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Systemsteuerung im Case Management

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„geschlossen-selbstreferentiell reproduzierten Sinn hineinprojiziert“ 107 werden muss.<br />

Im Sinne des erwähnten ‚Filters’ ist Sinn eine Differenz des „aktuell Gegegebenen“<br />

und dem auf dieser Grundlage Möglichem 108 . "Sinn ist basal instabil, nur so kann<br />

Realität für Zwecke emergenter Systembildung als Sinn behandelt werden. [...] Sinn<br />

ist laufendes Aktualisieren von Möglichkeiten. [...] Und Sinn haben heißt eben: daß<br />

eine der anschließenden Möglichkeiten als Nachfolgeaktualität gewählt werden kann<br />

und gewählt werden muß, sobald das jeweils Aktuelle verblaßt, ausdünnt, seine<br />

Aktualität aus eigener Instabilität selbst aufgibt." (Luhmann 1987, S. 99–100). Sinn<br />

reduziert damit das <strong>im</strong> System Mögliche, da letztendlich nur über Sinn eine Differenz<br />

zwischen unterschiedlichen sozialen Systemen bewirkt werden kann. Sinn ist daher<br />

das identitätsstiftende Moment sozialer Systeme. Ohne Sinn kein System. Sinn<br />

kanalisiert, filtert zwar Beobachtung und Kommunikationen, aber schließt<br />

Beobachtungen und Kommunikationen nicht aus: "Sinnsystemen ist zwar <strong>im</strong> Prinzip<br />

alles zugänglich, aber alles nur in der Form von Sinn. Universalität heißt auch in<br />

dieser Hinsicht nicht Ausschließlichkeit. Aber alles, was in der Welt der Sinnsysteme<br />

rezipiert und bearbeitet werden kann, muß diese Form von Sinn annehmen; sonst<br />

bleibt es momenthafter Impuls, dunkle St<strong>im</strong>mung oder auch greller Schreck ohne<br />

Verknüpfbarkeit, ohne Kommunikabilität, ohne Effekt <strong>im</strong> System." (Luhmann 1987,<br />

S. 97–98). Der umgangssprachlich viel verwendete Begriff der ‚Sinnlosigkeit’ hat<br />

damit keinen Platz in der Theorie sozialer Systeme, Sinn ist "… eine unnegierbare<br />

Kategorie: Psychische und soziale Systeme sind an das Phänomen Sinn gebunden,<br />

sie können also nicht sinnlos operieren. Auch bei dem Gedanken, etwas sei sinnlos<br />

oder bei der Kommunikation, ein Sinnverlust sei eingetreten, handelt es sich um ein<br />

Neuarrangieren der sinnkonstituiven Differenz von Aktualität und Möglichkeit.<br />

Insofern kann Sinn nicht negiert werden. Sinn verweist stets wieder auf Sinn."<br />

(Kneer, Nassehi 1993, S. 78). Sinnlosigkeit oder noch leichter fassbar, sinnloses<br />

Handeln ist daher nur ein Konstrukt eines (systemfremden) Beobachters und<br />

bedeutet nicht mehr und nicht weniger, die die (für) beobachteten Handlungen eines<br />

Systems für das Sinnsystem des Beobachters keine Kompatibilität aufweisen.<br />

Um einen ganz extremen Fall unterschiedlicher Sinnkonstruktionen zu nehmen: Die<br />

Analyse der Amokforschung hat gezeigt, dass für die Täter (Amokläufer – z.B. an<br />

Schulen) das Geschehen in der Tat eine sinnhafte Handlung war, während alle<br />

anderen und wir als „Zuschauer“ fassungslos dieser „sinnlosen“ Tat begegnen. Es<br />

zeigt sich dabei auch, dass das System „Amokläufer“ eine ziemliche Zeit der<br />

Abgrenzung (d.h. des eigenen Sinnaufbaus) benötigt, um eine solche Tat begehen<br />

zu können. Mit diesem – zugegeben – sehr extremen Beispiel lässt sich aber<br />

erkennen, dass „sinnloses Handeln“ lediglich eine Zuschreibung von Beobachtern<br />

ist, für Systeme aber stets Sinngebundenheit besteht. 109<br />

Sinn ist damit das zentrale Unterscheidungselement sozialer Systeme: "Sinnhaft<br />

operierende Systeme müssen sinnhaft, also sachlich, zeitlich und sozial ausweisen,<br />

was in einem System wann vom wem erwartet bzw. nicht erwartet werden kann.<br />

Systembildung geschieht dann sozusagen um best<strong>im</strong>mte Sinnhorizonte herum.<br />

Spezialisiert sich ein System etwa auf eine best<strong>im</strong>mte Aufgabe, so läßt sich an der<br />

107<br />

Luhmann 1987, S. 111<br />

108<br />

ebd.<br />

109<br />

vgl. dazu z.B. Hoffmann, Wondrak 2007 – Anmerkung: Die Verknüpfung von Amokläufen und<br />

„sinnhaften Handeln“ ist nicht als Legit<strong>im</strong>ierung solcher Taten sondern nur als das zu verstehen, was<br />

es ist: eine Erklärung!<br />

Seite 38

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