Systemsteuerung im Case Management

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untersucht hatte und die o.a. Rechtsauffassung bestätigte. 848 Die umfassende Anwendung des Vergaberechts bei der Leistungsbeschaffung im SGB II ist also durchaus zumindest streitig, wenn nicht sogar zu verneinen. Die Position der BA zur Maximierung der Vergaberechtsanwendungen im Rechtskreis des SGB II ist daher nicht nur rechtlich bedenklich, sondern auch aus Sicht des Case Managements absolut kontraproduktiv. (E) Zusammenfassende Bewertung Insgesamt ist aus Sicht des Verfassers festzustellen, dass die BA fest entschlossen ist, Handlungsspielräume im SGB II durch Regelungen wie z.B. „SWL“ oder die Zugangsdefinition zum „beschäftigungsorientierten Fallmanagement“ so weit wie möglich einzuengen. Die Betonung der Anwendung des Vergaberechts läuft neben der ‚Mitnahme’ „fiskalischer Vorteile“ 849 , d.h. Instrumentalisierung für Kosteneinsparungen, in die gleiche Richtung. Das SGB II soll so – zumindest weitgehend – der im SGB III seit einigen Jahren praktizierten ‚Steuerungslogik’ 850 unterworfen werden. Die damit übernommenen Prämissen, eine Konzentration der Ermessensleistungen auf leicht integrierbare ‚Kunden’, den weitgehenden Einsatz kürzerer und kostengünstiger Maßnahmen sowie die möglichst umfassende ‚Programmierung’ von Leistungen durch an Betreuungsstufen (SGB II) bzw. Kundengruppen (SGB III) geknüpfte ‚Handlungsprogramme’ laufen allerdings völlig konträr zu Grundvoraussetzungen eines erfolgreichen Case Managements, das gerade die hohe Flexibilität benötigt, die die BA so hartnäckig zu beschränken versucht. Dabei greift sie so weit wie möglich in Prozesse der ARGEn ein, was möglicher Weise auch ein Grund dafür ist, dass mittlerweile der überwiegende Teil der Landräte – so sie könnten – die Option wählen würden. 851 4.1.4.2 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Das BMAS beteiligt sich zunehmend an der Diskussion um die Auslegung des § 16 Abs. 2 SGB II und übernimmt hier inzwischen umfänglich die zuvor beschriebene Position der BA einschließlich deren Begriffschöpfung der „sonstigen weiteren Leistungen“ (SWL) als Kennzeichnung der in § 16 Abs. 2 SGB II nicht namentlich aufgezählten Leistungen zur Förderung der beruflichen Erst- und Wiedereingliederung. In einem Schreiben vom 2. Januar 2007 bekräftigt das BMAS seine Auffassung, dass SWL nur nachrangig nach den namentlich aufgezählten Leistungen einzusetzen wären und daher „nur in Ausnahmefällen in Betracht 848 vgl. dazu Hessischer Rechnungshof 04.10.2005 – das untersuchte Programm war „HARA“ - Hessisches Aktionsprogramm Regionale Arbeitsmarktpolitik – vgl. dazu. www.esfhessen.de/HARA_PiA.esf 849 vgl. Rixen 2006 850 vgl. zur (neuen) Steuerungslogik der BA z.B. den BA-Geschäftsbericht 2004: Bundesagentur für Arbeit 2005 S. 21 f., der Bericht der 83. Arbeits- und Sozialministerkonferenz vom 16./17.11.2006 – im Internet unter: http://www.saarland.de/dokumente/ressort_justiz_gesundheit_und_soziales/ 83.ASMK_Bericht_der_BA.pdf S. 5: „Die Bundesagentur für Arbeit steuert nicht nach Problemgruppen sondern nach Wirkungsgesichtspunkten.“ 851 vgl. dazu die Pressemitteilung des Deutschen Landkreistages vom 21.04.2008, nach der aktuell 166 von 238 Landräten, die derzeit in ARGEn mit der BA zusammenarbeiten, jetzt die Option wählen würden: Deutscher Landkreistag 21.04.2008 Seite 258

