Systemsteuerung im Case Management

Systemsteuerung im Case Management Systemsteuerung im Case Management

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Steuerungsanspruch aber dann nicht im Wege, wenn sich die Primärforderung einer Optimierung der klientenorientierten Hilfen damit trotz aller Steuerungsproblematik realisieren lässt. Zudem besteht weiterhin zumeist die Option, eine engere Verzahnung mit dem Case Management, d.h. auch, sich mehr dessen Anforderungen im Hilfeprozess anzupassen, auch dadurch zu erreichen, dass mit übergeordneten Organisationen, z.B. regionalen und überregionalen Verbänden über eine grundsätzliche Zusammenarbeit gesprochen wird. Hierzu ist dann aber auch der übergeordnete Fachverband der Case Management betreibenden Organisation gefordert, der sich einerseits über die Kostensträgerstruktur ergeben könnte (z.B. im SGB II der Deutsche Landkreistag, Deutscher Städtetag, Deutscher Städte- und Gemeindebund, die BA oder sogar das BMAS selbst) oder andererseits auch durch die jeweilige Fachgruppe der DGCC übernommen werden könnte. Leider sind aber derzeit hierzu keine Ansätze zu erkennen. 3.8 Effektivität und Effizienz als Handlungskriterien in der (Fall- und) Systemsteuerung Dem Case Management wird zum Teil vorgeworfen, es diene sich dem zunehmend auf Effizienz bedachten Sozialstaat als „geradezu wundersames Instrument der Sozialpolitik“ an, mit dem Soziale Arbeit „effektiv, effizient, berechenbar, transparent, professionalisiert, kundenorientiert“ 707 wird, sich aber beim genaueren Hinschauen den „neoliberalen Hintergrund des Konzeptes“ 708 enthüllt, womit der aktivierende Wohlfahrtsstaat „eine Rückverlagerung der Risikoverantwortung auf den einzelnen Bürger“ 709 vermittels der „Begrenzung der kostspieligen und als wenig effektiv angesehenen Fremdsteuerung“ 710 verbindet. Das wesentliche Ziel eines aktivierenden Sozialstaates ist so analog zur „Deregulierung und Ökonomisierung“ der Sozialversicherungssysteme in den USA auch in der Bundesrepublik die konsequente Ausrichtung an der Ökonomie. 711 Die für einen derart agierenden Staat tätigen sozialen Dienstleister sind so gezwungen, ihr Handeln stringent nach den Prinzipen von Effektivität und Effizienz auszurichten. 712 Teile dieser Kritik sind nicht ganz unberechtigt, da Publikationen zentraler Vertreter des Case Managements durchaus in dieser Weise interpretiert werden könnten. Wendt spricht vom Case Management, an das sich „explizite ökonomische Erwartungen“ 713 geknüpft sind, die es durch eine „implizite Ökonomie“ erfüllt, da zu 707 Hansen 2005, S. 108 708 ebd. – ähnlich, in Teilen sogar noch kritischer argumentiert Galuske: "Dort, wo die Ressourcen knapper werden, ist Case Management angesagt, um die Reibungsverluste zu minimieren." Galuske 2007, S. 411 709 Hansen (2005 a.a.O) S. 109 – ähnlich Galuske: "Indem sich das Case Management auf die Logik der aktivierenden Fürsorge einlässt, handelt es sich einen Vorwurf ein, der schon die klassische Einzelfallhilfe schwer traf: Sie trägt strukturell zur Individualisierung eines zutiefst sozialen Problems bei." Galuske 2007, S. 414 710 Hansen (2005 a.a.O) S. 109 711 Galuske (2007 a.a.O.) S. 409 f. 712 s. ders. S. 411 713 Wendt 2006a, S. 69 Seite 226

