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Systemsteuerung im Case Management

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Voraussage erzeugte Unbest<strong>im</strong>mtheit.“ 114 Dies nennt Luhmann „doppelte<br />

Kontingenz“. 115 Kontingenz ist für ihn dabei "... was weder notwendig ist noch<br />

unmöglich ist; was also so, wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch anders<br />

möglich ist. Der Begriff bezeichnet mithin Gegebenes (Erfahrens, Erwartetes,<br />

Gedachtes, Phantasiertes) in Hinblick auf mögliches Anderssein; er bezeichnet<br />

Gegenstände <strong>im</strong> Horizont möglicher Abwandlungen." (Luhmann 1987, S. 152).<br />

Doppelte Kontingenz ist dabei nicht nur die reine Verdopplung von Kontingenz, also<br />

Kontingenz von Alter und Kontingenz von Ego (zusammen dann doppelte<br />

Kontingenz), sondern doppelte Kontingenz erfährt jeder Partner der Kommunikation:<br />

Zunächst sind die Selektionen, mit den denen Ego die Mitteilung von Alter wieder in<br />

für ihn aufnehmbare Informationen ‚umwandelt’ für Alter kontingent (das was er als<br />

wahrscheinlich bei Ego antizipiert, ist letzten Endes <strong>im</strong>mer nur eine Möglichkeit von<br />

vielen) und zusätzlich muss Alter mit berücksichtigen, dass Ego <strong>im</strong> Wissen dieser<br />

Bemühungen von Alter Modifikationen <strong>im</strong> ‚Umwandlungsprozess’ vornehmen<br />

könnte, die ihrerseits auch wieder Kontingenz besitzen. Gelingende, also<br />

anschlussfähige Kommunikationen sind dann recht schwer, wenn man sich also<br />

vergegenwärtigen muss, wie der Partner darauf reagieren könnte und durch diese<br />

Vergegenwärtigung selbst (die man natürlich auch dem Partner unterstellen muss)<br />

wider die Reaktion beeinflusst werden kann. Für jeden Partner ist der andere damit<br />

eine „black box“ 116 , deren internen Vorgänge sich jeglicher Einsicht entziehen.<br />

Auch die Kommunikation der der Kommunikation zugrunde liegenden eigenen<br />

Intentionen bringt keine absolute Lösung, denn: "Aufrichtigkeit ist inkommunikabel,<br />

weil sie durch Kommunikation unaufrichtig wird. Denn Kommunikation setzt die<br />

Differenz von Information und Mitteilung und setzt beide als kontingent voraus. Man<br />

kann dann sehr wohl auch über sich selbst etwas mitteilen, über eigene Zustände,<br />

St<strong>im</strong>mungen, Einstellungen, Absichten; dies aber nur so, daß man sich selbst als<br />

Kontext von Informationen vorführt, die auch anders ausfallen könnten. Daher setzt<br />

Kommunikation einen alles untergreifenden, universellen, unbehebbaren Verdacht<br />

frei, und alles Beteuern und Beschwichtigen regeneriert nur diesen Verdacht."<br />

(Luhmann 1987, S. 207) Auch dieser Gesichtspunkt soll an dieser Stelle ohne<br />

ausführliche Kommentierung belassen werden, da diese zu tief in die<br />

Kommunikationstheorie führen würde, ohne dass wesentliche Erkenntnisgewinne für<br />

die Steuerung von Hilfesystemen zu erwarten wären. Ganz von der Hand zu weisen<br />

ist aber die Position von Luhmann nicht, wenn man sich alleine vergegenwärtigt,<br />

dass Kommunikation, und das dürfte wenig bestreitbar sein, <strong>im</strong>mer eine Selektion<br />

von Informationen darstellt und man auch bei Kommunikation von Intentionen bei<br />

seinem Partner stets zumindest ein ‚Restrisiko’ belässt, ob die kommunizierten<br />

Informationen wirklich ‚die ganze Wahrheit’ darstellen. 117<br />

Es mag zunächst paradox klingen, dass für Luhmann aber gerade die Erfahrung<br />

doppelter Kontingenz systembildenden Charakter besitzt. Um Kommunikationen an<br />

114<br />

s. Luhmann 1987 S. 171 f.<br />

115<br />

ebd. und umfassender s. S. 148 ff.<br />

116<br />

s. Luhmann 1987, S. 156 – er benutzt hier einen behavioristischen Terminus, bei dem er auf<br />

Ranulph Glanville verweist<br />

117<br />

In den von jedem erlebten und erlebbaren ‚offenen Gesprächen’ (z.B. mit dem Partner) muss man<br />

sich nur selbst beobachten: Auch bei aller Offenheit werden von den vielen <strong>im</strong> Laufe des Gesprächs<br />

entstehenden Gedanken nicht alle auch tatsächlich in Sprache ‚umgewandelt’. Eine Auswahl findet<br />

also <strong>im</strong>mer statt und weil man dies weiß, weiß man es auch von dem Partner.<br />

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