Systemsteuerung im Case Management
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Diese Beispiele erheben keinen Anspruch weder auf Vollständigkeit noch auf<br />
eventuell aus den Beispielen ableitbaren ‚Klassifizierungen’ von Inter-<br />
Organisationsnetzwerken.<br />
Gerade mit den ersten beiden Beispielen, wo der Leistungsprozess von<br />
Organisationen (die Herstellung des Produktes, der Dienstleistung) nicht mehr<br />
umfänglich in der Organisation stattfindet, sondern in irgend einer Form mit<br />
(Netzwerk-) Partnern geteilt wird, könnte der Eindruck entstehen, dass so die<br />
Grenzen von Organisationen verschwinden, und etwas ‚größerem’ oder ‚flexiblerem’<br />
Platz machen. Dem widersprich aber Baecker vehement: "Das Gegenteil scheint der<br />
Fall zu sein. Die Vielzahl der aktuellen und aktualisierbaren Kontakte treibt den<br />
Druck auf die Organisationen, ihre Grenzen als steigerbare Leistungen zu<br />
behandeln und Identitätskriterien der eigenen Entscheidungen auszuflaggen, die<br />
zweifelsfrei erkennbar machen, wo die eine Organisation aufhört und die andere<br />
anfängt, in eine Höhe, die für die vielfach komplexitätsüberforderte<br />
Organisationsforschung allerdings bislang nicht nachvollziehbar ist." (Baecker 1999,<br />
S. 191)<br />
Der systemtheoretische Blickwinkel zeigt hierbei auch deutlich die Ursache für<br />
dieses zunächst konträr wirkende Verhalten. Organisationen definieren sich (wie alle<br />
Systeme) per se als Differenz zu ihrer Umwelt. Daher haben sie auch bei<br />
Kooperationen nur die Entscheidung, als Organisation aufzuhören (z.B. mit<br />
Netzwerkpartnern zu fusionieren) oder ‚weiterzumachen’, also sich als Organisation<br />
zu behaupten. Durch diese Feststellung wird keineswegs bestritten, dass es in der<br />
‚realen Welt’ langfristige Kooperationen zwischen Organisationen gibt, sondern nur<br />
ausgesagt, dass die prinzipielle Autarkie der einzelnen Organisationen auch durch<br />
Netzwerke nicht aufgehoben ist: Kooperierende Bildungsträger können bei der<br />
nächsten Ausschreibung wieder Wettbewerber werden, z.B. wenn die geforderte<br />
Leistung auch alleine erbracht werden kann 193 und langfristige Lieferanten können<br />
gewechselt werden, wenn z.B. die Produktion verlagert wird 194 oder ein qualitativ<br />
gleichwertiger, aber günstigerer Anbieter gefunden wird. Baecker konstatiert deshalb<br />
trocken: "Das Verhältnis zwischen Unternehmen der freien Marktwirtschaft gehorcht<br />
den Gesetzen der organisierten Anarchie." (Baecker 1999, S. 189)<br />
Auch durch Kooperationen und Austausch in Netzwerken, wird die Umwelt für die<br />
beteiligten Organisationen nicht durchsichtiger und weniger komplex, sondern auch<br />
in diesem Fall bleibt das für Systeme charakteristische Prinzip der doppelten<br />
Kontingenz gewahrt: "Ebenso wie in der mathematischen Spieltheorie kommt es<br />
auch darauf an, einen Sinn dafür zu wecken, daß Netzwerkbeziehungen<br />
193 und auch hierbei kommt es nicht auf ‚objektive’ (z.B. durch Dritte eingeschätzte) Tatsachen an,<br />
sondern auf die organisationsinterne Sinnzuweisung mit z.T. ganz einfach erklärbaren Hintergründen<br />
(z.B. soll durch Wegfallen anderer Aufträge freiwerdendes Personal weiterbeschäftigt werden oder<br />
die Hierarchie sieht sich mit höheren Umsatzerwartungen konfrontiert – in beiden Fällen kann die<br />
Problemlösung so gesehen werden, dass dazu der ‚ganze’ Auftrag gebraucht wird und die<br />
Kooperation mit den Netzwerkpartnern ist dann auch schnell wieder beendet)<br />
194 Dem Argument, dass auch der Netzwerkpartner ‚mitgehen’ oder ‚hinliefern’ könnte, ist war<br />
stichhaltig – aber auch hier können organisationsintern ganz andere Überlegungen eine Rolle<br />
spielen, z.B. dass der neue Produktionsstandort (z.B. ein Land) in Aussicht gestellte Subventionen<br />
mit Forderungen auf Beteiligung einhe<strong>im</strong>ischer Lieferanten verknüpft. Auch dieses Beispiel soll<br />
lediglich aufzeigen, dass auch bezüglich von Netzwerkbeziehungen die Entscheidungen in den<br />
einzelnen Organisationen nach deren eigenen Überlegungen (Sinnkonstruktionen) getroffen werden.<br />
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