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Systemsteuerung im Case Management

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Zur Konstruktion der systembildenden System-Umwelt-Differenz wie auch zur<br />

weiteren Reproduktion ist daher sowohl die Beobachtung der Umwelt als auch die<br />

Selbstbeobachtung des Systems erforderlich. Nur durch die Kombination der<br />

Beobachtung nach innen (Selbstbeobachtung) und der nach außen (Beobachtung<br />

der Umwelt) ergibt sich für das System die Abgrenzung von der Umwelt, die auch<br />

als Grundlage dafür dient, dass die systemerhaltene Reproduktion auch tatsächlich<br />

Elemente des Systems und nicht etwa etwas anderes erschaffen kann. 92<br />

Neben den generellen Einschränkungen in der Beobachtung aufgrund der<br />

Grundannahmen des Konstruktivismus ist auch die Selbstbeobachtung noch weiter<br />

eingeschränkt. Bei der Selbstbeobachtung "… weist jedes System einen blinden<br />

Fleck auf, da es sich selbst nicht vollständig beobachten kann, es kann jedoch von<br />

einem weiteren Beobachter beobachtet werden, der diese Beschränkung, ‚den<br />

blinden Fleck‘ sehen kann, da er einen anderen Blickwinkel einn<strong>im</strong>mt." (Beushausen<br />

2002, S. 3 f.) In Anlehnung an die Bildproduktion durch das Auge verwendet die<br />

Systemtheorie hierzu den Begriff des ‚blinden Flecks’, der die Möglichkeiten zur<br />

Selbstbeobachtung von sozialen Systemen (wie auch von psychischen Systemen)<br />

begrenzt. Da Beobachtung <strong>im</strong>mer auch eine Unterscheidung erfordert (die dann zu<br />

einer Bezeichnung des so Unterschiedenen führt) gibt es zwangsweise für diese<br />

auch eine Entscheidung, anhand dieser dann unterschieden werden kann. Ein Bayer<br />

wird so andere in Bayern lebende Menschen möglicherweise in Altbayern, Franken<br />

oder Schwaben (usw. – und natürlich in ‚Preißn’) unterscheiden, während ein<br />

Hamburger höchstens nach Bayern und „Zugereisten“ differenzieren wird und einem<br />

Neuseeländer gar alle als Deutsche vorkommen mögen. Unterschiedliche<br />

Unterscheidungen werden hier gut deutlich – was ist aber mit dem beobachtenden<br />

Bayern selbst, d.h. wenn er sich selbst beobachtet? Legt er an sich denselben<br />

Maßstab an? 93<br />

Eine vollständige Beobachtung kann so leicht zu einem Problem führen, das Kneer /<br />

Nassehi wie folgt beschreiben: "Zum einen sind soziale Systeme selbstreferentiell<br />

strukturiert; zum anderen verwenden sie best<strong>im</strong>mte Unterscheidungen.<br />

Unterscheidungen [...] liegen allen Beobachtungen zugrunde. Ein Paradox ist somit<br />

<strong>im</strong>mer ein Problem des beobachtenden Systems. Jede Beobachtung, die<br />

Vollständigkeit beabsichtigt, verstrickt sich, sobald sie sich selbstreferentiell mit<br />

einbezieht, in eine Paradoxie. [...] Die beobachtungsleitende Unterscheidung fungiert<br />

als der blinde Fleck der Beobachtung: Die Beobachtung kann ihre<br />

beobachtungsleitende Unterscheidung nicht beobachten, ohne in Paradoxien der<br />

Selbstanwendung zu geraten." (Kneer, Nassehi 1993, S. 106).<br />

Hiermit wird zugleich auf einen weiteren Begriff der Systemtheorie verwiesen, der<br />

bisher noch nicht erläutert wurde: Die Selbstreferenz sozialer Systeme. Luhmann<br />

definiert dabei Referenz wie folgt: "Wir wollen damit eine Operation bezeichnen, die<br />

aus den Elementen der Unterscheidung und der Bezeichnung […] besteht. Es<br />

handelt sich also um die Bezeichnung von etwas <strong>im</strong> Kontext einer (ebenfalls operativ<br />

92 Luhmann 1987, S. 63<br />

93 Die Wahl des Beispiels hat nichts mit landsmannschaftlichen Zu- und Abneigungen des Verfassers<br />

zu tun – dies sei der Vollständigkeit halber an dieser Stelle angemerkt. Durch viele Jahre in Bayern<br />

sind aber die dort z.T. vorzufindenden Unterscheidungen gut geläufig und kamen daher schnell in<br />

den Sinn, als es angebracht erschien, eine recht theoretische Darstellung durch ein praktisches<br />

Beispiel plastischer zu machen.<br />

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