Systemsteuerung im Case Management
Systemsteuerung im Case Management Systemsteuerung im Case Management
usw.) ein, nimmt aber damit auch in Kauf, dass Vorfälle, die sich über ein solches Regelwerk schlecht abbilden lassen, nicht optimal bearbeitet werden können. 175 Dies trifft vor allem dann zu, wenn Aufgaben ‚quer’ zur bestehenden Struktur bearbeitet werden müssen. Organisationen behelfen sich dabei seit einiger Zeit durch die Bildung von strukturübergreifenden Teams, auch Projektteams genannt. Solche Projektteams können dann die durch die Struktur vorgegebenen Verfahrens- und Kommunikationsregeln aufheben, so dass Baecker darauf verweist, das Teams mithin als „Widerpart der Hierarchie“ 176 gelten. Da dieser „Widerpart“ auch zu einem ‚Widerspruch’ und damit als eine Gefahr für den Entscheidungsanspruch von Hierarchien angesehen werden kann, verwenden Hierarchien bei Initiierung (vor allem) von Projektteams entsprechende Absicherungsstrategien. Die wichtigste ist dabei die Temporalisierung des Teams, d.h. Projektteams arbeiten per se nur für einen definierten Zeitraum und lösen sich dann wieder auf. Weiterhin ist ihr Zuständigkeitsbereich eng begrenzt, so dass das Handlungsfeld im Rahmen der Organisation, in dem sie tätig werden, zumeist klar umrissen ist. 177 Ebenfalls sind Projektteams meistens nur für die Vorbereitung von zumindest zentralen Entscheidungen zuständig, dass die Zuständigkeit der Hierarchie für diese gewahrt bleibt. Damit ist man nun auch bei dem Thema ‚Entscheidungen’ angelangt, die Baecker bereits als der „besondere Typ von Kommunikationen“ 178 kennzeichnet, die Organisationen zu ihrer autopoietischen Reproduktion verwenden. Er folgt daraus, "... daß Organisation nur möglich ist, wenn sie auf operationaler Schließung, das heißt auf Reproduktion von Entscheidungen ausschließlich durch Entscheidungen aufruht. Auf dieser Ebene pflegt die Organisation keinerlei Kontakte zur Umwelt, insbesondere kann sie nicht über Input und Output Entscheidungen in die Organisation einführen oder Entscheidungen aus ihr ausführen. Sie muss ihre Entscheidungen selber treffen und sie kann dazu nur auf vorherige Entscheidungen zurückgreifen und auf zukünftig mögliche Entscheidungen, vor allem: auf zukünftig zu ermöglichende Entscheidungen, zurückgreifen. Auf der Ebene ihrer Entscheidungen - ausgerechnet dort! - operiert die Organisation ›blind‹. Hier achtet sie nur darauf, daß es irgendwie weitergeht. Sie trifft ihre Entscheidungen und gewinnt aus diesen Entscheidungen korrigierend oder weiterführend das Material weiterer Entscheidungen." (Baecker 1999, S. 153) 179 Dieses (lange) Zitat 175 So hatte die deutsche Tochtergesellschaft einer schweizerischen Spedition ein klares Regelwerk, wie Kosten für Leistungen in den einzelnen Subsystemen (Transport, Lagerung, Disposition, Kommissionierung) berechnet werden und eine auf diese Subsysteme bezogene Kosten- und Leistungsrechnung (profit center), durch Addition aller so ermittelten Kosten kamen aber Preise zustande, die nicht mehr marktfähig waren, wohingegen alle Fachabteilungen (Subsysteme) meldeten, dass sie profitabel arbeiten würden. 176 s. Baecker 1999, S. 185 177 s. Baecker 1999, S. 185–186. Eine Ausnahme hierzu bilden aber z.B. Qualitätszirkel, die generell zu allem, was in ihrem Arbeitsbereich einschließlich der Beziehung zu anderen Organisationsbereichen geschieht, Stellung nehmen dürfen. Hier ist aber die Einschränkung, dass diese Teams nur Vorschläge unterbreiten und die Umsetzung von Maßnahmen begleiten dürfen. Die Entscheidungen über die Vorschläge und die ggfs. hieraus resultierenden Maßnahmen trifft aber alleine die Hierarchie – vgl. z.B. Starke 2000 178 Baecker 1999, S. 90. 179 Luhmann kommt in Bezug auf das Entscheidungsverhalten von Organisationen zu den gleichen Ergebnissen - vgl. dazu auch Luhmann 2000 S. 71 f. Seite 56
