Systemsteuerung im Case Management
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Austauschbarkeit. 165 Dies unterscheidet Organisationssysteme deutlich von<br />
Interaktionssystemen, in denen jedes psychische System als ‚Letztelement’<br />
einzigartig ist, so dass die Kommunikation <strong>im</strong> Interaktionssystem (auch hier wieder<br />
vom Prinzip her 166 ) eine andere wird, wenn seine Elemente wechseln. Kiss<br />
verdeutlicht das mit dem Satz: "Statt der zentralen Kategorie von personalisierten<br />
Erwartungen in Interaktionssystemen tritt in Organisationssystemen die Stelle." (Kiss<br />
1990, S. 37)<br />
An dieser Stelle ist jetzt aber wieder ein Blick auf die Elemente von<br />
Organisationssystemen erforderlich. In Anlehnung an ‚reale’ Organisationen spricht<br />
Kiss (s.o.) von Personen (die z.B. austauschbar sind) und auch die weiteren<br />
Ausführungen des Verfassers lassen erkennen, wie sich sprachlich um die<br />
Verwendung des Personenbegriffs ‚herumgedrückt’ wird. Systemtheoretisch ist das<br />
aber der falsche Ansatz. Die Konstruierung von Organisationssystemen als Systeme<br />
mit Menschen (Personen, Individuen) würde das Theoriegebäude der Systemtheorie<br />
aufhebeln, so dass Baecker als strenger Systemtheoretiker die Konstruktion von<br />
Organisationssystemen als Systeme von Menschen eine klare Absage erteilt und<br />
konstatiert: "Sondern wir betrachten Organisationen als soziale Systeme, die nicht<br />
etwa aus individuellen Mitarbeitern bestehen, sondern aus Kommunikationen.<br />
Organisationen sind soziale Systeme, die mithilfe eines best<strong>im</strong>mten Typs von<br />
Kommunikationen, nämlich Entscheidungen, reproduzieren und daher alles, was für<br />
ihren Bestand wichtig ist, zum Gegenstand von Entscheidungen machen müssen."<br />
(Baecker 1999, S. 90) 167<br />
Als letztes Merkmal von Organisationssystemen nennt Kiss (s.o.) schließlich<br />
hierarchische Rangpositionen, was auf Hierarchien verweist. Durch<br />
Formalisierungen von Organisationsanforderungen durch die moderne Gesellschaft<br />
z.B. in Form von Rechtsvorgaben 168 werden natürlich in Organisationen auch<br />
Rangpositionen etabliert und sei es der Vorsitz (oder Sprecher) einer<br />
Selbsthilfegruppe. Die grundsätzliche Verknüpfung von Organisationen und<br />
ausgeprägten Hierarchien als „natürliche Voraussetzung für Ordnung“ 169 entspricht<br />
165 verlassen aber alle Mitglieder den Verein, so ist dieser allein von Amts wegen aufzulösen (§ 73<br />
BGB), entlässt ein Unternehmen alle Mitarbeiter, so stellt es damit auch seinen Betrieb ein (und seine<br />
eigene Reproduktion) – die Unabhängigkeit des Systems vom Einzelnen wird also mit<br />
Stellenformalisierungen nur erhöht<br />
166 Die Einschränkung muss gemacht werden, denn auch wenn in Interaktionssystemen gerade durch<br />
ihre (meist fehlende) Struktur alle Teilnehmer die gleichen Kommunikationschancen haben, gibt es<br />
doch viele Situationen, in denen Einzelne die Interaktion dominieren – man denke hier z.B. an<br />
Diskussionsrunden oder an Universitätsseminare, wo „wenige viel und viele wenig reden“ (Luhmann<br />
1987, S. 565. Ein Austritt der ‚Wenigredner’ verändert damit das Interaktionssystem natürlich in<br />
einem weitaus geringeren Maße als ein Austritt eines ‚Vielredners’ aus dem System – gleiches gilt für<br />
entsprechende ‚Eintritte’.<br />
167 Es ist allerdings anzumerken, dass auch bei Baecker in seinem oben zitierten Werk aus Sicht des<br />
Verfassers mithin ‚Herumdrückungen’ um die begriffliche Verwendung von Personen in seiner<br />
Beschreibung von betrieblichen Abläufen (aus systemtheoretischer Sicht) anzutreffen sind. Es scheint<br />
so, dass unser aller Abstraktionsvermögen zu gering ist, und man sich bei Kommunikationen nur<br />
‚Schemen’ vorstellen können, die durch die ansonsten menschengefüllten Betriebshallen ‚geistern’<br />
und so zumindest sprachlich <strong>im</strong>mer wieder auf Personen zurückkommen, die ja dann auch in unsere<br />
‚Bilder’ von Unternehmen und anderen Organisationen passen.<br />
168 s. z.B. BGB zu Vereinen und Stiftungen (§§ 21 ff.), Gesellschaften (§§ 705 ff.), bzw. HGB, GmbhG<br />
oder AktG zu den jeweiligen Gesellschaftformen<br />
169 Luhmann 1987, S. 280<br />
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