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Systemsteuerung im Case Management

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Die Zeitd<strong>im</strong>ension <strong>im</strong>pliziert, dass Hilfe „wartefähig“ 229 gehalten werden muss, da<br />

nach der Entstehung der Hilfebedürftigkeit erst diese von dem hilfeleistenden<br />

System erkannt und <strong>im</strong> Anschluss eine diesbezügliche Hilfebeziehung aufgebaut<br />

werden muss. Die Sachd<strong>im</strong>ension verweist darauf, dass allein aus dem positiven<br />

Wert der binären Codierung ‚helfen / nicht-helfen’ (= helfen) noch kein Bezug auf<br />

das, wie geholfen werden soll (und kann) erkennbar ist. Helfen ist so zunächst<br />

weder spezifiziert, noch enthält es „Stoppregeln“ 230 , die best<strong>im</strong>men, wann die<br />

Hilfeleistung beendet, die Funktion erfüllt ist. Diese Spezifizierung von Hilfe<br />

übernehmen dann Programme, die <strong>im</strong> Gegensatz zum Code „bisweilen handfeste<br />

Restriktionen“ 231 aufweisen. Da Programme nicht „freischwebend“ 232 sind,<br />

manifestieren sie sich zu Strukturen, was u.a. zur Bildung von Organisationen führt,<br />

die dann nach Vorgaben des Funktionssystems Politik (vermittelt durch die an<br />

Konditionen geknüpfte Bereitstellung von Ressourcen) solche Programme umsetzen<br />

und so über die Gewährung konkreter Hilfeleistungen sachlich, sozial und zeitlich<br />

entscheiden. Gerade die Sachd<strong>im</strong>ension skizziert aber ein weiteres Thema, dass<br />

Luhmann bereits 1973 als mögliches Problemfeld identifiziert hat: Durch die<br />

Programmierung von Hilfen „… best<strong>im</strong>mt die Optik der Programme das, was an<br />

sozialer Hilfe geschieht, bzw. nicht geschieht.“ 233 Die Folge ist für Luhmann, dass<br />

"… Hilfe weitgehend in der Form programmiert (wird - RF), daß <strong>im</strong>mer, wenn <strong>im</strong><br />

voraus spezifizierte Bedingungen vorliegen, <strong>im</strong> voraus spezifizierte oder doch<br />

umgrenzte Leistungen gewährt werden." 234 Durch Programme wird so die<br />

Hilfeleistung <strong>im</strong>mer effektiver und zuverlässig erwartbar, aber dies hat auch<br />

Konsequenzen: "Schließlich hat gerade die Effektivität und Zuverlässigkeit<br />

organisierten Helfens eigene dysfunktionale Folgen. Durch Programmierung der<br />

sozialen Hilfe gerät nichtprogrammiertes Helfen in die Hinterhand. Es kann<br />

organisationsintern sogar ausgesprochen zur Störung werden, wenn jemand<br />

programmlos hilft. […] Gerade darin liegt eine Gefahr, weil nicht jede Art von Notlage<br />

organisatorisch zu steuern ist." (Luhmann 1973, S. 36)<br />

Luhmann verweist damit bereits früh auf die Erfordernis der Etablierung flexibler<br />

Programme, deren Programm sozusagen aus einer weitgehenden Programmfreiheit<br />

besteht, bzw. eine (weitgehend) starre Ursache (Hilfebedürftigkeit) – Wirkungs<br />

(Hilfeleistung) – Beziehung aufgelöst wird. Genau hier setzt das Konzept des <strong>Case</strong><br />

<strong>Management</strong>s an, dass sich so bereits auf eine frühe Begründung seiner<br />

Notwendigkeit berufen kann. <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> ist zwar ebenfalls ein Programm,<br />

nur ist hier der ‚Programmcode’ in der Sachd<strong>im</strong>ension aufgespaltet in eine<br />

(weitgehend) programmierte Gestaltung der Abläufe (Phasenmodell) bei<br />

(weitgehend) unprogrammierter Gestaltung der Inhalte (konkrete Hilfen). Dazu aber<br />

mehr <strong>im</strong> Teil 3 dieser Arbeit.<br />

229 Merten 2005, S. 50, vgl. Luhmann 1973, S. 23<br />

230 Merten 2005, S. 51 – Er verweist hier auch auf die autopoiesische Erfordernis von<br />

Anschlusshandlungen (an Hilfe), die <strong>im</strong>mer wieder weitere (anschlussfähige) Hilfe bedingen, so dass<br />

daraus auch erklärbar ist, wieso Soziale Arbeit eine „expandierende Funktionserfüllung“ (ebd.)<br />

aufweist, die nur durch ihre prinzipielle Ressourcenabhängigkeit von Ihrer Umwelt begrenzt ist.<br />

231 ebd.<br />

232 ders., S. 52<br />

233 Luhmann 1973, S. 33<br />

234 Luhmann 1973, S. 35<br />

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