt wird.“ 320 Case Management teilt sich zur Bewerkstelligung dieser Aufgabe in die eigentliche Fallsteuerung (oder Fallmanagement), die die effektive und effiziente Planung, Lenkung und Evaluation des Einzelfalls im Fokus hat und in die Systemsteuerung (oder Systemmanagement), in dem das für die Summe der Fälle relevante Hilfe- und Unterstützungssystem so organisiert und koordiniert wird, dass die für die einzelnen Fälle erforderlichen Hilfe- und Unterstützungsleistungen in der Art verfügbar gemacht werden, dass eine effektive und effiziente Fallsteuerung möglich ist. Effektivität (d.h. die Erreichung von Zielen) und Effizienz (d.h. die Erreichung eines möglichst optimalen Aufwand-Nutzen-Verhältnisses) werden daher ausdrücklich als Ziele des Case Managements anerkannt. Dazu später mehr. 3.1 Systemsteuerung im Case Management – ein Paradigmawechsel? Das Konzept des Case Managements hat in seinem geografischen Ursprungsland, den USA, einen wahrhaften ‚Siegeszug’ erlebt, der in die Ausbildung einer eigenständigen Profession mündete, die seit 1990 über die Case Management Society of America (CMSA) 321 eine berufsständige Interessensvertretung entwickelt hat. Man könnte nun annehmen, dass auch in Deutschland sich das Case Management ebenso erfolgreich etablieren konnte. Tatsächlich ist auch Case Management inzwischen in vielfältiger Form hierzulande vorzufinden: In der Sozialen Arbeit, im Gesundheitswesen und in der beruflichen Erst- und Wiedereingliederung, die oftmals, wenn auch nicht ganz zutreffend, als Beschäftigungsförderung bezeichnet wird. 322 323 Gleichwohl gibt es auch eine Reihe 320 im Internet unter: http://www.dgcc.de/wasistcm.html 321 im Internet unter http://cmsa.org/ - die CMSA ist allerdings sehr medizinisch (Pflege) geprägt, das Case Management im Bereich der Sozialen Arbeit wird in den USA von der NASW (National Association of Social Workers) programmatisch geprägt, die hierzu analog zur DGCC in Deutschland Case Management Standards herausgegeben haben (aktueller Stand bereits von 1992) – vgl. im Internet unter http://www.socialworkers.org/practice/standards/sw_case_mgmt.asp 322 Der Begriff „Beschäftigungsförderung“ ist deshalb eher unpassend, weil das Ziel in diesem Bereich die individuelle berufliche Erst- und Wiedereingliederung (Integration in Arbeit oder Ausbildung) ist und nicht die generelle Steigerung (Förderung) der Beschäftigung (-squote) – analog zur begrifflichen Verwendung von Wirtschaftsförderung als Unterstützung / Steigerung der Ansiedlung und dem Ausbau von Wirtschaftsbetrieben. Passender wäre daher eine Begrifflichkeit wie z.B. „Berufliche Integration“. 323 vgl. z.B. zu Case Management in der Sozialen Arbeit: Weicht 2000, Dietrich, Remmel-Faßbender 2006, Müller 2006, Hampe-Grosser, Kleve 2005, Klug 2003; zu Case Management im Seite 98

