Systemsteuerung im Case Management
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mit dem Ansatz selbst, eben gerade durch die umfängliche Fallzuständigkeit<br />
segmentierte Hilfeerbringungen überwinden zu können, aber nicht vereinbaren lässt.<br />
Der zentrale Vorteil des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s wird hier organisatorisch ins Gegenteil<br />
verkehrt. Auch negativ zu Buche schlagen die Bestrebungen sowohl von ARGEn /<br />
gA als auch von zkT, durch Schematisierungen Abläufe zu vereinfachen. Dies betrifft<br />
die vor allem die verbreiteten Konzepte der Betreuungsstufen bzw. der<br />
Bewerbertypen, die zunächst versuchen, so etwas Komplexes wie Hilfebedürftigkeit<br />
aufgrund von Arbeitslosigkeit bzw. nicht auskömmlichen Arbeitseinkommens auf<br />
eine Kategorie zu reduzieren, die dann als Leitlinie für die Integrationsarbeit dienen<br />
soll. Mit solchen Leitlinien ist man dann aber wieder bei den Programmen, die schon<br />
Luhmann 1973 als kontraproduktiv identifiziert hatte. 1055 Wenn durch die eindeutig<br />
fehleranfällige Zuordnung zu einer Kategorie zugleich das ‚Regelprogramm’ definiert<br />
ist, was mit dem betreffenden Klienten ‚gemacht’ werden kann, so kanalisiert diese<br />
Vorgehensweise die vom <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> her intendiert prinzipielle Offenheit für<br />
alles, was in einem konkreten Fall an erforderlichen und zweckmäßigen<br />
Hilfeleistungen zuzuordnen wäre. Noch stärker wirken die dabei ‚mitschwingenden’<br />
Exklusionen, d.h. wenn ein einer Kategorie zugeordnetes Hilfeprogramm den<br />
‚Regelumfang’ der Hilfen beschreibt, wird damit zugleich <strong>im</strong>mer auch eine Negierung<br />
eingeschlossen, was für diese Kategorie eben nicht an Hilfen vorgesehen ist. Auch<br />
wenn z.B. in Arbeitsmarktprogrammen oftmals betont wird, dass diese Programme<br />
lediglich Empfehlungen sind, von denen abgewichen werden kann, muss <strong>im</strong>mer<br />
auch bedacht werden, wie intensiv sich die Fallzuständigen wirklich mit dem<br />
Einzelfall befassen können (s. dazu die Ausführungen zum Thema ‚<strong>Case</strong>load’) und<br />
wie qualifiziert sie für die Fallbeurteilung und Hilfeplanung tatsächlich sind. Die<br />
Kompetenzanforderungen an die Fähigkeit, die Inadäquatweit von<br />
‚Regelprogrammen’ festzustellen und durch adäquatere Regelungen zu ersetzen, ist<br />
sicher höher anzusetzen, als die Anforderungen, per se ohne Vorgaben das<br />
Erforderliche festzustellen und zu veranlassen. An Einstufungskategorien<br />
gebundene Handlungsprogramme sind also für die reale Situation <strong>im</strong> SGB II eher<br />
hinderliche Faktoren für die Verwirklichung eines tatsächlichen <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s.<br />
Wenn eben von Kompetenzen der Fallzuständigen die Rede war, so weist dies auf<br />
einen weiteren hinderlichen Faktor in der Wirklichkeit des SGB II hin: Die ‚<strong>Case</strong><br />
<strong>Management</strong> Kompetenz’ der Fallmanager, PAP oder Sachbearbeiter. 1056 Wie<br />
bereits in Kap. 4.3.1 festgestellt, ist diese in der Fläche <strong>im</strong>mer noch unzureichend,<br />
wenn auch mit einer Tendenz zum Besseren. Kombiniert man dann auch noch<br />
unzureichende Kompetenz in der Fallführung mit einem als deutlich zu hoch<br />
einzuschätzenden ‚<strong>Case</strong>load’ und mit Handlungsprogrammen (oder auch nur –<br />
empfehlungen), so kommt eine ‚Gemengelage’ zusammen, die eine am<br />
tatsächlichen individuellen Bedarf 1057 orientierte Allokation von Hilfen eher hemmt als<br />
fördert. Der für die <strong>Systemsteuerung</strong> weiterhin wichtige Faktor des ‚Linkings’ von<br />
Fall- und Systemebene findet so in aller Regel nicht oder nur bruchstückhaft statt, da<br />
schon allein von den Arbeitsbedingungen her keine zutreffenden Erkenntnisse über<br />
die Güte von Hilfeleistungen zu gewinnen sind. Dies würde vor allem erfordern, dass<br />
1055 vgl. dazu Luhmann 1973: „Im großen und ganzen best<strong>im</strong>mt die Optik der Programme das, was an<br />
sozialer Hilfe geschieht, bzw. nicht geschieht.“ (S. 33)<br />
1056 die verwandten Begrifflichkeiten bei den Grundsicherungsträgern sind sehr unterschiedlich ohne<br />
dass damit zwingend auch eine andere Funktion gemeint ist<br />
1057 Dieser Bedarf muss sich zudem am Gesetzesauftrag des SGB II (vgl. § 1 SGB II) wie auch den<br />
Prinzipien von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (vgl. § 17 Abs. 2 SGB II) orientieren.<br />
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