kennzeichnet sehr anschaulich das Wesen von Organisationen und ihre operationale Schließung (als System) gegenüber ihrer Umwelt. Während gerade Organisationen (zumeist) einen sehr intensiven Kontakt mittels Input und Output zu ihrer Umwelt pflegen, sind sie doch im Kern ihres Handelns, bei ihren Entscheidungen, von dieser angekapselt. Organisationen verändern sich zwar im Laufe ihrer Geschichte, sie passen Strukturen wie auch Leistungen (Output) veränderten Anforderungen der Umwelt an (bei Wirtschaftsunternehmen Markt und Wettbewerb), aber daraus resultiert noch lange nicht ein direkter Einfluss der Umwelt auf Systementscheidungen. Der Umweltbezug von Organisationen führt zwar zu Anpassungshandlungen an Umweltveränderungen, aber die dazu führenden Entscheidungen sind in so hohem Maße durch ‚systeminterne’ Prozesse bedingt, dass Anpassung an Umweltveränderungen nur als „Selbstanpassung“ denkbar ist. 180 Die hierzu führenden drei Faktoren kann man wie folgt beschreiben: • Systeme können von Ihrer Umwelt keine Informationen direkt aufnehmen (übernehmen), sondern alles, was von der Umwelt an die Systemgrenze gelangt, wird durch das System interpretiert, mit Sinn belegt und so erst zu im System verarbeitbarer (kommunizierbarer) Information. Diese sind aber Grundlage aller Entscheidungen. • Alle Handlungen in Systemen und damit auch in Organisationssystemen sind neben dem ‚Input’ (der wie zuvor angeführt, bereits gefiltert ist) auch untrennbar mit systeminternen ‚Zuständen’ 181 verknüpft, die sich äußeren direkten Einflüssen entziehen. Entscheidungen hängen damit auch außer den sie auslösenden Informationen (über Umweltveränderungen) auch von Befindlichkeiten (inneren Zuständen) der Organisation ab. • Zentrale Entscheidungen in Organisationen sind (vor allem in betrieblichen Organisationen) wie bereits dargestellt nicht ohne den Einbezug der Hierarchie zu denken. Diese hat neben handgreiflichen Eigeninteressen 182 auch durchaus widersprüchliche Anforderungen (vor allem in großen Kapitalgesellschaften) seitens der Eigentümerseite ‚auszuhalten’, die wiederum Unternehmensentscheidungen beeinflussen. 183 180 s. Luhmann 1987, S. 479 181 im Sinne einer nicht-trivialen Maschine – vgl. Kap. 2.1.2.3 182 es ist z.B. nur schwer vorstellbar, dass ‚lean management’ Entscheidungen zum Wegfall einer ganzen Hierarchieebene von eben dieser Hierarchieebene getroffen werden 183 Hiermit sind z.B. die verstärkt festzustellenden Forderungen von Anteilseignern (Aktionären) nach kurzfristigem Erfolg, d.h. Aktienkurs- und Dividendensteigerungen gemeint. Durch das verstärkte Engagement von Kapitalinvestoren, deren Prinzip die kurzfristige Anlage von Kapital mit dem Ziel größtmöglicher Rendite ist, werden Unternehmensführungen zunehmend mit der Forderung konfrontiert, durch Maßnahmen schnell den Aktienkurs zu steigern und hohe Dividenden zu zahlen. Daraus resultieren dann Effekte, wie z.B. die Reduzierung der (auf Langfristigkeit angelegte) Forschung oder die Reduzierung des Personals, was über erhöhte Gewinnerwartungen dann wieder zu den gewünschten Kurssteigerungen führen kann. Die ursprünglich vom ‚Markt’ erwarteten Maßnahmen der Organisation können so durch solche konfliktierenden dann deutlich beeinflusst werden. Da aber wohl zunehmend auch die ‚Top-Hierarchie’ von Großunternehmen vermittels Aktienoptionen verstärkt an eben diese Kurzfristigkeit gebunden wird und auch die Aufsichtsgremien (Aufsichtsräte) im wesentlichen aus analog ‚besoldeten’ Topmanagern bestehen, stellt sich hier Seite 57
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Regelwerk schlecht abbilden lassen, nicht opt<strong>im</strong>al bearbeitet werden können. 175<br />
Dies trifft vor allem dann zu, wenn Aufgaben ‚quer’ zur bestehenden Struktur<br />