seinem „Wesen die Bewirtschaftung von Ressourcen“ gehört, innerhalb der „Versorgung an die Eigensorge von Menschen“ 714 gebunden wird. Zu dem Methodenset des Case Managements gehört so auch „ein mehr oder minder wirtschaftliches Assessment: statt auf uferlose ‚Ganzheitlichkeit’ setzt ein Case Management auf die Klärung von Präferenzen und Notwendigkeiten und damit auf Reduktion von Komplexität“ 715 . Die damit verbundene ‚Technokratisierung’ der Klientenbeziehung 716 wird oft kritisiert, hierbei beklagen vor allem Neuffer und Hille den Verlust der Beziehungsarbeit durch eine Schwerpunktverlagerung auf koordinierende Aufgaben von Case Managern im Sinne von Wendt. 717 Auch muss zugestanden werden, dass seitens von Kostenträgern (und wohl auch vor allem seitens der Politik) der Begriff der Effizienz mit Kostensenkungen verknüpft wird – gesagt wird ‚effizienter’ aber gemeint wird ‚billiger’. Der Einbezug von Klienten in den Hilfeprozess, oder um mit Wendt zu sprechen, die Verknüpfung der Allokation gesellschaftlicher und individueller Ressourcen zur Fallbearbeitung, ist aber nicht nur legitim, sondern im auch Sinne von Ansätzen der Sozialen Arbeit wie z.B. dem Empowerment 718 , d.h. der Stärkung der individuellen Bewältigungskompetenzen. Case Management ist ein Prozess mit definiertem Anfang und Ende und muss damit erreichen, dass Klienten auch nach der Beendigung von Hilfen die Bewältigung ihrer Probleme ‚eigenmächtig’ besorgen können. Dies gilt auch für den Bereich des SGB II, bei dem zwar mit der Aufnahme einer Beschäftigung aus Sozialversicherungssicht das Problem gelöst ist 719 , individuell es aber sehr oft darum geht, auch die gerade aufgenommene Beschäftigung längerfristig zu erhalten. Die dazu benötigten Kompetenzen müssen im Rahmen des Case Management – Prozesses gestärkt worden sein, was nicht ohne aktiven Einbezug des Klienten möglich ist. 720 Es geht also bei der Kritik einer Ökonomisierung von und durch Case Management nicht um das Prinzip der Zusammenführung von individuellen und kollektiven Ressourcen und die Tatsache, dass koordinierte Hilfen zumeist positivere Kosteneffekte bedingen, als unkoordinierte, z.T. gegeneinander arbeitende Leistungen, sondern mehr darum, dass bewusst oder vielleicht sogar eher unbewusst suggeriert wird, mit Case Management ließe sich Wohlfahrt bedeutend 714 ebd. 715 ders. S. 72 716 vgl. dazu z.B. Wendt’s Sicht der Klientenbeziehung: Wendt 2007c: „Die Unmittelbarkeit, in der die eine Person der anderen begegnet, tritt (auf der Managementebene) zurück hinter der Gestaltung der ganzen fallweisen Aufgabenerledigung …“ (S. 15), „Die sozialprofessionellen Fachkräfte übernehmen im Case Management aber Handlungsvollzüge, die einer anderen Logik folgen, als sie einer unmittelbaren Hilfestellung und einer Zweierbeziehung in ihr angemessen sein mag.“ (S. 16), weil in Beziehungsfragen „ein Realitätsverlust“ drohe (S. 17) bzw. „Im Extremfall besteht die Arbeit fast ausschließlich im Knüpfen an Netzen und im Korrespondieren in ihnen.“ (S. 18) 717 vgl. insbesondere Neuffer 2006a, z.T. auch Neuffer 2006b, sowie Hille 2006: Beide beklagen den Verlust an Beziehungsarbeit durch Konzentration auf die „Systemarbeit“, und befürchten, dass dann wohl nachgeordnete und geringer qualifizierte „CM-Assistenten“ die Beziehungsarbeit übernehmen sollen (s. Neuffer 2006 a.a.O. S. 7 / Hille 2006, a.a.O. S. 59) 718 vgl. zu Empowermentansätzen in Deutschland vor allem Herriger 2006 719 sofern das mit der Beschäftigung erzielte Einkommen den Lebensbedarf umfassend decken kann 720 hierbei soll aber nicht bestritten werden, dass Beschäftigungserhaltung nicht nur individuell (d.h. durch den Arbeitnehmer) bedingt ist, sondern dass hierzu auch eine ganze Reihe überindividueller Gründe (Arbeitgeber) eine Rolle spielen können Seite 227

seinem „Wesen die Bewirtschaftung von Ressourcen“ gehört, innerhalb der<br />

„Versorgung an die Eigensorge von Menschen“ 714 gebunden wird. Zu dem<br />

Methodenset des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s gehört so auch „ein mehr oder minder<br />

wirtschaftliches Assessment: statt auf uferlose ‚Ganzheitlichkeit’ setzt ein <strong>Case</strong><br />

<strong>Management</strong> auf die Klärung von Präferenzen und Notwendigkeiten und damit auf<br />

Reduktion von Komplexität“ 715 . Die damit verbundene ‚Technokratisierung’ der<br />

