Systemsteuerung im Case Management

Systemsteuerung im Case Management Systemsteuerung im Case Management

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28.01.2013 Aufrufe

Das mannigfaltige Beziehungsgeflecht von Organisationen machen es auch unter Zuhilfenahme von „black-box“ Modellen schwer, eine direkte Input-Output Relation anzunehmen. Auf Veränderungen von Organisationen, die man als Output begreifen kann, lassen sich nur schwerlich isolierte „Inputs“, die in einem wie auch immer gelagerten Prozess für den beobachteten Output ursächlich waren, ausmachen. Kybernetisch könnte man daher den Entscheidungsprozess von Organisationen auch als ‚mehrfach nicht-triviale Maschine’ bezeichnen. Auch hier kommen wir wieder zu dem bereits in Kap. 2.2.2.4 dargestellten Problem der Schwierigkeit einer anzunehmenden (externen) Steuerung von Systemen zurück und können eine weitere Behandlung, ob bzw. wie dies doch möglich sein könnte, auch wieder nur auf das noch folgende Kapitel 2.3 verweisen. Luhmann verweist aber in Bezug auf das System-Umwelt-Verhältnis von Organisationen noch auf einen weiteren, durchaus nicht unbekannten Umstand: Dass Organisationen sich ihre Konstruktion ihrer Umwelt so entwickeln, dass ihre eigene Existenz, ihre Legitimation gesichert bleibt. Daher ist es zu beobachten, „… dass Organisationen auch Probleme in ihre Umwelt hineinkonstruieren, um dann darüber entscheiden zu können - dass zum Beispiel Wohlfahrtsbürokratien die Nachfrage nach Hilfe durch ihr Angebot erst erzeugen oder dass Produktionsorganisationen den Markt erst entwickeln müssen, den sie dann mit ihren Erzeugnissen bedienen." (Luhmann 2000, S. 71 f.) Auch dies zeigt, dass Umwelt letzten Endes – ganz im Sinne der Systemtheorie und des Konstruktivismus – für Organisationen nur eine Realitätskonstruktion ist. Analysiert man Entscheidungen von Unternehmen muss daher stets (neben den bereits dargestellten anderen Faktoren) berücksichtigt werden, wie sie ihre Realitätskonstruktion vornehmen, also Beobachtungen der Umwelt mit organisationsspezifischen Sinn belegen. Dies illustriert schon alleine der bekannte Satz: "When you only have a hammer, you tend to see every problem as a nail." 184 , der auf Organisationen angewandt so lauten könnte: Wenn dir nur eine bestimmte Bandbreite von Output möglich ist, wird deine Umweltbeobachtung ergeben, dass es dort den dazu passenden Bedarf gibt oder zumindest ein solcher erzeungt werden kann. Anschließend zu der Abhandlung von Organisationssystemen muss man sich nun noch mit ihrer bereits erwähnten Verflechtung mit anderen Systemen in ihrer Umwelt beschäftigen. Neben der hierzu von Luhmann gebrauchten Begrifflichkeit der Interpenetration ist in Bezug auf Organisationen aber vor allem der Begriff des Netzwerks geläufig, die für Kämper letzten Endes „… eine Reaktion auf strukturelle Überforderungen von Organisationen beim Umgang mit einer komplexen Umwelt [sind]." 185 Baecker geht so gar so weit, Netzwerkbeziehungen zwischen Organisationen mit der Einsetzung von Projektteams in Organisationen gleichzusetzen, die damit die Kommunikation abseits ansonsten vorstrukturierter Wege in Gang setzen können. 186 Netzwerke zwischen Organisationen sind in der immer stärker die Frage, ob die zuvor noch beschriebene Autonomie von Organisationsentscheidungen nicht langsam ‚durch die Hintertür’ aufgehebelt wird. 184 Das Zitat wird Abraham Maslow zugeschrieben – s. http://de.wikiquote.org/wiki/Abraham_Maslow 185 Kämper, Schmidt 2000, S. 235 186 s. Baecker 1999, S. 189 Seite 58