bearbeitet werden müssen. Organisationen behelfen sich dabei seit einiger Zeit<br />
durch die Bildung von strukturübergreifenden Teams, auch Projektteams genannt.<br />
Solche Projektteams können dann die durch die Struktur vorgegebenen Verfahrens-<br />
und Kommunikationsregeln aufheben, so dass Baecker darauf verweist, das Teams<br />
mithin als „Widerpart der Hierarchie“ 176 gelten. Da dieser „Widerpart“ auch zu einem<br />
‚Widerspruch’ und damit als eine Gefahr für den Entscheidungsanspruch von<br />
Hierarchien angesehen werden kann, verwenden Hierarchien bei Initiierung (vor<br />
allem) von Projektteams entsprechende Absicherungsstrategien. Die wichtigste ist<br />
dabei die Temporalisierung des Teams, d.h. Projektteams arbeiten per se nur für<br />
einen definierten Zeitraum und lösen sich dann wieder auf. Weiterhin ist ihr<br />
Zuständigkeitsbereich eng begrenzt, so dass das Handlungsfeld <strong>im</strong> Rahmen der<br />
Organisation, in dem sie tätig werden, zumeist klar umrissen ist. 177 Ebenfalls sind<br />
Projektteams meistens nur für die Vorbereitung von zumindest zentralen<br />
Entscheidungen zuständig, dass die Zuständigkeit der Hierarchie für diese gewahrt<br />
bleibt.<br />
Damit ist man nun auch bei dem Thema ‚Entscheidungen’ angelangt, die Baecker<br />
bereits als der „besondere Typ von Kommunikationen“ 178 kennzeichnet, die<br />
Organisationen zu ihrer autopoietischen Reproduktion verwenden. Er folgt daraus,<br />
"... daß Organisation nur möglich ist, wenn sie auf operationaler Schließung, das<br />
heißt auf Reproduktion von Entscheidungen ausschließlich durch Entscheidungen<br />
aufruht. Auf dieser Ebene pflegt die Organisation keinerlei Kontakte zur Umwelt,<br />
insbesondere kann sie nicht über Input und Output Entscheidungen in die<br />
Organisation einführen oder Entscheidungen aus ihr ausführen. Sie muss ihre<br />
Entscheidungen selber treffen und sie kann dazu nur auf vorherige Entscheidungen<br />
zurückgreifen und auf zukünftig mögliche Entscheidungen, vor allem: auf zukünftig<br />
zu ermöglichende Entscheidungen, zurückgreifen. Auf der Ebene ihrer<br />
Entscheidungen - ausgerechnet dort! - operiert die Organisation ›blind‹. Hier achtet<br />
sie nur darauf, daß es irgendwie weitergeht. Sie trifft ihre Entscheidungen und<br />
gewinnt aus diesen Entscheidungen korrigierend oder weiterführend das Material<br />
weiterer Entscheidungen." (Baecker 1999, S. 153) 179 Dieses (lange) Zitat<br />
175 So hatte die deutsche Tochtergesellschaft einer schweizerischen Spedition ein klares Regelwerk,<br />
wie Kosten für Leistungen in den einzelnen Subsystemen (Transport, Lagerung, Disposition,<br />
Kommissionierung) berechnet werden und eine auf diese Subsysteme bezogene Kosten- und<br />
Leistungsrechnung (profit center), durch Addition aller so ermittelten Kosten kamen aber Preise<br />
zustande, die nicht mehr marktfähig waren, wohingegen alle Fachabteilungen (Subsysteme)<br />
meldeten, dass sie profitabel arbeiten würden.<br />
176 s. Baecker 1999, S. 185<br />
177 s. Baecker 1999, S. 185–186. Eine Ausnahme hierzu bilden aber z.B. Qualitätszirkel, die generell<br />
zu allem, was in ihrem Arbeitsbereich einschließlich der Beziehung zu anderen<br />
Organisationsbereichen geschieht, Stellung nehmen dürfen. Hier ist aber die Einschränkung, dass<br />
diese Teams nur Vorschläge unterbreiten und die Umsetzung von Maßnahmen begleiten dürfen. Die<br />
Entscheidungen über die Vorschläge und die ggfs. hieraus resultierenden Maßnahmen trifft aber<br />
alleine die Hierarchie – vgl. z.B. Starke 2000<br />
178 Baecker 1999, S. 90.<br />
179 Luhmann kommt in Bezug auf das Entscheidungsverhalten von Organisationen zu den gleichen<br />
Ergebnissen - vgl. dazu auch Luhmann 2000 S. 71 f.<br />
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