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Systemsteuerung im Case Management

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eines sozialen Systems und bestehen somit auch noch fort, wenn Elemente des<br />

Systems ausgewechselt werden. 72 Strukturen <strong>im</strong> Sinne der Systemtheorie dürfen<br />

daher nicht mit den zuvor skizzieren Relationen zwischen den Elementen<br />

gleichgesetzt werden, 73 da Strukturen vor allem dazu dienen, die Möglichkeit der <strong>im</strong><br />

sozialen System zugelassenen Relationen zu begrenzen. 74 "Luhmann begreift die<br />

Strukturen sozialer Systeme als Erwartungsstrukturen. [...] Erwartungen<br />

strukturieren soziale Systeme, indem sie die Möglichkeiten der weiteren<br />

Selbstproduktion von Elementen selektieren und einschränken, indem sie also die<br />

Anschlußfähigkeit von best<strong>im</strong>mten - und nicht von beliebigen - Ereignissen<br />

sicherstellen. [...] Strukturen übernehmen die Funktion der Vor-Auswahl und damit<br />

der Selektionsverstärkung." (Kneer, Nassehi 1993, S. 93–94). Mit der<br />

Strukturbildung selektiert das System daher Einschränkungen, die dadurch die<br />

Bandbreite der zugelassenen Selektionen wiederum einschränken und somit quasi<br />

als Rückkopplung die Strukturen weiter festigen. 75 Soziale Systeme können daher<br />

durch Strukturbildung ihre eigene Komplexität reduzieren und ihre Abläufe<br />

vereinfachen. Strukturell bedingt wird nur ein Ausschnitt des Möglichen <strong>im</strong> System<br />

erwartet, alles andere (was nicht erwartet wird), wird somit nur als Störung, als<br />

enttäuschte Erwartung wahrgenommen und kann so ausgeblendet werden. In wie<br />

weit Störungen aber auch zum Ausgangspunkt für Veränderungen <strong>im</strong> System<br />

werden können, werden wir noch zu diskutieren haben.<br />

Damit kann festgehalten werden: Strukturen als Erwartungsstrukturen reduzieren<br />

das für das System Mögliche und damit die Komplexität. Auf der anderen Seite<br />

können aber Strukturierungen auch wieder dazu beitragen, für das System<br />

zusätzliche Komplexitätsreserven zu generieren, um beispielsweise besser mit<br />

spezifischen Zuständen in seiner Umwelt oder auch mit sich selbst umgehen zu<br />

können. Kneer und Nassehi illustrieren dies recht anschaulich an folgendem<br />

Beispiel:<br />

"Eine Gruppe von Menschen hat ein vorgegebenes Problem zu lösen [...]. Eine<br />

solche Gruppe hat mit einem hohen Grad an Komplexität umzugehen und muß<br />

diese in einem erträglichen Rahmen halten. [...] Wählt die Gruppe aber den Weg,<br />

sich entlang der verschiedenen Problemlagen intern zu differenzieren, so daß<br />

jeweils eine Sub-Gruppe ihren Teil zur Lösung des Gesamtproblems beiträgt, ändert<br />

sich der Komplexitätshaushalt entscheidend. Jede einzelne Sub-Gruppe, also jedes<br />

einzelne Teilsystem, hätte dann ein geringeres Maß an Komplexität zu verarbeiten.<br />

Doch die Regel "geteilte Komplexität, halbe Komplexität" gilt nur auf den ersten<br />

Blick. Denn sofort werden Kapazitäten zum Aufbau einer spezifischen Komplexität<br />

für jedes Teilproblem frei." (Kneer, Nassehi 1993, S. 113–114) Die damit insgesamt<br />

vom System (hier „Gruppe“ genannt) bearbeitete Komplexität wird mit dieser<br />

Methode eher deutlich größer, nur wirkt sie nicht mehr auf das System als Ganzes,<br />

sondern in ‚Portionen’ auf jedes der gebildeten Subsysteme. Die Ambivalenz von<br />

Komplexität für soziale Systeme wird damit deutlich: Einerseits müssen Systeme<br />

diese reduzieren – ‚beherrschbar’ machen, indem sie durch Erwartungsstrukturen<br />

Teile ausblenden und somit als nicht für das System relevant kennzeichnen,<br />

72<br />

Luhmann 1987, S. 383<br />

73<br />

vgl. Kap. 2.1.3<br />

74<br />

Luhmann 1987, S. 384<br />

75 Luhmann 1987, S. 385<br />

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