Praxis in vielerlei Hinsicht vorstellbar, was mit folgenden (nur exemplarischen) Beispielen belegt werden soll: • als Bietergemeinschaft verschiedener Bildungsträger zur Bereitstellung von berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (§ 61 SGB III) für Jugendliche, z.B. wenn die Leistungsbeschreibung der Ausschreibung ein so unterschiedliches ‚Set’ an Berufsfeldern vorsieht, die die einzelnen Träger alleine nicht oder nur mit großem wirtschaftlichen Aufwand erbringen könnten 187 ; • als langfristig angelegte Lieferantenbeziehungen z.B. in der Automobilindustrie, wo Fertigungsprozesse von Komponenten an andere Unternehmen ausgelagert werden, die dazu auch in die Entwicklung des Endproduktes mit einbezogen werden, so dass statt ein Unternehmen selbst alle relevanten Teile fertigt und den ‚Rest’ bei dem günstigsten Lieferanten beschafft, das Produkt durch ein relativ stabiles Netzwerk von Lieferantenbeziehungen entsteht 188 ; • als Interessensvertretung von Organisationen (z.B. gegenüber Politik und Öffentlichkeit) z.B. die Arbeitsgemeinschaft der Berufsförderungswerke 189 – wobei hier die Grenzen von bloßen Netzwerken zur Bildung eigenständiger Organisation fließend sind (wie z.B. die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände BDA, die wiederum eigene Unternehmen unterhält) 190 ; • als reiner Erfahrungsaustausch wie z.B. die „Erfa-Gruppen“ der Deutschen Gesellschaft für Personalführung DGFP, in denen sich Mitarbeiter von Personalabteilungen zu Fachfragen austauschen und gegenseitig unterstützen – z.B. durch Austausch einschlägiger Betriebsvereinbarungen 191 oder • als ‚nicht-öffentliche’ (und daher zumeist vom Kartellrecht her rechtswidrigen) Absprachen von Unternehmen z.B. die 2007 vom Bundeskartellamt mit knapp 208 Mio. € Bußgeld geahnte Absprache mehrerer Hersteller von Propangas bezüglich von Kunden- und Gebietsaufteilung und Abgabepreisen 192 . 187 so umfasst z.B. die Ausschreibung der Arbeitsagentur Neuwied (Vergabenummer 61-08-NR-01 vom 19.03.2008) nicht weniger als 12 verschiedene Berufsfelder (u.a. Metall, Holz, Bau, Installationstechnik, Elektro, Kosmetik, Gesundheit, …), für die entsprechende Praxisräume, Ausbilder und Lehrkräfte vorzuhalten sind. Auch wenn Bildungsträger sich dazu die benötigten Mitarbeiter rekrutieren könnte, ist die Einrichtung entsprechender Fachräume meist für den einzelnen zu aufwendig, zumal das o.a. Los nur 65 Plätze, d.h. durchschnittlich pro Berufsfeld 5 (!) Teilnehmer umfasst, so dass sich die Investitionskosten für die Fachausstattung nicht über die wenigen Teilnehmer amortisieren lassen, zumal durch das Ausschreibungsverfahren bedingt ein harter Preiswettbewerb zu erwarten ist (Quelle: www.arbeitsargentur.de - die Veröffentlichung im Internet erfolgt allerdings nur für die Dauer der Ausschreibung) 188 s.http://www.audi.de/audi/de/de2/geschaeftskunden/b2b/B_2_B_fuer_unsere_Geschaeftspartner/zus ammenarbeit_mit.html 189 im Internet unter http://www.bfws.de 190 im Internet unter http://www.bda-online.de 191 im Internet unter http://www1.dgfp.com 192 s. http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/archiv/PressemeldArchiv/2007/2007_12_19.php - hier verzichtet der Verfasser bewusst aus rechtlichen Erwägungen auf die Nennung von weiteren, im Alltag eher geläufigen Beispielen Seite 59

Das mannigfaltige Beziehungsgeflecht von Organisationen machen es auch unter<br />

Zuhilfenahme von „black-box“ Modellen schwer, eine direkte Input-Output Relation<br />

anzunehmen. Auf Veränderungen von Organisationen, die man als Output begreifen<br />

kann, lassen sich nur schwerlich isolierte „Inputs“, die in einem wie auch <strong>im</strong>mer<br />

gelagerten Prozess für den beobachteten Output ursächlich waren, ausmachen.<br />

