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Systemsteuerung im Case Management

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von sozialen Systemen in dem Sinne, das auf einen gezielten Input ein erwarteter<br />

Output folgt, ist nicht möglich. Dazu müssten sie, um die Kybernetik zu bemühen,<br />

triviale Maschinen sein. Aber soziale Systeme sind sogar mehr als die bereits nicht<br />

mehr ‚1:1’ (Input : Output) steuerbaren nicht-trivialen Maschinen. 134 Neben dem das<br />

Systemverhalten beeinflussenden inneren Zustand des Systems wird auch noch der<br />

Input transformiert, so dass gleich zwei nicht genau vorhersagbaren Variablen auf<br />

den Output wirken. Dies könnte in letzter Konsequenz zu dem Schluss führen, dass<br />

der Gedanke an die Steuerbarkeit sozialer Systeme aufgegeben werden muss.<br />

An dieser Stelle soll aber die Diskussion der Steuerbarkeit sozialer Systeme<br />

zunächst abgebrochen werden, da diesem zentralen Thema deutlich mehr Raum<br />

gegeben werden muss. In Kap. 2.3 wird sich dann intensiv mit der eben<br />

aufgeworfenen Frage der Unmöglichkeit der direkten Steuerung befasst werden.<br />

Durch das Konstrukt der ‚Letztelemente’ sozialer Systeme als Kommunikationen, die<br />

sich in einem basal-selbstreferentiellen Prozess <strong>im</strong>mer wieder selbst hervorbringen,<br />

folgt für Luhmann systemtheoretisch, „daß es für Kommunikationen kein<br />

entsprechendes Umweltkorrelat geben kann.“ 135 Kommunikationen finden nur in<br />

Systemen statt und wenn auch unbestreitbar in der Umwelt sozialer Systeme<br />

wiederum andere soziale Systeme zu finden sind, so gibt es keine direkte<br />

Verknüpfung, mittels der soziale Systeme direkt miteinander durch<br />

Kommunikationen in Kontakt treten können. Wenn Systeme sich durch ihre<br />

spezifische (durch systemspezifischen Sinn belegte) Kommunikationen<br />

konstituieren, können diese nicht außerhalb der Systemgrenzen in gleicher (d.h.<br />

direkt anschlussfähiger) Weise vorkommen. Dies betrifft auch den Austausch<br />

zwischen sozialen und psychischen Systemen. Psychische Systeme sind für das<br />

soziale System ebenfalls Umwelt (und nicht etwa Element!), sie schließen Gedanken<br />

an Gedanken an, während soziale Systeme Kommunikationen an Kommunikationen<br />

anschließen. Folgerichtig konstatieren daher Kneer/Nassehi: "es ist für uns<br />

unmöglich, in die Köpfe unserer Kommunikationspartner hineinzusehen, wir werden<br />

niemals - auch mit Hilfe der Kommunikation nicht - erfahren, was sie denken. Die<br />

beteiligten psychischen Systeme bleiben füreinander intransparent, sie bleiben black<br />

boxes. [...] Die Kommunikation kommuniziert und denkt nicht. Und: Das Bewußtsein<br />

denkt und kommuniziert nicht." (Kneer, Nassehi 1993, S. 72–73)<br />

Nicht desto trotz gibt es aber natürlich einen Kontakt zwischen System und Umwelt,<br />

nur eben nicht durch direkten Anschluss von systemübergreifenden<br />

Kommunikationen und auch nicht durch direkten Austausch von Informationen. Zu<br />

Informationen werden Gegebenheiten außerhalb der Systemgrenzen erst durch<br />

Vollzug der bereits in Kap. 2.2.2.3 dargestellten drei Selektionen innerhalb der durch<br />

Sinn vorgegebenen Grenzen. 136 Das System steuert also die<br />

Informationsverarbeitung von Umweltsignalen, hat aber auf diese selbst keinen<br />

Einfluss, da sie ja außerhalb der Systemgrenzen entstehen. So selektiert das<br />

System, das, was es beobachtet, aber auch die Umwelt (z.B. andere Systeme) kann<br />

selektieren, was in den Beobachtungsbereich des Systems gelangt. Durch die<br />

beidseitige Selektion entsteht eine Wechselwirkung, die Luhmann so beschreibt:<br />

134<br />

vgl. zu nicht-trivialen Maschinen z.B. von Foerster 1988, S. 23<br />

135<br />

Luhmann 1987, S. 200<br />

136<br />

s. Luhmann 1987, S. 104 – vgl. dazu auch Kneer, Nassehi 1993, S. 83 und Becker, Reinhardt-<br />

Becker 2001, S. 73<br />

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