Systemsteuerung im Case Management
Systemsteuerung im Case Management Systemsteuerung im Case Management
Differenz, die gerade konstituierend für die Bildung von auf der einen Seite Interaktionssystemen und auf der anderen Seite Gesellschaftssystemen ist.: „Ohne Differenz zur Gesellschaft wäre keine Interaktion, ohne Differenz zur Interaktion wäre keine Gesellschaft möglich.“ 150 (A) Interaktionbssystem Festzuhalten ist zunächst, dass Interaktionssysteme sich als „einfache“ Sozialsysteme 151 durch den Kontakt von Anwesenden konstituieren. 152 Da sich die Systemtheorie nicht auf Menschen bezieht, müssen man hierbei von der Anwesenheit von psychischen Systemen ausgehen, auch wenn Beispiele von Luhmann sich auch so interpretieren lassen, dass ‚ganze’ Menschen gemein sein könnten. 153 Kiss liefert zunächst eine gute Zusammenfassung dessen, welche charakteristischen Merkmale Interaktionssysteme aufweisen (während wir uns bei Luhmann diese Merkmale ‚zusammensuchen’ müssen): „ - wechselseitig wahrgenommene Anwesenheit von Personen […] - Handlungszwang […] - Sinngehalte von Interaktionssystemen sind zwar - wie im Tausch, Gruß, Kampf und dergleichen - identifizierbar, doch macht die Lebendigkeit und Fluktuation wechselseitiger Erwartungserwartungen diese Systeme in hohem Maße unstabil und enttäuschungsgefährdet; […] - für die Funktionsfähigkeit von Interaktionssystemen ist zumindest ein gemeinsames Thema als minimaler Bezugspunkt der Aufmerksamkeit von Beteiligten erforderlich. […] - für Interaktionssysteme sind diffuse Mitgliedschaften und relativ diffuse Beziehungen unter den Mitgliedern charakteristisch" (Kiss 1990, S. 34–35) An- bzw. Abwesenheit ist damit ein zentrales Moment der Systemdefinition und damit der Systemgrenzen. Nur durch Anwesenheit wird das notwendige Maß an Aufmerksamkeit garantiert, das für Interaktionen erforderlich ist. 154 Interaktionssysteme sind auf diese Weise zeitlich wenig stabil, denn mit der Beendigung der Anwesenheit ihrer Elemente verlieren sie an Gestalt. Prinzipiell ist es zwar möglich, dass auch Interaktionssysteme die Zeit (d.h. die zeitlich/räumliche Trennung ihrer interagierenden Elemente) überdauern, dies erfordert aber einen hohen Aufwand, z.B. um nach Beendigung eines das System konstituierenden Kontaktes weitere für die Zukunft zu planen. Man kann so durchaus ein Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen. aber „… das setzt dann schon Vereinbarungen voraus, die nicht mehr durch die Bordmittel des Interaktionssystems garantiert werden können, und Motive, deren Regenerierung in der Interaktion selbst über längere Zeiträume hinweg bekanntermaßen schwierig sind." (Luhmann 1987, S. 566) Bei stärkerer Regulation der die Zeit überbrückenden Interaktionssequenzen werden dann schon Übergänge zu den stärker formalisierten 150 s. Luhmann 1987, S. 568 151 s. Luhmann 1987, S. 263 152 s. ebd. 153 s. z.B. Luhmann 1987 S. 264, 562, 564 u. 579 – Luhmann stellt aber zugleich deutlich fest, dass er nicht Personen, sondern „sozial identifizierte Erwartungskollagen“ meint (S. 564) 154 s. Luhmann 1987 S. 218 u. 560 Seite 50
