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Systemsteuerung im Case Management

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Hofnarr durfte als Spaßmacher das sagen, was anderen Anwesenden am Hofe<br />

verboten war. Die Autorität der Hierarchie (des Herrschers) wurde so nicht in Frage<br />

gestellt (und damit die Struktur geschützt), aber brisante Themen hatten dennoch<br />

eine Möglichkeit (wenn auch sehr begrenzt) der Artikulation und damit der Chance<br />

auf Behandlung durch die Hierarchie. Wenn wir heute in Organisationen die<br />

formalen und die informellen Strukturen betrachten 85 , finden sich auch hierin Formen<br />

strukturfunktionaler Latenz, ohne dass eine Reise in die Vergangenheit dafür<br />

erforderlich ist.<br />

Als zu Alternativentwurf zur hierarchischen Strukturierung sieht Luhmann eine<br />

funktionale Strukturierung, die dann eine „erstrangige Bedeutung“ gewinnt, wenn<br />

Systeme für eine hierarchische Strukturierung zu komplex werden. 86 Statt einer<br />

stratifikatorischen Differenzierung früherer Gesellschaften (z.B. die<br />

Feudalgesellschaft) führt eine funktional differenzierte Gesellschaft zur Ausbildung<br />

von Subsystemen, die wiederum als Systeme <strong>im</strong> System Gesellschaft eine<br />

weitgehende Unabhängigkeit genießen. Zu solchen Funktionssystemen zählt<br />

Luhmann das politische System, das Wirtschaftssystem, das Wissenschaftssystem,<br />

das Rechtssystem und das Erziehungssystem. 87 Durch weitgehende Offenheit für<br />

die Gestaltung der Funktionserfüllung und die Möglichkeit, des „füreinander<br />

einspringens“ erzeugt eine funktionale Strukturierung zusätzlich Redundanz für das<br />

System, was zusätzliche Sicherheit für den Systemerhalt bringt. 88<br />

In wie weit die strukturellen Ausdifferenzierungen in (Wirtschafts-) Organisationen<br />

ebenfalls als funktionale oder doch als hierarchische Strukturierung angesehen<br />

werden können, bleibt aber <strong>im</strong> Dunkeln. Obwohl gerade Organisationen trotz allem<br />

‚lean management’ klar erkennbare hierarchische Elemente aufweisen, spricht doch<br />

einiges für eine funktionale Sichtweise. Anders wäre es nicht erklärbar, dass es<br />

<strong>im</strong>mer wieder bei der Entwicklung von Produkten zu ‚klassischen’ Konflikte zwischen<br />

Verkauf, Entwicklung und Fertigung kommt, die dann entweder durch die Hierarchie<br />

mühsam geschlichtet oder durch die Aufstellung von funktionsübergreifenden<br />

Projektteams min<strong>im</strong>iert werden müssen. Jeder Funktionsbereich arbeitet als System<br />

(<strong>im</strong> System), hat seine Abgrenzung zu allem anderen – also der Umwelt – und seine<br />

eigenen Sicht der Interpretation der Umwelteinflüsse: Der Verkauf will billige und<br />

gefällige Produkte, die Entwicklung solche auf dem neusten Stand der Technik und<br />

die Fertigung einfach zu produzierende. Und jeder Bereich gibt an, nur zum Besten<br />

des Unternehmens tätig sein zu wollen – und ist davon auch überzeugt.<br />

Vorsitz einer Frau über die rechte Minne „verhandelt“ wurde, d.h. <strong>im</strong> Gegensatz zu männlich<br />

besetzten „normalen“ Gerichten war hier eine Frau die Richterin, denen sich die Männer<br />

unterzuordnen hatten – s. z.B. <strong>im</strong> Internet unter http://de.wikipedia.org/wiki/Minnehof<br />

85 z.B. das von Edgar Schein begründete Modell einer Organisation als Eisberg – s. Schein 2006<br />

86 Luhmann 1987, S. 406<br />

87 Luhmann 1987 S. 624 ff.<br />

88 Luhmann 1987, S. 406 – anders dagegen Günter Küppers: "Während natürliche Systeme<br />

strukturbildend sind, sind soziale Systeme regelgenerierend, d.h. informationserzeugend: Der<br />

Umgang mit der Unsicherheit des Unregulierten führt zur Regelbildung und die Regeln reduzieren die<br />

Unsicherheit." Küppers 1999, S. 355 – der Unterschied lässt sich aber m.E. dann auflösen, wenn die<br />

Komplexität des jeweiligen Systems betrachtet wird. Hochkomplexe Systeme dürften ohne<br />

Strukturierung nicht auskommen während kleinere, weniger komplexe Systeme mit Regeln eine<br />

durchaus brauchbare Selektionsmöglichkeit (und damit Komplexitätsverminderung) erschaffen<br />

können.<br />

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