kommen“ könnten. Zudem wären SWL nur als „individuelle, auf die Besonderheit des Einzelfalles ausgerichtete Leistung zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt“ denkbar. 852 Bemerkenswert ist dabei auch, dass zum Zeitpunkt dieses Schreibens bereits das Urteil des Bundessozialgerichts vom 23.11.2006 vorlag, das die namentlichen Aufzählungen höchstrichterlich als eben nicht vorrangig gekennzeichnet hatte: „Die dort genannten Leistungen haben indes lediglich exemplarischen Charakter, wie schon der Wortlaut der Vorschrift (‚insbesondere’) deutlich macht. § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II enthält damit eine Generalklausel für ergänzende Eingliederungsleistungen aller Art“ 853 Ähnlich interpretieren die Bundesländer die betreffende Rechtsnorm und fordern eine weite Auslegung der rechtlichen Bestimmungen. Der Versuch einer Einigung in den unterschiedlichen Positionen von BMAS und Länder wurde am 16.10.2007 abgebrochen. Daraufhin haben die Länder ihre eigene Position zum § 16 Abs. 2 SGB II (in seltener Einigkeit) formuliert (vgl. dazu die Ausführungen im letzten Abschnitt). In einem weiteren Schreiben vom 21. November 2007 854 an die zkT (nachrichtlich auch an die Länder) hat das BMAS ihrerseits wieder ihre bereits o.a. Rechtsauffassung bekräftigt, allerdings ohne weiterhin die noch im Januar verwandte Formulierung der „sonstigen“ weiteren Leistungen zu verwenden. Zumindest in sprachlicher Hinsicht ist das BMAS den Ländern entgegengekommen, inhaltlich ist aber eher eine Verschärfung der Gegensätze festzustellen. So fordert das BMAS bis auf Ausnahmen die Anwendung vergaberechtlicher Verfahren auch im Bereich des § 16 Abs. 2 SGB II. Das BMAS stützt sich in seiner Auffassung auf (leider nicht zur Veröffentlichung freigegebene) Prüfungsberichte des Bundesrechnungshofes vom 19.05.2006 und ganz aktuell vom 29.04.2008 855 Die Bundesländer indes fordern auf einer Sonderkonferenz am 9. Mai 2008 erneut die Bundesregierung auf, „die restriktive Auslegung des § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II aufzugeben“ 856 Interessant ist weiterhin, dass es praktisch außer BMAS und BA keinen weiteren Befürworter dieser Position gibt. Bundesländer, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städtetag, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Bündnis90/Die Grünen, das ‚Netzwerk SGB II’ 857 , die Wohlfahrtsverbände und die Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit sind einmütig 852 BMAS 2007b – wörtliche Zitate auf S. 3 853 Bundessozialgericht, Urteil vom 23.11.2006 Az B 11b AS 3/05 R. – Nr. 18 854 vgl. BMAS 2007c 855 Die beiden BRH-Berichte kursieren zwar im Internet, sind aber vom BRH ausdrücklich von der Veröffentlichung ausgenommen, so dass eine nähere Beleuchtung der Stellungnahmen und ihrer Verwendung in der Positionierung des BMAS hier leider aus rechtlichen Erwägungen nicht erfolgen kann – der Verfasser bedauert, dass der BRH die hierzu benötigte Freigabe ausdrücklich verweigert hat – aus öffentlich zugänglichen Quellen, z.B. Anfragen von Bundestagsfraktionen an die Bundesregierung in Bezug auf die jeweiligen Berichte, kann lediglich der Inhalt der beiden Prüfberichte abgeschätzt werden. Da aber nicht bestimmbar ist, in wie weit inhaltlich zitierte Passagen stimmig sind oder z.B. aus dem Zusammenhang gerissen wurden, ist eine Verwendung dieser Quellen wenig sinnvoll – vgl. zu Anfragen z.B. BT-Drucks. 16/3416 v. 14.11.2006 und BT- Drucks. 16/9278 v. 23.05.2008 – im Internet unter http://www.bundestag.de/bic/drucksachen/index.html 856 Bundesländer 2008 857 ein Zusammenschluss der Grundsicherungsträger zum gegenseitigen Informationsaustausch – im Internet unter http://www.sgb-ii.net/portal - das Internet-Portal wird vom Verein bp:k – Beschäftigungspolitik: kommunal e.V. (Internetseite: http://beschaeftigung-kommunal.de/) betrieben, dessen Vorsitzender Dr. Schulze-Böing zugleich Geschäftsführer der ARGE Stadt Offenbach ist Seite 259

untersucht hatte und die o.a. Rechtsauffassung bestätigte. 848 Die umfassende<br />

