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Systemsteuerung im Case Management

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Kommunikation ist in der Systemtheorie nicht derselbe zweistufige Prozess einer<br />

Mitteilung zwischen einem Sender (erste Stufe: senden) und einem Empfänger<br />

(zweite Stufe: empfangen), wie ihn ansonsten die Kommunikationstheorie<br />

verwendet 102 , sondern "Kommunikation ist Prozessieren von Selektion." (Luhmann<br />

1987, S. 194) Der dadurch zustande kommende Selektionsprozess ist ein<br />

dreistufiger, der Luhmann am Beispiel von Alter (Kommunikant) und Ego (Rezipient)<br />

erläutert. Alter muss zunächst eine Selektion einer Information „aus einem<br />

(bekannten oder unbekannten) Repertoire von Möglichkeiten“ 103 vornehmen.<br />

Anschließend ist eine weitere Selektion, der des ‚Transportmediums’ der<br />

Information, erforderlich, wobei die Gewolltheit der Selektion (absichtlich oder<br />

unabsichtlich) vernachlässigbar ist. Die zweite Selektion ist also eine Selektion des<br />

Verhaltens, mit dem oder besser durch das die Information übermittelt wird. Die<br />

dritte Selektion ist schließlich die Unterscheidung der Information von ihrer<br />

Mitteilung. Die Mitteilung ist dabei der „Akt der Übertragung“ 104 , die für Ego „ein<br />

Selektionsvorschlag, eine Anregung“ 105 ist, den er annehmen oder verwerfen kann.<br />

Auch dieses Begriffsgebäude ist nicht einfach zu fassen. Man muss sich den<br />

dreistufigen Kommunikationsprozess so vorstellen, dass die erste Selektion der<br />

Information noch ein ‚<strong>im</strong>’ Kommunikanten (Alter) stattfindender Prozess ist, ebenso<br />

wie die zweite Selektion des ‚Transportmediums’ der selektierten Information. Das<br />

was dann nach ‚außen’ (zu Ego) geht, also die selektierte Information auf dem<br />

selektierten Medium ist dann die Mitteilung. Sie ist nicht mehr dasselbe wie die<br />

selektierte Information, sondern wiederum eine Auswahl aus mehreren<br />

Möglichkeiten. Auf der Ebene der Kommunikation zwischen psychischen Systemen<br />

sind die ersten beiden Selektionen ‚Gedanken’, die dann als Mitteilung z.B. in<br />

Sprache (als bewusste zweite Selektion) und <strong>im</strong>mer auch Körpersprache (als<br />

zumindest Dualität von bewusster und unbewusster Selektion) umgesetzt werden.<br />

Dass das, was gesprochen (und an Körpersprache gezeigt) wird, nicht absolut<br />

identisch mit den zuvor erfolgten Gedankengängen sein wird, ist naheliegend und<br />

macht so die Vorstellung des Ablaufs des zuvor skizzierten dreistufig selektierenden<br />

Kommunikationsprozesses deutlicher.<br />

Um damit aber die selbstreferentiell bewirkte Reproduktion sozialer Systeme, die<br />

sich ja <strong>im</strong>mer auch als eine Differenz zu ihrer Umwelt konstruieren, bewirken zu<br />

können, ist eine weitere Überlegung erforderlich. Reproduktion als Differenz zur<br />

Umwelt erfordert, dass die reproduzierten Elemente, also die Kommunikationen,<br />

‚systemkompatibel’ sind – wären sie es nicht, gäbe es keine Differenz mehr zur<br />

Umwelt – das System würde mit ihr verschmelzen und seine Existenz verlieren. 106<br />

Es bedarf also eines ‚Filters’, eines weiteren Selektionsmechanismus, der<br />

sicherstellt, dass nur solche Kommunikationen produziert werden, die diese<br />

‚Systemkompatibilität’ aufweisen. Diesen Selektionsmechanismus nennt Luhmann<br />

„Sinn“. Sinn führt auch dazu, dass Systeme bei der Beobachtung desselben<br />

Ausschnitts ihrer Umwelt zu unterschiedlichen Feststellungen, eben<br />

systemkompatiblen kommen. Sinn kanalisiert, filtert die Kommunikationen wie auch<br />

die Beobachtungen von Systemen, in die der zugrundeliegenden Unterscheidung<br />

102 vgl. z.B. Watzlawick et al. 1982 S. 50 ff.<br />

103<br />

Luhmann 1987, S. 195<br />

104<br />

Luhmann 1987, S. 193<br />

105<br />

s. Luhmann 1987, S. 194<br />

106<br />

vgl. Becker, Reinhardt-Becker 2001, S. 50<br />

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