Systemsteuerung im Case Management
Systemsteuerung im Case Management
Systemsteuerung im Case Management
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
"Dass der Gesetzgeber gelegentlich eine ziemlich verwirrende Instanz ist, dass ein<br />
Gesetz in der Regel ein Kompromiss zwischen zahlreichen widerstrebenden<br />
Interessen darstellt, dass auch die, die für die Endredaktion zuständig waren, mit<br />
Widersprüchen leben mussten und dass gelegentlich auch bei Gesetzeswerken<br />
einige Irrlichter am Werk waren, wird in der Regel übersehen, wenn man danach<br />
fragt, was denn der Gesetzgeber meint." (Hinte 2002, S. 116) Weiterhin gab die<br />
Bundesregierung einen Personalschlüssel von 1:75 bei U25 und 1:150 bei Ü25<br />
vor 1049 , der natürlich <strong>im</strong> Vergleich zu 500-700 zu betreuenden Arbeitslosen <strong>im</strong> SGB<br />
III deutlich geringer war 1050 , aber aus Sicht des Verfassers überhaupt nicht<br />
berücksichtigte, dass mit dem ‚Auftrag’, Fallmanagement zu leisten, auch eine<br />
gänzlich andere und vor allem weitaus intensivere Arbeitsweise erforderlich wurde.<br />
Dies ist, wie bereits in Kap. 3.1.1 (insbesondere Abb. 16) dargestellt, nicht bei einem<br />
‚<strong>Case</strong>load’ von 150 Klienten zu leisten, so dass aufgrund der bereits ‚planungsmäßig<br />
vorgesehenen Arbeitsüberlastung’ keine substanzielle Änderung in der Arbeitsweise<br />
der Fallmanager dergestalt erfolgen konnte, dass sie adäquat gegenüber den<br />
Anforderungen des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s gewesen wäre.<br />
Bereits bei der Einführung des SGB II versuchte dann zunächst die BA, die<br />
Leistungsvielfalt, die der § 16 Abs. 2 SGB II prinzipiell eröffnete, durch ihre HEGA 1051<br />
„Sonstige weitere Leistungen“ (SWL), die bereits <strong>im</strong> Januar 2005 den gA und<br />
ARGEn zugestellt wurde, deutlich einzuengen. Durch ihre eigene Wortschöpfung der<br />
„sonstigen“ Leistungen versuchte sie, die generalklauselhafte Intention dieser<br />
Gesetzesnorm als nachrangig und nur auf Einzelfallhilfen zulässig umzudeuten.<br />
Auch wenn diese enge und in Teilen rechtwidrige Auslegung 1052 von vielen<br />
Grundsicherungsträgern nicht oder nicht umfänglich beachtet wurde 1053 , so<br />
reduzierte sie doch die ursprünglich möglichen Spielräume für bedarfsgerechte<br />
Hilfeleistungen. Eine weiterer Faktor, der die Wirksamkeit des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s<br />
reduzierte, lag in den Grundsicherungsträgern selbst und betraf die Gestaltung ihrer<br />
Ablauforganisation. Ein Teil der Grundsicherungsträger organisiert das <strong>Case</strong><br />
<strong>Management</strong> so, dass nur eine Teilzuständigkeit für die übertragenen Fälle besteht,<br />
d.h. <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> wird nachrangig erst nach Zuweisung durch die<br />
fallzuständigen PAP tätig und hat lediglich Vermittlungsfähigkeit herzustellen. 1054<br />
<strong>Case</strong> <strong>Management</strong> wird hier zu einem ‚Teilleistungsmodell’ herabgestuft, was sich<br />
1049 das Originalpapier des BMAS zur Festlegung des Betreuungsschlüssels konnte vom Verfasser<br />
nicht mehr recherchiert werden, als sekundäre Quellen können aber eine Präsentation des hierfür<br />
zuständigen Unterabteilungsleiters <strong>im</strong> BMAS, Dr. Rolf Schmachtenberg dienen (s. Schmachtenberg<br />
25.04.2005) wie auch eine Kreisvorlage des Landkreises Gütersloh zur Personalbedarfsberechung<br />
der ARGE (s. Kreis Gütersloh 01.09.2004) – die tatsächlich erreichten Betreuungsschlüssel lagen<br />
aber noch 2006 mit durchschnittlich 1:192 deutlich höher – s. Strotmann 2007 #216: 88 ff.<br />
1050 s. Göckler 2006, S. 24<br />
1051<br />
Handlungsempfehlung / Geschäftsanweisung – eine Wortschöpfung der BA, mit der sie die gA<br />
anweisen und bei den ARGEn „<strong>im</strong> Sinne der Rechtseinheitlichkeit“ eine Anwendung empfehlen<br />
konnte – vgl. dazu z.B. die HEGA SWL: vom Januar 2005<br />
1052<br />
vgl. zur Rechtwidrigkeit z.B. die Urteilsbegründung des BSG Bundessozialgericht, Urteil vom<br />
23.11.2006 Az B 11b AS 3/05 R. und die zuvor gemachten Ausführungen in Kap. 3.1.4.1<br />
1053<br />
vgl. dazu z.B. die Feststellungen der BA-Revision von 2008: Bundesagentur für Arbeit 2008b S.<br />
12 f.<br />
1054<br />
vgl. dazu Kap. 4.2 und insbesondere die Zusammenfassung in Kap. 4.2.6 – vgl. zur Problematik<br />
der Definition von ‚Vermittlungsfähigkeit’ auch Göckler: „Vermittlungsreife ist kein festgelegter<br />
Zeitpunkt , sondern ein Prozess, der zu begleiten ist“ Göckler 2006, S. 25<br />
Seite 313