kritischer Stimmen zum Konzept des Case Managements, deren Zielrichtung man überwiegend unter den beiden Vorwürfen des „alten Weins in neuen Schläuchen“ oder den der Instrumentalisierung von Kostenreduzierungsbemühungen zusammenfassen kann. Case Management stand und steht so in der Kritik, letzen Endes nichts anderes als traditionelle fallbezogene Soziale Arbeit zu sein 324 , bzw. sich zum Instrument von Bestrebungen zur Kostenreduzierung im sozialen Bereich zu machen. 325 Staub-Bernasconi bringt Case Management sogar in die Nähe einer „Fast-Food“ - Variante der Sozialen Arbeit“. 326 Die Frage nach einem (etwaigen) Paradigmawechsel durch die Systemsteuerung im Case Management kann daher nur dann hinreichend beantwortet werden, wenn die Fragestellung zunächst tiefer gelegt worden ist: Systemsteuerung im Case Management kann nicht ohne Betrachtung des Case Management selbst analysiert werden, da ja Systemsteuerung ein integraler Bestandteil des Case Managements ist. Aus Sicht des Verfassers kann hierzu sogar die These gewagt werden, dass erst durch den Einschluss der Komponente Systemsteuerung Case Management zu dem wird, was es in Deutschland für sich beansprucht: Ein eigenständiger interdisziplinärer Handlungsansatz. Unterstreichungen der Bedeutung der Systemsteuerung für das Case Management, d.h. dass Case Management erst dann zum Case Management wird, wenn Fall- und Systemmanagement miteinander verknüpft werden, finden sich zahlreich in der einschlägigen Fachliteratur. 327 Überall wird betont, wie wichtig Systemsteuerung für das Konzept des Case Management ist: „Die Systemebene unterscheidet CM wesentlich von anderen Beratungsformen.“ 328 Gegenmeinungen zu diesem Ansatz sind dagegen äußerst selten. Lediglich Neuffer äußert in einer neueren Veröffentlichung Bedenken gegen den Systemsteuerungsanspruch des Case Managements mit dem Hinweis auf dadurch verursachte Kompetenzüberschneidungen mit dem Sozialmanagement: "Wenn im Konzept des Case Managements betont wird, es handelt sich nicht nur um Fallarbeit oder Fallsteuerung, sondern auch um Arbeit auf der Systemebene, also um Systemsteuerung, so begibt man sich in die Nähe des Sozialmanagements, das Gesundheitswesen z.B.: Tophoven 2000, Fichtel 2000, Wahler, Wahler 2000, Porz, Podeswik 2006, Toepler 2007, Huber 2007, Nagel Dettling 2006, Thorenz, Grochoka 2006, Pape et al. 2006, Wissert 2006, Frommelt, Trippel 2005, Podeswik et al. 2005, Pieper et al. 2005, Engel 1999; zu Case Management in der beruflichen Integration z.B.: Sinn, Haselow 2005, Göckler 2006}, Bohrke-Petrovic 2007, Bohrke-Petrovic, Göckler 2005, Funk 2004, {Grosch 2004 #172 und generell zu Darstellungen von Einsatzfeldern des Case Managements z.B.: Wendt 2001, Wendt et al. 2006 und Löcherbach et al. 2005 324 vgl. hierzu z.B. Staub-Bernasconi 1991 – zu Ansätzen fallorientierter sozialer Arbeit ohne (ausdrücklichen Bezug zum Case Management vgl. z.B. Schwabe 2005 325 vgl. hierzu z.B. Galuske 2007, Hansen 2005, Buestrich, Wohlfahrt 2006, Buestrich, Wohlfahrt 2008 oder allgemeiner Hinte 1998 326 vgl. dazu Staub-Bernasconi 2005 327 vgl. hierzu z.B.: Bianco, Muhl, Yvonne Renée, Fiechter, Regula Palm 2007, S. 31, Gissel- Palkovich 2006b, S. 28 f. u. 32 f., Gissel-Palkovich 2006a, S. 91 u. 93, Kleve et al. 2006b, S. 22, Klug 2005, S. 62, Mennemann 2005, S. 22, Mennemann 2006, S. 12, Neuffer 2005, S. 158, Remmel- Faßbender 2005, S. 84, Schröer 2006, S. 41, van Riet, Wouters 2002, S. 32, Wendt 2005a, S. 14, 16 u. 25, Wendt 2006b, S. 9 u. 11, Wendt 2006a, S. 69 und die Leitprinzipien für das Case Management der DGS Fachgruppe Case Management der DGS (Hrsg.) 2005 – vgl. dazu auch die Standards für „Social Work Case Management“ aus den USA: NASW 1992 328 Fachgruppe Case Management der DGS (Hrsg.) 2005, S. 3 Seite 99

kritischer St<strong>im</strong>men zum Konzept des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s, deren Zielrichtung man<br />

überwiegend unter den beiden Vorwürfen des „alten Weins in neuen Schläuchen“<br />

oder den der Instrumentalisierung von Kostenreduzierungsbemühungen<br />

zusammenfassen kann. <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> stand und steht so in der Kritik, letzen<br />

Endes nichts anderes als traditionelle fallbezogene Soziale Arbeit zu sein 324 , bzw.<br />

sich zum Instrument von Bestrebungen zur Kostenreduzierung <strong>im</strong> sozialen Bereich<br />

zu machen. 325 Staub-Bernasconi bringt <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> sogar in die Nähe einer<br />

„Fast-Food“ - Variante der Sozialen Arbeit“. 326 Die Frage nach einem (etwaigen)<br />

Paradigmawechsel durch die <strong>Systemsteuerung</strong> <strong>im</strong> <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> kann daher<br />

nur dann hinreichend beantwortet werden, wenn die Fragestellung zunächst tiefer<br />

gelegt worden ist: <strong>Systemsteuerung</strong> <strong>im</strong> <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> kann nicht ohne<br />