Anwendung des Vergaberechts bei der Leistungsbeschaffung <strong>im</strong> SGB II ist also<br />

durchaus zumindest streitig, wenn nicht sogar zu verneinen. Die Position der BA zur<br />

Max<strong>im</strong>ierung der Vergaberechtsanwendungen <strong>im</strong> Rechtskreis des SGB II ist daher<br />

nicht nur rechtlich bedenklich, sondern auch aus Sicht des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s<br />

absolut kontraproduktiv.<br />

(E) Zusammenfassende Bewertung<br />

Insgesamt ist aus Sicht des Verfassers festzustellen, dass die BA fest entschlossen<br />

ist, Handlungsspielräume <strong>im</strong> SGB II durch Regelungen wie z.B. „SWL“ oder die<br />

Zugangsdefinition zum „beschäftigungsorientierten Fallmanagement“ so weit wie<br />

möglich einzuengen. Die Betonung der Anwendung des Vergaberechts läuft neben<br />

der ‚Mitnahme’ „fiskalischer Vorteile“ 849 , d.h. Instrumentalisierung für<br />

Kosteneinsparungen, in die gleiche Richtung. Das SGB II soll so – zumindest<br />

weitgehend – der <strong>im</strong> SGB III seit einigen Jahren praktizierten ‚Steuerungslogik’ 850<br />

unterworfen werden. Die damit übernommenen Prämissen, eine Konzentration der<br />

Ermessensleistungen auf leicht integrierbare ‚Kunden’, den weitgehenden Einsatz<br />

kürzerer und kostengünstiger Maßnahmen sowie die möglichst umfassende<br />

‚Programmierung’ von Leistungen durch an Betreuungsstufen (SGB II) bzw.<br />

Kundengruppen (SGB III) geknüpfte ‚Handlungsprogramme’ laufen allerdings völlig<br />

konträr zu Grundvoraussetzungen eines erfolgreichen <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s, das<br />

gerade die hohe Flexibilität benötigt, die die BA so hartnäckig zu beschränken<br />

versucht. Dabei greift sie so weit wie möglich in Prozesse der ARGEn ein, was<br />

möglicher Weise auch ein Grund dafür ist, dass mittlerweile der überwiegende Teil<br />

der Landräte – so sie könnten – die Option wählen würden. 851<br />

4.1.4.2 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)<br />

Das BMAS beteiligt sich zunehmend an der Diskussion um die Auslegung des § 16<br />

Abs. 2 SGB II und übern<strong>im</strong>mt hier inzwischen umfänglich die zuvor beschriebene<br />

Position der BA einschließlich deren Begriffschöpfung der „sonstigen weiteren<br />

Leistungen“ (SWL) als Kennzeichnung der in § 16 Abs. 2 SGB II nicht namentlich<br />

aufgezählten Leistungen zur Förderung der beruflichen Erst- und<br />

Wiedereingliederung. In einem Schreiben vom 2. Januar 2007 bekräftigt das BMAS<br />

seine Auffassung, dass SWL nur nachrangig nach den namentlich aufgezählten<br />

Leistungen einzusetzen wären und daher „nur in Ausnahmefällen in Betracht<br />

848 vgl. dazu Hessischer Rechnungshof 04.10.2005 – das untersuchte Programm war „HARA“ -<br />

Hessisches Aktionsprogramm Regionale Arbeitsmarktpolitik – vgl. dazu. www.esfhessen.de/HARA_PiA.esf<br />

849 vgl. Rixen 2006<br />

850 vgl. zur (neuen) Steuerungslogik der BA z.B. den BA-Geschäftsbericht 2004: Bundesagentur für<br />

Arbeit 2005 S. 21 f., der Bericht der 83. Arbeits- und Sozialministerkonferenz vom 16./17.11.2006 –<br />

<strong>im</strong> Internet unter: http://www.saarland.de/dokumente/ressort_justiz_gesundheit_und_soziales/<br />

83.ASMK_Bericht_der_BA.pdf S. 5: „Die Bundesagentur für Arbeit steuert nicht nach<br />

Problemgruppen sondern nach Wirkungsgesichtspunkten.“<br />

851 vgl. dazu die Pressemitteilung des Deutschen Landkreistages vom 21.04.2008, nach der aktuell<br />

166 von 238 Landräten, die derzeit in ARGEn mit der BA zusammenarbeiten, jetzt die Option wählen<br />

würden: Deutscher Landkreistag 21.04.2008<br />

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