Kybernetisch könnte man daher den Entscheidungsprozess von Organisationen<br />

auch als ‚mehrfach nicht-triviale Maschine’ bezeichnen.<br />

Auch hier kommen wir wieder zu dem bereits in Kap. 2.2.2.4 dargestellten Problem<br />

der Schwierigkeit einer anzunehmenden (externen) Steuerung von Systemen zurück<br />

und können eine weitere Behandlung, ob bzw. wie dies doch möglich sein könnte,<br />

auch wieder nur auf das noch folgende Kapitel 2.3 verweisen.<br />

Luhmann verweist aber in Bezug auf das System-Umwelt-Verhältnis von<br />

Organisationen noch auf einen weiteren, durchaus nicht unbekannten Umstand:<br />

Dass Organisationen sich ihre Konstruktion ihrer Umwelt so entwickeln, dass ihre<br />

eigene Existenz, ihre Legit<strong>im</strong>ation gesichert bleibt. Daher ist es zu beobachten, „…<br />

dass Organisationen auch Probleme in ihre Umwelt hineinkonstruieren, um dann<br />

darüber entscheiden zu können - dass zum Beispiel Wohlfahrtsbürokratien die<br />

Nachfrage nach Hilfe durch ihr Angebot erst erzeugen oder dass<br />

Produktionsorganisationen den Markt erst entwickeln müssen, den sie dann mit<br />

ihren Erzeugnissen bedienen." (Luhmann 2000, S. 71 f.)<br />

Auch dies zeigt, dass Umwelt letzten Endes – ganz <strong>im</strong> Sinne der Systemtheorie und<br />

des Konstruktivismus – für Organisationen nur eine Realitätskonstruktion ist.<br />

Analysiert man Entscheidungen von Unternehmen muss daher stets (neben den<br />

bereits dargestellten anderen Faktoren) berücksichtigt werden, wie sie ihre<br />

Realitätskonstruktion vornehmen, also Beobachtungen der Umwelt mit<br />

organisationsspezifischen Sinn belegen. Dies illustriert schon alleine der bekannte<br />

Satz: "When you only have a hammer, you tend to see every problem as a nail." 184 ,<br />

der auf Organisationen angewandt so lauten könnte: Wenn dir nur eine best<strong>im</strong>mte<br />

Bandbreite von Output möglich ist, wird deine Umweltbeobachtung ergeben, dass es<br />

dort den dazu passenden Bedarf gibt oder zumindest ein solcher erzeungt werden<br />

kann.<br />

Anschließend zu der Abhandlung von Organisationssystemen muss man sich nun<br />

noch mit ihrer bereits erwähnten Verflechtung mit anderen Systemen in ihrer Umwelt<br />

beschäftigen. Neben der hierzu von Luhmann gebrauchten Begrifflichkeit der<br />

Interpenetration ist in Bezug auf Organisationen aber vor allem der Begriff des<br />

Netzwerks geläufig, die für Kämper letzten Endes „… eine Reaktion auf strukturelle<br />

Überforderungen von Organisationen be<strong>im</strong> Umgang mit einer komplexen Umwelt<br />

[sind]." 185 Baecker geht so gar so weit, Netzwerkbeziehungen zwischen<br />

Organisationen mit der Einsetzung von Projektteams in Organisationen<br />

gleichzusetzen, die damit die Kommunikation abseits ansonsten vorstrukturierter<br />

Wege in Gang setzen können. 186 Netzwerke zwischen Organisationen sind in der<br />

<strong>im</strong>mer stärker die Frage, ob die zuvor noch beschriebene Autonomie von<br />

Organisationsentscheidungen nicht langsam ‚durch die Hintertür’ aufgehebelt wird.<br />

184 Das Zitat wird Abraham Maslow zugeschrieben – s. http://de.wikiquote.org/wiki/Abraham_Maslow<br />

185 Kämper, Schmidt 2000, S. 235<br />

186 s. Baecker 1999, S. 189<br />

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