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Systemsteuerung im Case Management

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"... zu einer Beliebigkeit zu führen, die in einem wissenschaftlichen Kontext<br />

unbrauchbar (ist - Erg. d. Verf.) […], weil man sich bequem auf die <strong>im</strong>munisierende<br />

Position zurückziehe und meine, das beschriebene sei lediglich eine eigene<br />

Wirklichkeitskonstruktion ...". (Beushausen 2002, S. 11)<br />

Dem wird entgegengehalten, dass sich lediglich das Bild von Wissenschaft wandeln<br />

müsse, deren Aufgabe es nicht (mehr) sei, die Realität unverrückbar zu erkennen<br />

(was sie aus konstruktivistischer Sicht einfach nicht kann), sondern vielmehr,<br />

Theorien und Konzepte zu entwickeln, die ohne Anspruch auf dauerhafte Gültigkeit<br />

Lösungsmöglichkeiten praktischer Probleme anbieten. 52 Die Beurteilung solcher<br />

Theorien und Konzepte kann damit aber auch nicht mehr auf der Basis von „wahr“<br />

und „falsch“ erfolgen, weil dies voraussetzen würde, dass es so etwas wie eine von<br />

Menschen erkennbare (und damit als Beurteilungsmaßstab anwendbare) Wahrheit<br />

gibt. Beurteilungsmaßstab muss dann vielmehr die Brauchbarkeit der Theorie, des<br />

Konzeptes sein, d.h. ob aus ihr der Forschungsgegenstand oder die Lösung von<br />

Problemen hinreichend und auf möglichst viele Fälle anwendbar beschrieben wird. 53<br />

Die Einschränkung auf „möglichst viele Fälle“, d.h. der Verzicht auf eine<br />

Allgemeingültigkeit ist schon allein deshalb zu machen, weil es einen<br />

Absolutheitsanspruch aufgrund von Einschränkungen des Beobachters nicht geben<br />

kann.<br />

Der „Erlanger Konstruktivismus“ 54 beschreitet dagegen einen anderen Weg, indem<br />

versucht wird, diskursiv Basissätze von Theorien zu best<strong>im</strong>men, auf die dann ein<br />

Theoriegebäude widerspruchsfrei gesetzt werden kann:<br />

"Ein Satz soll als ‚wahr‘ gelten, wenn ihm in einem unvoreingenommenen Diskurs,<br />

einer idealen Sprechsituation, jeder Sachkundige und Gutwillige zust<strong>im</strong>men kann.<br />

[…] Wenn eine wissenschaftliche Theorie in diesem Sinne als begründet gelten soll,<br />

so müssen die ersten Sätze dieser Theorie, die ja Ihrerseits nicht wieder aus Sätzen<br />

abgeleitet werden können, in einem solchen Diskurs Zust<strong>im</strong>mung finden können. In<br />

schrittweisem Aufbau sollen dann aus diesen ersten Sätzen begründete Theorien<br />

entstehen." (Zitterbach 1991, S. 80) Die folgenden Sätze dürfen sich dabei aber nur<br />

aus den ersten Sätzen (vom Verfasser Basissätze genannt) oder aus analog<br />

erzeugten anderen Theoriegebäuden logisch ergeben und keine zusätzlichen<br />

Annahmen oder Voraussetzungen einführen.<br />

Eine Wissenschaftskonstruktion ist mit dieser Methode allerdings nur bei<br />

elementaren Disziplinen wie Mathematik oder Logik anwendbar und stößt bei<br />

komplexeren Sachverhalten schnell an seine Grenzen. 55 N<strong>im</strong>mt man den<br />

Unvollständigkeitssatz von Kurt Gödel als gegeben an: "Jedes hinreichend mächtige<br />

formale System ist entweder widersprüchlich oder unvollständig." 56 , so sind selbst<br />

mathematischen Theorien nicht widerspruchsfrei konstruierbar. Die vollständige<br />

Anwendung des Ansatzes des Erlanger Konstruktivismus selbst bei der<br />

Beschränkung auf mathematische Theorien wird hiermit in seine Grenzen<br />

52<br />

vgl. Herwig-Lempp 1987<br />

53<br />

vgl. Beushausen 2002<br />

54<br />

durch seine an der Uni Erlangen wirkenden Protagonisten Wilhelm Kamlah und Paul Lorenzen so<br />

benannt – eine zusammenfassende Darstellung findet sich z.B. in Zitterbach 1991<br />

55<br />

s. Zitterbach 1991, S. 84<br />

56 Gödel 1930 S. 173 f.<br />

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