Systemsteuerung im Case Management

oder teilweise widersprechendes Set an Erwartungen an Handlungen gestellt wird:
Hohe Qualität auf dem letzten Stand der Technik zu einem konkurrenzlos günstigen
Preis mit rationellster Fertigungsmethodik zu produzieren und damit mit geringsten
Entwicklungskosten hohe Gewinne zu machen ist die Summe der üblichen
Erwartungen an neue Produkte, die aber geradezu nach Entscheidungen ‚schreien’.
Entscheidungen, auch die gerade skizzierte, konstituieren damit auch wieder Sinn
(‚wir sind die billigsten’) und machen das System zum System. 127 Gleichzeitig
verändern Entscheidungen auch die Kontingenz des Möglichen. Vor der
Entscheidung sind die Alternativen (zumindest soweit sie überblickt werden) klar
ersichtlich und es gibt stets mehrere Möglichkeiten für die Entscheidung. Man kann
sie durch Begründungen absichern, bewährte und im System etablierte Verfahren
wählen oder einfach die Entscheidung aufschieben, zumindest so lange dies von der
Art der geforderten Entscheidung er möglich ist, allein Sicherheit geben alle diese
Verfahren nicht, denn: "Wenn Entscheidungen per se riskant sind, birgt auch die
Entscheidung für Sicherheit Risiken." (Kneer, Nassehi 1993, S. 170)
Nach der Entscheidung gibt es die vorherigen Möglichkeiten, unter denen man
wählen konnte nicht mehr, aus der Kontingenz der Entscheidungsmöglichkeiten ist
die Kontingenz der Anschlusshandlungen geworden. 128 Die Entscheidung sieht im
Licht ihrer Anschlusshandlungen, ihrer Folgen, möglicher Weise ganz anders aus,
als sie es vor und während der Entscheidung tat. Entscheidungen kann so ihre
Qualität ändern, je nachdem zu welchem Zeitpunkt man sie betrachtet. 129
Luhmann sieht Entscheidungen aber nicht primär unter dem Zwang der Optimierung
nach den Gesichtspunkten von Effizienz oder Effektivität, sondern, wie bereits
dargestellt, als Suche nach einer günstigen „Konstellierung von Handlung und
Erwartung …“ 130 . Maximierungsstrategien sind daher für ihn „Ausnahmesituationen“,
bei denen Erwartungen nach der einzig richtigen Entscheidung erfüllt werden sollen,
was z.B. in „organisierten Betrieben“ vorkommen kann, aber ansonsten gilt: „Das
normale Leben kommt ohne Superlative aus.“ 131
Auch wenn es unbestreitbar ist, das gerade große Organisationen ein zum Teil
hochformalisiertes Entscheidungsverfahren bemühen, um Entscheidungen (nach
allen Seiten könnte man sagen) abzusichern, so zeigt schon allein die Praxis, dass
vieles selbst mit hoher Tragweite ‚aus dem Bauch heraus’ entschieden wird und
auch etliche der als ‚strategisch’ gepriesenen Entscheidungen sich im Laufe der Zeit
als krasse Fehlentscheidungen erwiesen haben. 132 Kneer/Nassehi kommentieren
dies zutreffend mit dem Satz: "Das Eingreifen in [...] (den) Gang der Welt produziert
ohne Zweifel ein Bewußtsein der Gestaltbarkeit, Veränderbarkeit und Steuerbarkeit
der Welt - dies jedoch muß mit dem Risiko der falschen Entscheidung oder
Unterlassung bezahlt werden." (Kneer, Nassehi 1993, S. 173)
127 so lässt z.B. Joanne K. Rawling in Harry Potter und die Kammer des Schreckens nicht ohne
Berechtigung Dumbledore zu Harry sagen: „Viel mehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere
Entscheidungen, Harry, die zeigen, wer wir wirklich sind.“ Rowling, Fritz 2007, S. 343
128 s. Luhmann 1987, S. 402
129
ders. S. 403
130
ebd.
131
ebd.
132
man denke nur an die inzwischen aufgelöste Daimler-Chrysler Fusion oder an die ebenfalls wieder
beendete Übernahme von Rover durch BMW
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