Systemsteuerung im Case Management

Systemsteuerung im Case Management Systemsteuerung im Case Management

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28.01.2013 Aufrufe

Der Einfluss der so ‚gekoppelten’ auf das System bleibt damit gering. Ähnliche Einschätzungen finden sich bei Küppers und Kriz. 274 Mit ‚puristisch’ systemtheoretischen Ansätzen lassen sich damit Zustände schlecht erklären, wie z.B. ‚Persönlichkeiten’ soziale Systeme entscheidend beeinflussen, obwohl sie (systemtheoretische) streng genommen nur auf diese von ‚außen’ mit intern übersetzungsbedürftigen Verstörungen wirken können. 275 Die prinzipielle Austauschbarkeit von Kommunikationen (solange sie mittels Sinnzuweisung anschlussfähig für weitere Systemoperationen bleiben) macht es schwierig, den Einfluss von Persönlichkeiten auf soziale Systeme adäquat zu beschreiben. Auch umgekehrt ist nur begrenzt erklärbar, wie Menschen (als selbstreferentiell geschlossen operierende psychische Systeme betrachtet) sich in Organisationen Tätigkeiten stellen, die als ‚private’ Verrichtung kaum vorstellbar wären. Hier beginnt aber nun das (systemtheoretische) Dilemma: Ein Einbezug des Individuums in soziale Systeme bricht mit Grundannahmen der Luhmann’schen Systemtheorie, aber ein Verzicht darauf schwächt deutlich die für die Erklärung von Vorgängen bei der Steuerung von Hilfesystemen erforderliche Berücksichtigung des ‚Faktors Mensch’. Helmut Willke schlägt als Lösung des Dilemmas vor, das Verhältnis zwischen Organisationen und Menschen (psychische Systeme) als „symbiotische Verknüpfung“ 276 zu betrachten, d.h. “wie Muskelzellen ihre Mitochondiren, so bauen Organisationen ein autonomes fremdes System in symbiotischer Verknüpfung in ihre eigene Operationsweise ein, um die spezifischen Fähigkeiten der »Gäste« für die eigenen Zwecke zu nutzen.“ 277 Organisationen können so andere Systeme für ihre Zwecke instrumentalisieren, was auch als eine „parasitäre Verwendung des Menschen“ 278 interpretiert werden kann. „So lässt sich erklären, dass die meisten Menschen in Organisationen Differenzen beobachten und Informationen ableiten, an denen sie selbst nicht das geringste Interesse haben. Warum würde ein Sachbearbeiter in der Krankenversicherung jahrelang Zahlen addieren und Rechnungen vergleichen wollen?“ 279 Diese Symbiose gilt aber auch in umgekehrter Richtung. Menschen (psychische Systeme) können auch Organisationen für ihre Zwecke instrumentalisieren – ein einzelner Mitarbeiter kann durch gezieltes oder fahrlässiges Handeln eine Organisation in arge Bedrängnis bringen (man denke nur an den Fall des Aktienhändlers Jérôme Kerviel, der die französische Großbank Societe Generale 274 vgl. hierzu Küppers 1999 S. 350 f. bzw. Kriz 1997 S. 87 f. 275 man denke hierbei nur an den Einfluss von Ghandi auf die indische, des Dalai Lama auf die tibetische Gesellschaft oder von Wendelin Wiedeking auf Porsche (zum Wirken des letzteren vgl.. z.B. http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=54230882&top=SPIEGEL oder http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2007/03/27/a0094) oder gleichrangig eher negative Beispiele wie den von Jürgen Schrepp veranlasste folgenreiche ‚Ausflug’ von Mercedes nach Amerika zu Chrysler. 276 s. Willke 2001 S. 323 f. 277 ebd. 278 ders. S. 324 279 ebd. Seite 78

einen Verlust von 4,9 Mrd. (!) € bescherte 280 ) wie auch den Kurs einer Großorganisation wie bereits dargestellt neu bestimmen. Diese zusätzliche Konstruktion kann es dem Verfasser nun erlauben, Hilfesysteme auch im Folgenden systemtheoretisch zu betrachten und immer dann, wenn es um Erklärungen von Wirkungen einzelner Individuen in (auf) soziale Systeme und von sozialen Systeme auf Individuen geht, darauf zurückzugreifen. Aus konstruktivistischer Sicht hat der Verfasser damit lediglich eine weitere Konstruktion an die Systemtheorie angehängt, die die für das Weiterarbeiten erforderlichen Erklärungen bereitstellt. 2.2.2.8 Zusammenfassung: Soziale Systeme als Bezugsgegenstand der Systemsteuerung im Case Management Durch die Beschäftigung mit der Systemtheorie war es möglich, soziale Systeme als abgegrenzte Gebilde kennenzulernen, die aus Elementen bestehen, die wiederum miteinander in Beziehung stehen. Durch zunehmende Differenzierung können diese Elemente wiederum selbst Systeme sein, die innerhalb des Supersystems bestimmte Aufgaben übernehmen. Nicht nur die Gesellschaft als größtes soziale System differenziert sich funktional und bildet so spezifisch unterscheidbare Funktionssysteme als Subsysteme der Gesellschaft, sondern auch Organisationssysteme nutzen zumeist die Methode der funktionalen Differenzierung zu Steuerung ihrer Prozesse zwischen Input und Output. Dies verweist dann auf die Umwelt sozialer Systeme, die mit diesen in vielfältigen Austauschprozessen steht. Systeme können daher als Bezugsgegenstand dieser Arbeit wie folgt skizziert werden: • Soziale Systeme bewirken ihre eigene Reproduktion, d.h. sie schaffen sich ständig wieder neu. Die einzige Alternative dazu ist ‚aufhören’, was zugleich Existenzaufgabe bedeutet. Dies betrifft gleichermaßen psychische Systeme. • Soziale Systeme kommen als psychische Systeme, als Interaktionssysteme und als Organisationssysteme im Case Management vor. Die Gesellschaft als größtes soziale System ist hingegen weniger von Belang, da auch die Beeinflussung politischer Rahmenbedingungen (bzw. der Versuch hierzu) sich nicht an die Gesellschaft als Ganzes, sondern lediglich an Teilsysteme richtet. • Teilsysteme der Gesellschaft sind als Funktionssysteme zu betrachten, von denen Case Management als Teil der Sozialen Arbeit ebenfalls in einem Wechselwirkungsverhältnis steht. Dies betrifft vor allem das Politiksystem, dass in vielfältiger Weise die Rahmenbedingungen, unter denen Case Management stattfindet, beeinflusst, das Rechtssystem, das die o.a. Rahmenbedingungen in konkreten (Rechts-) Fällen auslegt und so Ansprüche konstatiert (oder verwirft) sowie das Wirtschaftssystem, da Leistungen im Rahmen des Case Managements vorwiegend nach dem Code des Wirtschaftssystems von ‚zahlen / nicht-zahlen’ abgewickelt werden. Soziale Arbeit wird dabei ebenfalls als Funktionssystem der Gesellschaft begriffen, allerdings mit der Einschränkung, 280 vgl. Bericht der Finacial Times Deustchland vom 18.04.2008 http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/344732.html Seite 79

