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Systemsteuerung im Case Management

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anderseits benötigen Systeme auch Komplexität zu ihrer Selbsterhaltung, vor allem<br />

dann, wenn Operationen (Aufgaben) nicht mehr zufriedenstellend mit den bisherig<br />

selektierten Prozessen auszuführen sind.<br />

Nichts anderes will diese Arbeit: Sie blendet Komplexität des ‚Gesamtsystems’ <strong>Case</strong><br />

<strong>Management</strong> aus, indem sie sich nur auf den Teilaspekt der <strong>Systemsteuerung</strong><br />

konzentriert. Zugleich erhält sie aber mit der auf diese Weise vorgenommenen<br />

Komplexitätsreduzierung (von <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> als Ganzes) wieder<br />

Komplexitätsreserven, die dazu verwandt werden, den Teilaspekt der<br />

<strong>Systemsteuerung</strong> in größerer Tiefe zu durchleuchten und in seiner ihm<br />

innewohnenden Komplexität abzubilden.<br />

Das zuvor dargestellte Beispiel mit der Bildung von Subsystemen als parallele<br />

Reduzierung und Ausweitung von Komplexität verweist (zwar nicht zwingend) auf<br />

ein weiteres Strukturierungsinstrument sozialer Systeme: Hierarchien. Diese sind für<br />

Luhmann nicht unbedingtes Erfordernis oder unbedingte Folge der<br />

Ausdifferenzierung sozialer Systeme, aber dennoch vor allen in vielen komplexen<br />

Systemen eine Realität. 76 . Gerade in heutigen Gesellschaftssystemen 77 ist statt<br />

durchgängigen Hierarchien eine Ausdifferenzierung in Funktionen erkennbar.<br />

Luhmann kennzeichnet sie zwar als „vielleicht weniger leistungsstark“ aber auch als<br />

„leichter erreichbar“ 78 . Luhmann sieht Hierarchien gerade bei hoch komplexen<br />

Systemen nicht mehr als das pr<strong>im</strong>äre Strukturierungsinstrument, da sie die Struktur<br />

weniger „straffen würde. 79 Hierarchien sieht er damit vor allem als strukturbildendes<br />

Instrument in Organisationen, da dann Subsysteme in und nur in Subsystemen<br />

gebildet werden können und müssen. 80 Dies erfordert ein hohes Maß an formalen<br />

Regeln, z.B. für Zuständigkeiten bezüglich von Entscheidungen, Interaktionen mit<br />

der Umwelt des Systems usw.. Stark hierarchisierte Systeme, wie z.B. die<br />

mittelalterliche Gesellschaft, bilden dann Parallelstrukturen zur Hierarchie aus, die<br />

Luhmann mit dem Latenzbegriff umreißt. Latenz ist in seinem Sinne nicht „fehlende<br />

Bewusstheit“ 81 , denn diese ist zunächst nur psychischen und damit nicht sozialen<br />

Systemen zuzuordnen. Wenn soziale Systeme sich aus Kommunikationen<br />

konstituieren, muss man hier daher von „Kommunikationslatenz“ 82 sprechen. Diese<br />

kann entweder aus der Unkenntnis oder Nichtberücksichtigung von<br />

Kommunikationen bestehen oder pr<strong>im</strong>är strukturschützende Funktion besitzen. 83<br />

Mögliche Ausprägungen eines solchen Strukturschutzes beschreibt Luhmann u.a.<br />

anhand von mittelalterlichen Eigenarten wie z.B. Hofnarren und „Liebeshöfe“ 84 – der<br />

76 s. Luhmann 1987, S. 405<br />

77 hier wird dem Kap. 2.2.2.5 vorgegriffen, wo Gesellschaftssysteme als Begriff eingeführt werden<br />

78<br />

Luhmann 1987, S. 405<br />

79<br />

Luhmann 1987, S. 406<br />

80<br />

Luhmann 1987, S. 39<br />

81<br />

Luhmann 1987, S. 457<br />

82<br />

Luhmann 1987, S. 458<br />

83<br />

ebd. – Luhmann verwendet hier noch eine dritte Unterscheidung von Kommunikationslatenz, die<br />

faktische Latenz aufgrund der Unmöglichkeit von Wissen. Diese doch eher semantische<br />

Unterscheidung zwischen Unkenntnis und Unmöglichkeit ist aber aus Sicht des Verfassers zu<br />

vernachlässigen, so dass praktisch Latenz in sozialen Systemen entweder als Nichtberücksichtigung<br />

von Kommunikationsthemen oder als Schutzfunktion verwendet wird.<br />

84<br />

Luhmann 1987, S. 461 – mit „Liebeshöfen“ sind die <strong>im</strong> Mittelalter vor allen in Frankreich<br />

anzutreffenden Versammlungen gemeint, in denen analog zu Gerichtsverhandlungen unter dem<br />

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