Betrachtung des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> selbst analysiert werden, da ja<br />

<strong>Systemsteuerung</strong> ein integraler Bestandteil des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s ist. Aus Sicht<br />

des Verfassers kann hierzu sogar die These gewagt werden, dass erst durch den<br />

Einschluss der Komponente <strong>Systemsteuerung</strong> <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> zu dem wird, was<br />

es in Deutschland für sich beansprucht: Ein eigenständiger interdisziplinärer<br />

Handlungsansatz.<br />

Unterstreichungen der Bedeutung der <strong>Systemsteuerung</strong> für das <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>,<br />

d.h. dass <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> erst dann zum <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> wird, wenn Fall- und<br />

Systemmanagement miteinander verknüpft werden, finden sich zahlreich in der<br />

einschlägigen Fachliteratur. 327 Überall wird betont, wie wichtig <strong>Systemsteuerung</strong> für<br />

das Konzept des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> ist: „Die Systemebene unterscheidet CM<br />

wesentlich von anderen Beratungsformen.“ 328 Gegenmeinungen zu diesem Ansatz<br />

sind dagegen äußerst selten. Lediglich Neuffer äußert in einer neueren<br />

Veröffentlichung Bedenken gegen den <strong>Systemsteuerung</strong>sanspruch des <strong>Case</strong><br />

<strong>Management</strong>s mit dem Hinweis auf dadurch verursachte<br />

Kompetenzüberschneidungen mit dem Sozialmanagement: "Wenn <strong>im</strong> Konzept des<br />

<strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s betont wird, es handelt sich nicht nur um Fallarbeit oder<br />

Fallsteuerung, sondern auch um Arbeit auf der Systemebene, also um<br />

<strong>Systemsteuerung</strong>, so begibt man sich in die Nähe des Sozialmanagements, das<br />

Gesundheitswesen z.B.: Tophoven 2000, Fichtel 2000, Wahler, Wahler 2000, Porz, Podeswik 2006,<br />

Toepler 2007, Huber 2007, Nagel Dettling 2006, Thorenz, Grochoka 2006, Pape et al. 2006, Wissert<br />

2006, Frommelt, Trippel 2005, Podeswik et al. 2005, Pieper et al. 2005, Engel 1999; zu <strong>Case</strong><br />

<strong>Management</strong> in der beruflichen Integration z.B.: Sinn, Haselow 2005, Göckler 2006}, Bohrke-Petrovic<br />

2007, Bohrke-Petrovic, Göckler 2005, Funk 2004, {Grosch 2004 #172 und generell zu Darstellungen<br />

von Einsatzfeldern des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s z.B.: Wendt 2001, Wendt et al. 2006 und Löcherbach et<br />

al. 2005<br />

324<br />

vgl. hierzu z.B. Staub-Bernasconi 1991 – zu Ansätzen fallorientierter sozialer Arbeit ohne<br />

(ausdrücklichen Bezug zum <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> vgl. z.B. Schwabe 2005<br />

325<br />

vgl. hierzu z.B. Galuske 2007, Hansen 2005, Buestrich, Wohlfahrt 2006, Buestrich, Wohlfahrt 2008<br />

oder allgemeiner Hinte 1998<br />

326<br />

vgl. dazu Staub-Bernasconi 2005<br />

327<br />

vgl. hierzu z.B.: Bianco, Muhl, Yvonne Renée, Fiechter, Regula Palm 2007, S. 31, Gissel-<br />

Palkovich 2006b, S. 28 f. u. 32 f., Gissel-Palkovich 2006a, S. 91 u. 93, Kleve et al. 2006b, S. 22, Klug<br />

2005, S. 62, Mennemann 2005, S. 22, Mennemann 2006, S. 12, Neuffer 2005, S. 158, Remmel-<br />

Faßbender 2005, S. 84, Schröer 2006, S. 41, van Riet, Wouters 2002, S. 32, Wendt 2005a, S. 14, 16<br />

u. 25, Wendt 2006b, S. 9 u. 11, Wendt 2006a, S. 69 und die Leitprinzipien für das <strong>Case</strong> <strong>Management</strong><br />

der DGS Fachgruppe <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> der DGS (Hrsg.) 2005 – vgl. dazu auch die Standards für<br />

„Social Work <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>“ aus den USA: NASW 1992<br />

328<br />

Fachgruppe <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> der DGS (Hrsg.) 2005, S. 3<br />

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