Organisationssystemen erkennbar; aus zwanglosen Gesprächen über Gott etabliert sich ein Bibelkreis, bei dem man zumindest diskutieren kann, ob er noch im strengeren Sinne als reines Interaktionssystem aufzufassen ist. Gleiches gilt für die Ausbildung von Strukturen, von Subsystemen, die bei Interaktionssystemen selten anzutreffen sind. Luhmann sieht hier für Interaktionssysteme das Fehlen konkreter Anhaltspunkte für „Episodenbildung“ und „Episodenwechsel“, die Voraussetzung für die Ausdifferenzierung von Subsystemen sind. 155 Interaktionssysteme haben für Luhmann die Vorteile, hohe Komplexität (allerdings bei geringer Analyseschärfe) aufnehmen und in annähernder Gleichzeitigkeit und mit hohem Tempo Informationen verarbeiten und Kommunikation zu können. Dabei haben sie geringe Rechenschaftspflichten, was eine hohe „… Sicherheit der Gemeinsamkeit eines (wie immer diffusen) Informationsbesitzes …“ 156 ermöglicht. Andererseits können Interaktionssysteme aufgrund fehlender Strukturierungen Erwartungen und Enttäuschungen schlecht absichern 157 , worin sich letzten Endes auch ihre hohe Komplexität (dessen was alles in Interaktionssystemen möglich ist) zeigt. 158 Die schnelle Kommunikation in Interaktionssystemen ist natürlich an die (immer eingeschränkten) Möglichkeiten der Beobachtung gebunden. Aber nicht alles, was durch Beobachtung wahrnehmbar ist, ist damit zugleich relevant. Auch hier bilden sich Erwartungen, welche Kommunikationen, welche Themen, vorkommen. 159 Will man sich zum Thema USA-Reisen austauschen (Erwartung) und besucht eine Treffen über Amerikareisen, ist anzunehmen, dass das Treffen wieder verlassen wird, wenn sich dort nur über Südamerika unterhalten wird. Interaktionssysteme gestalten so eine, wenn auch rudimentäre, Sinnkonstruktion. Gleichzeitig bilden sich genauso rudimentäre Strukturen, z.B. dass gleichzeitig nur einer reden darf. 160 Auch können sich (rudimentäre) Hierarchien etablieren – man denke nur an ‚Wortführer’ oder Gruppensprecher. Trotz all dieser Strukturierungsansätze bewahren sich aber Interaktionssysteme insgesamt eine hohe Elastizität, so dass Themen, die im momentanen Zentrum der Aufmerksamkeit stehen wechseln oder in Randgespräche ‚abgedrängt’ werden können. 161 Erkauft wird dies auch damit, dass ihre Elemente hochgradig flexibel sind, es können schnell neue hinzukommen, bisherige verschwinden, oder das gesamte System sich wieder auflösen. Je mehr diese 155 s. Luhmann 1987, S. 566 Dem könnte man allerdings entgegen, dass Besprechungen (z.B. Tarifverhandlungen, Seminargruppen, usw.) sich temporär in Arbeitsgruppen aufteilen können, in denen Experten Teilthemen bearbeiten und anschließend in der Gesamtgruppe die Arbeitsergebnisse vorstellen, die dann von allen diskutiert werden. Diese Verfahrensweise erfreut sich unter dem Begriff der Moderationsmethode – z.T. auch Metaplantechnik zunehmenderer Verbreitung – s. z.B. Hartmann et al. 1997 oder Schimansky 2006 156 Luhmann 1987, S. 561 157 s. Luhmann 1987, S. 454 – hier verweist Luhmann aber zum ersten und einzigsten Mal auf Kommunikationstheoretiker wie Watzlawik durch die Übernahme des Axioms der Unmöglichkeit des Nicht-Kommunizierens in Interaktionssystemen – vgl. Watzlawick et al. 1982 158 auch hier ist davon auszugehen, dass Moderation bei Luhmann entweder unberücksichtigt bleibt, er ihren Nutzwert unterschätzt oder er ‚moderierte’ Interaktionssysteme in die Ebene der Organisationssysteme verweist. 159 s. Luhmann 1987, S. 563 160 s. Luhmann 1987, S. 564 – leider wird davon in der Praxis oft abgewichen, was nicht gerade Kommunikationsfördernd ist … 161 s. Luhmann 1987, S. 565 Seite 51
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Organisationssystemen erkennbar; aus zwanglosen Gesprächen über Gott etabliert<br />
sich ein Bibelkreis, bei dem man zumindest diskutieren kann, ob er noch <strong>im</strong><br />
strengeren Sinne als reines Interaktionssystem aufzufassen ist. Gleiches gilt für die<br />
Ausbildung von Strukturen, von Subsystemen, die bei Interaktionssystemen selten<br />
anzutreffen sind. Luhmann sieht hier für Interaktionssysteme das Fehlen konkreter<br />