Klientenbeziehung 716 wird oft kritisiert, hierbei beklagen vor allem Neuffer und Hille<br />

den Verlust der Beziehungsarbeit durch eine Schwerpunktverlagerung auf<br />

koordinierende Aufgaben von <strong>Case</strong> Managern <strong>im</strong> Sinne von Wendt. 717 Auch muss<br />

zugestanden werden, dass seitens von Kostenträgern (und wohl auch vor allem<br />

seitens der Politik) der Begriff der Effizienz mit Kostensenkungen verknüpft wird –<br />

gesagt wird ‚effizienter’ aber gemeint wird ‚billiger’.<br />

Der Einbezug von Klienten in den Hilfeprozess, oder um mit Wendt zu sprechen, die<br />

Verknüpfung der Allokation gesellschaftlicher und individueller Ressourcen zur<br />

Fallbearbeitung, ist aber nicht nur legit<strong>im</strong>, sondern <strong>im</strong> auch Sinne von Ansätzen der<br />

Sozialen Arbeit wie z.B. dem Empowerment 718 , d.h. der Stärkung der individuellen<br />

Bewältigungskompetenzen. <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> ist ein Prozess mit definiertem<br />

Anfang und Ende und muss damit erreichen, dass Klienten auch nach der<br />

Beendigung von Hilfen die Bewältigung ihrer Probleme ‚eigenmächtig’ besorgen<br />

können. Dies gilt auch für den Bereich des SGB II, bei dem zwar mit der Aufnahme<br />

einer Beschäftigung aus Sozialversicherungssicht das Problem gelöst ist 719 ,<br />

individuell es aber sehr oft darum geht, auch die gerade aufgenommene<br />

Beschäftigung längerfristig zu erhalten. Die dazu benötigten Kompetenzen müssen<br />

<strong>im</strong> Rahmen des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> – Prozesses gestärkt worden sein, was nicht<br />

ohne aktiven Einbezug des Klienten möglich ist. 720<br />

Es geht also bei der Kritik einer Ökonomisierung von und durch <strong>Case</strong> <strong>Management</strong><br />

nicht um das Prinzip der Zusammenführung von individuellen und kollektiven<br />

Ressourcen und die Tatsache, dass koordinierte Hilfen zumeist positivere<br />

Kosteneffekte bedingen, als unkoordinierte, z.T. gegeneinander arbeitende<br />

Leistungen, sondern mehr darum, dass bewusst oder vielleicht sogar eher<br />

unbewusst suggeriert wird, mit <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> ließe sich Wohlfahrt bedeutend<br />

714 ebd.<br />

715 ders. S. 72<br />

716 vgl. dazu z.B. Wendt’s Sicht der Klientenbeziehung: Wendt 2007c: „Die Unmittelbarkeit, in der die<br />

eine Person der anderen begegnet, tritt (auf der <strong>Management</strong>ebene) zurück hinter der Gestaltung der<br />

ganzen fallweisen Aufgabenerledigung …“ (S. 15), „Die sozialprofessionellen Fachkräfte übernehmen<br />

<strong>im</strong> <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> aber Handlungsvollzüge, die einer anderen Logik folgen, als sie einer<br />

unmittelbaren Hilfestellung und einer Zweierbeziehung in ihr angemessen sein mag.“ (S. 16), weil in<br />

Beziehungsfragen „ein Realitätsverlust“ drohe (S. 17) bzw. „Im Extremfall besteht die Arbeit fast<br />

ausschließlich <strong>im</strong> Knüpfen an Netzen und <strong>im</strong> Korrespondieren in ihnen.“ (S. 18)<br />

717 vgl. insbesondere Neuffer 2006a, z.T. auch Neuffer 2006b, sowie Hille 2006: Beide beklagen den<br />

Verlust an Beziehungsarbeit durch Konzentration auf die „Systemarbeit“, und befürchten, dass dann<br />

wohl nachgeordnete und geringer qualifizierte „CM-Assistenten“ die Beziehungsarbeit übernehmen<br />

sollen (s. Neuffer 2006 a.a.O. S. 7 / Hille 2006, a.a.O. S. 59)<br />

718 vgl. zu Empowermentansätzen in Deutschland vor allem Herriger 2006<br />

719 sofern das mit der Beschäftigung erzielte Einkommen den Lebensbedarf umfassend decken kann<br />

720 hierbei soll aber nicht bestritten werden, dass Beschäftigungserhaltung nicht nur individuell (d.h.<br />

durch den Arbeitnehmer) bedingt ist, sondern dass hierzu auch eine ganze Reihe überindividueller<br />

Gründe (Arbeitgeber) eine Rolle spielen können<br />

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