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Systemsteuerung im Case Management

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Erkenntnisse von destruktiver und instruktiver Macht zumindest deutlich relativiert.<br />

Die völlige Unabhängigkeit sozialer Systeme bei ihrem Verhalten auf Einflüsse aus<br />

ihrer Umwelt, wie noch Luhmann sie vehement vertrat, kann damit als überzogene<br />

Interpretation der Autopoiesis verworfen werden. Wie aber Kraus bei seinem<br />

Theorem der instruktiven Macht gut verdeutlicht hat, ist bezüglich der aktiven<br />

Handlungs- und Einstellungsdetermination, d.h. tun statt unterlassen, die Mitwirkung<br />

des Adressaten nach wie vor erforderlich. Insofern bleibt es hier bei dem<br />

systemtheoretischen Problem, dass soziale Systeme sich der direkten Kontrolle ihrer<br />

aktiven Handlungen entziehen. Wie aber auch das kurz erwähnte Beispiel der<br />

„Welle“ zeigt, kann auch instruktive Macht eine ‚durchschlagende Wirkung’ entfalten.<br />

Wie dieser Widerspruch nun aufzulösen und was ergibt sich daraus für die<br />

<strong>Systemsteuerung</strong>?<br />

Wie das Beispiel mit der „Welle“ zeigt, sind die auslösenden Instruktionen des<br />

Lehrers auf eine breite Resonanz seitens der Schüler gestoßen, die fast<br />

ausnahmslos die geforderten Ritualisierungen vollzogen haben. Ganz <strong>im</strong><br />

systemtheoretischen Sinn hat der Lehrer mit seiner instruktiven Interaktion einen<br />

Sinnvorschlag gemacht, der von fast allen Schülern übernommen wurde und damit<br />

auch handlungsleitende Wirkung entfalten konnte. Lediglich einzelne Schüler haben<br />

sich diesem Sinnvorschlag entzogen (entziehen können). Die instruktive Interaktion<br />

hat somit das angesprochen, was bei der Sinnkonstruktion der (meisten) Schüler<br />

von Bedeutung war und wurde so widerspruchslos in Handlungen umgesetzt.<br />

Willke verdeutlicht diesen ‚Mechanismus’ mit folgender Aussage: "Gehe nicht von<br />

deinen eigenen Absichten und Vorstellungen von Veränderung aus, sondern<br />

versetze dich in die Lage des zu verändernden Systems, transportiere dessen<br />

Eigenlogik und lass es die gewünschten Veränderungen bewirken." (Willke 2005, S.<br />

7) Mit anderen Worten: Wenn Steuerungsaktionen gegenüber sozialen Systemen an<br />

deren Sinnkonstruktion anknüpfen, vergrößert sich die Wahrscheinlichkeit, dass die<br />

Interpretation dieser durch die Systemumwelt verursachten Störungen eher <strong>im</strong><br />

intendierten Sinn des Steuernden vorgenommen und in Handlungen umgesetzt<br />

werden.<br />

Eine instruktive Steuerung sozialer Systeme erfordert also quasi als<br />

Wirksamkeitsvoraussetzung die Beschäftigung mit dem Sinnsystem des zu<br />

steuernden Systems. Instruktive Steuerung ist daher nur als „Kontextsteuerung“ 293<br />

denkbar, so dass statt dem Versuch einer direkten Einwirkung in das System, das<br />

Steuern „… Bedingungen setzt, an denen sich das zu steuernde System in seinen<br />

eigenen Selektionen orientieren kann, und <strong>im</strong> gelingenden Fall <strong>im</strong> eigenen Interesse<br />

orientieren wird.“ 294 Dies hat insbesondere dann <strong>im</strong>mer eine besonders hohe<br />

Erfolgswahrscheinlichkeit, wenn die Kontextbedingungen sich an den<br />

Selektionsmechanismen der systemischen Autopoiesis orientieren.<br />

Willke führt hierzu den Begriff der Steuerungsmedien ein, die er als Macht, Geld und<br />

Wissen definiert. 295 Im folgenden soll sich aber an den bereits dargestellten<br />

293<br />

vgl. z.B. Willke 2001 S. 194 f., Willke 2005, S. 89, Degele 1997 S. 85 ff., Brülle 1998, S. 65, Reis,<br />

Schulze-Böing 1998, S. 20<br />

294<br />

Willke 2001, S. 194 f. – Willke gibt hierzu auch ein plastisches Negativ-Beispiel für<br />

Steuerungsversuche ohne Berücksichtigung des Kontextes: Die Androhung von Höllenstrafen<br />

gegenüber einem Atheisten (s. ebd.)<br />

295<br />

s. Willke 2001<br />

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