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Großorganisation wie bereits dargestellt neu best<strong>im</strong>men.<br />

Diese zusätzliche Konstruktion kann es dem Verfasser nun erlauben, Hilfesysteme<br />

auch <strong>im</strong> Folgenden systemtheoretisch zu betrachten und <strong>im</strong>mer dann, wenn es um<br />

Erklärungen von Wirkungen einzelner Individuen in (auf) soziale Systeme und von<br />

sozialen Systeme auf Individuen geht, darauf zurückzugreifen. Aus<br />

konstruktivistischer Sicht hat der Verfasser damit lediglich eine weitere Konstruktion<br />

an die Systemtheorie angehängt, die die für das Weiterarbeiten erforderlichen<br />

Erklärungen bereitstellt.<br />

2.2.2.8 Zusammenfassung: Soziale Systeme als Bezugsgegenstand der<br />

<strong>Systemsteuerung</strong> <strong>im</strong> <strong>Case</strong> <strong>Management</strong><br />

Durch die Beschäftigung mit der Systemtheorie war es möglich, soziale Systeme als<br />

abgegrenzte Gebilde kennenzulernen, die aus Elementen bestehen, die wiederum<br />

miteinander in Beziehung stehen. Durch zunehmende Differenzierung können diese<br />

Elemente wiederum selbst Systeme sein, die innerhalb des Supersystems<br />

best<strong>im</strong>mte Aufgaben übernehmen. Nicht nur die Gesellschaft als größtes soziale<br />

System differenziert sich funktional und bildet so spezifisch unterscheidbare<br />

Funktionssysteme als Subsysteme der Gesellschaft, sondern auch<br />

Organisationssysteme nutzen zumeist die Methode der funktionalen Differenzierung<br />

zu Steuerung ihrer Prozesse zwischen Input und Output. Dies verweist dann auf die<br />

Umwelt sozialer Systeme, die mit diesen in vielfältigen Austauschprozessen steht.<br />

Systeme können daher als Bezugsgegenstand dieser Arbeit wie folgt skizziert<br />

werden:<br />

• Soziale Systeme bewirken ihre eigene Reproduktion, d.h. sie schaffen sich<br />

ständig wieder neu. Die einzige Alternative dazu ist ‚aufhören’, was zugleich<br />

Existenzaufgabe bedeutet. Dies betrifft gleichermaßen psychische Systeme.<br />

• Soziale Systeme kommen als psychische Systeme, als Interaktionssysteme und<br />

als Organisationssysteme <strong>im</strong> <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> vor. Die Gesellschaft als<br />

größtes soziale System ist hingegen weniger von Belang, da auch die<br />

Beeinflussung politischer Rahmenbedingungen (bzw. der Versuch hierzu) sich<br />

nicht an die Gesellschaft als Ganzes, sondern lediglich an Teilsysteme richtet.<br />

• Teilsysteme der Gesellschaft sind als Funktionssysteme zu betrachten, von<br />

denen <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> als Teil der Sozialen Arbeit ebenfalls in einem<br />

Wechselwirkungsverhältnis steht. Dies betrifft vor allem das Politiksystem, dass<br />

in vielfältiger Weise die Rahmenbedingungen, unter denen <strong>Case</strong> <strong>Management</strong><br />

stattfindet, beeinflusst, das Rechtssystem, das die o.a. Rahmenbedingungen in<br />

konkreten (Rechts-) Fällen auslegt und so Ansprüche konstatiert (oder verwirft)<br />

sowie das Wirtschaftssystem, da Leistungen <strong>im</strong> Rahmen des <strong>Case</strong><br />

<strong>Management</strong>s vorwiegend nach dem Code des Wirtschaftssystems von ‚zahlen /<br />

nicht-zahlen’ abgewickelt werden. Soziale Arbeit wird dabei ebenfalls als<br />

Funktionssystem der Gesellschaft begriffen, allerdings mit der Einschränkung,<br />

280 vgl. Bericht der Finacial T<strong>im</strong>es Deustchland vom 18.04.2008<br />

http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/344732.html<br />

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