Anhaltspunkte für „Episodenbildung“ und „Episodenwechsel“, die Voraussetzung für<br />
die Ausdifferenzierung von Subsystemen sind. 155<br />
Interaktionssysteme haben für Luhmann die Vorteile, hohe Komplexität (allerdings<br />
bei geringer Analyseschärfe) aufnehmen und in annähernder Gleichzeitigkeit und mit<br />
hohem Tempo Informationen verarbeiten und Kommunikation zu können. Dabei<br />
haben sie geringe Rechenschaftspflichten, was eine hohe „… Sicherheit der<br />
Gemeinsamkeit eines (wie <strong>im</strong>mer diffusen) Informationsbesitzes …“ 156 ermöglicht.<br />
Andererseits können Interaktionssysteme aufgrund fehlender Strukturierungen<br />
Erwartungen und Enttäuschungen schlecht absichern 157 , worin sich letzten Endes<br />
auch ihre hohe Komplexität (dessen was alles in Interaktionssystemen möglich ist)<br />
zeigt. 158<br />
Die schnelle Kommunikation in Interaktionssystemen ist natürlich an die (<strong>im</strong>mer<br />
eingeschränkten) Möglichkeiten der Beobachtung gebunden. Aber nicht alles, was<br />
durch Beobachtung wahrnehmbar ist, ist damit zugleich relevant. Auch hier bilden<br />
sich Erwartungen, welche Kommunikationen, welche Themen, vorkommen. 159 Will<br />
man sich zum Thema USA-Reisen austauschen (Erwartung) und besucht eine<br />
Treffen über Amerikareisen, ist anzunehmen, dass das Treffen wieder verlassen<br />
wird, wenn sich dort nur über Südamerika unterhalten wird. Interaktionssysteme<br />
gestalten so eine, wenn auch rud<strong>im</strong>entäre, Sinnkonstruktion. Gleichzeitig bilden sich<br />
genauso rud<strong>im</strong>entäre Strukturen, z.B. dass gleichzeitig nur einer reden darf. 160 Auch<br />
können sich (rud<strong>im</strong>entäre) Hierarchien etablieren – man denke nur an ‚Wortführer’<br />
oder Gruppensprecher. Trotz all dieser Strukturierungsansätze bewahren sich aber<br />
Interaktionssysteme insgesamt eine hohe Elastizität, so dass Themen, die <strong>im</strong><br />
momentanen Zentrum der Aufmerksamkeit stehen wechseln oder in Randgespräche<br />
‚abgedrängt’ werden können. 161 Erkauft wird dies auch damit, dass ihre Elemente<br />
hochgradig flexibel sind, es können schnell neue hinzukommen, bisherige<br />
verschwinden, oder das gesamte System sich wieder auflösen. Je mehr diese<br />
155 s. Luhmann 1987, S. 566 Dem könnte man allerdings entgegen, dass Besprechungen (z.B.<br />
Tarifverhandlungen, Seminargruppen, usw.) sich temporär in Arbeitsgruppen aufteilen können, in<br />
denen Experten Teilthemen bearbeiten und anschließend in der Gesamtgruppe die Arbeitsergebnisse<br />
vorstellen, die dann von allen diskutiert werden. Diese Verfahrensweise erfreut sich unter dem Begriff<br />
der Moderationsmethode – z.T. auch Metaplantechnik zunehmenderer Verbreitung – s. z.B.<br />
Hartmann et al. 1997 oder Sch<strong>im</strong>ansky 2006<br />
156 Luhmann 1987, S. 561<br />
157 s. Luhmann 1987, S. 454 – hier verweist Luhmann aber zum ersten und einzigsten Mal auf<br />
Kommunikationstheoretiker wie Watzlawik durch die Übernahme des Axioms der Unmöglichkeit des<br />
Nicht-Kommunizierens in Interaktionssystemen – vgl. Watzlawick et al. 1982<br />
158 auch hier ist davon auszugehen, dass Moderation bei Luhmann entweder unberücksichtigt bleibt,<br />
er ihren Nutzwert unterschätzt oder er ‚moderierte’ Interaktionssysteme in die Ebene der<br />
Organisationssysteme verweist.<br />
159 s. Luhmann 1987, S. 563<br />
160 s. Luhmann 1987, S. 564 – leider wird davon in der Praxis oft abgewichen, was nicht gerade<br />
Kommunikationsfördernd ist …<br />
161 s. Luhmann 1987, S. 565<br />
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