Systemsteuerung im Case Management

Systemsteuerung im Case Management Systemsteuerung im Case Management

athene.bibl.unibw.muenchen.de
von athene.bibl.unibw.muenchen.de Mehr von diesem Publisher
28.01.2013 Aufrufe

„Fallmanagement“ enthalten hätte, sondern dies auch unmissverständlich im Gesetz gestanden hätten, einschließlich einer Erläuterung, was darunter zu verstehen ist. Ähnliches gilt für eine Leistungsbeschreibung (öffentliche Ausschreibung) für ein Fallmanagement der BA dessen Leistung bestimmt wird als: „Kern des Fallmanagements ist die Organisation und Steuerung des individuellen Integrationsprozesses. Zur Überwindung spezifischer sozialer Problemlagen, soweit der Bewerber von sich aus individuelle Problemlagen offenbart hat, steuert das Fallmanagement den Zugang zu benötigten Möglichkeiten und Hilfen anderer Stellen (z.B. Sucht- und Schuldnerberatung). Das Ergebnis dieser Stellen darf der Auftraggeber weder abfordern noch speichern oder anderweitig dokumentieren.“ 669 Wie dann unter diesen Bedingungen das „steuern“ erfolgen soll, bleibt wohl dem Auftraggeber überlassen. Die Sinnhaftigkeit, ja sogar Notwenigkeit von Einflussnahme auf Case Management betreffende Entscheidungen sollte mit diesen beiden kleinen Beispielen hinreichend illustriert sein. Zudem ist auf der untersten politischen Ebene, die der Kommunalpolitik, noch eine weitere Dimension der Einflussnahme zu beachten, auf die bereits in Kap. 3.3.6 in Bezug auf die Implementationsschritte bei der Einführung von Case Management hingewiesen wurde: Die Erreichung einer umfassenden Unterstützung (‚Commitments’) des Konzeptes und der es bedingenden Umgestaltungen z.B. in der Ablauf- und Aufbauorganisation. Ein bloßes ‚Lippenbekenntnis’, ein an nicht akzeptable Bedingungen oder ungewisse Entwicklungen (z.B. Haushalt) geknüpftes ‚ja’, oder ein ‚Dafürsein’ ohne dass sich ansonsten etwas ändern darf, kann als ‚gute Grundlage’ für ein Scheitern von Case Management angenommen werden. Es ist daher zwingend erforderlich, solche Einstellungen durch eine umfassende Informations- und letztlich auch Überzeugungspolitik zu überwinden, da ansonsten ernstlich die Frage zu stellen wäre, ob unter diesen Bedingungen eine Einführung von Case Management wirklich Sinn machen würde. Wendt, der in einem Aufsatz die ökonomische Funktion von Case Management unter dem Blickwickel von Allokationsstufen (gesellschaftlicher wie individueller Ressourcen) betrachtet, führt dort u.a. aus: „Care Management und Case Management spielen in wechselseitiger Beeinflussung auf den Allokationsstufen, die oberste ausgenommen, ihre Rolle.“ 670 Diese ‚Abstinenz’ von Einflussnahme des Case Managements ist zwar durchaus eine zutreffende Beschreibung der Situation, allerdings einer, die es nach besten Vermögen zu verändern gilt. Gerade die ‚Dachorganisation’ des Case Managements, die Deutsche Gesellschaft für Care und Case Management (DGCC) ist hier gefragt, sich mehr als kompetenter Fachverband und Know-how-Träger ins Spiel zu bringen. 671 Dies ist aber nicht nur auf der Ebene 669 Ausschreibung der BA vom 30.12.2004 zur Beauftragung Dritter mit der Vermittlung, S. 41 (der Ausschreibungstext ist nicht mehr im Internet enthalten, da die betreffende Ausschreibung inzwischen abgelaufen ist, der Text ist aber beim Verfasser einsehbar) – Unterstreichungen im Text durch den Verfasser 670 Wendt 2006a, S. 71 671 vgl. Homepage www.dgcc.de - am 29.05.2008 gab es dort unter der Rubrik „Presse/News“ insgesamt zwei (2!) Pressemitteilungen, beide aus 2005 (!) Dies ist zwar nicht der alleinige Maßstab für verbandspolitische Aktivität, kann aber durchaus als Indikator angesehen werden, wie intensiv ein Verband sich in der Öffentlichkeit und damit auch in der Politik platziert. Es ist aber der Fairness halber anzumerken, dass die DGCC sich bisher vor allem um eine Standardisierung der Ausbildung von Case Managern bemüht hat, was ihr m.E. auch recht gut gelungen ist. Seite 212

wissenschaftlicher Diskurse z.B. durch einen verbandseigenen Newsletter oder durch die Zeitschrift „Case Management“ zu beschränken, die in aller Regel nicht die Grenzen des wissenschaftlichen Funktionssystems (Luhmann) verlässt. Beeinflussung politischer Entscheidungen und der auf sie basierenden Regelungen nachgeordneter Instanzen geht vor allem nur über den Weg intensiver Öffentlichkeitsarbeit, wo sich ein Verband über intensive, kontinuierliche Arbeit als kompetenter Gesprächspartner platzieren kann. Erst dann ist zu erwarten, dass auch die Medien sich des Verbandes bedienen, wenn sie nach Stellungsnahmen zu sozialen Verhältnissen oder politischen Entscheidungen (von kompetenter Seite) suchen und damit auch ein Verband seitens politischer Entscheidungsträger an Bedeutung gewinnt und ‚ernst genommen’ wird. Der Weg bis dahin ist wahrscheinlich lang und beschwerlich, müsste aber gerade eben um die Makroebene nicht völlig anderen zu überlassen, konsequent beschritten werden. Auch könnte sich der Verband durch die Ausarbeitung von Rahmenkonzepten (oder fachliche Empfehlungen zur Umsetzung), z.B. zu der Migrationserstberatung als Kompetenzträger profilieren, auch wenn hier möglicher Weise Bedenken hinsichtlich eines für die Betreffenden als unvorteilhaft eingeschätzten Know-how-Transfers entstehen könnte. Mit solchen Rahmenkonzepten könnte aber ein Verband Einfluss darauf nehmen, wie politische Rahmenbedingungen mit dem Konzept des Case Managements ‚versöhnt’ werden können und so Eckpunkte setzen, die zu beachten sind, wenn ein Anbieter eine Dienstleistung unter den jeweiligen Rahmenbedingungen wirklich ‚Case Management’ nennen möchte. 672 Es gibt also durchaus vielfältige Wege, die geforderte Einflussnahme zu gestalten, sie setzten aber voraus, dass eine Fachgesellschaft intern einen Konsens über Standards gefunden hat und ihre Vertreter mit einer gewissen Selbstlosigkeit sich nicht zuvorderst mit ihrer Profession oder beruflichen Tätigkeit sondern ihrer Funktion in der Fachgesellschaft zu Wort melden. Dazu gehört auch die eben beschriebene Verbreitung von kollektivem Know-how. 3.7 Adressatenbezogene Steuerung Bei der Darstellung des ‚Hilfesystems’ hatte der Verfasser bereits dessen Heterogenität angesprochen und die Notwendigkeit einer Systembildung als Voraussetzung für eine gelingende Zusammenarbeit mit dem zuvor nur als ‚Konglomerat’ zu nennenden Gebilde höchst unterschiedlicher Organisationssysteme betont. Auch in der sehr steuerungsorientierten Betrachtung des ‚Hilfesystems’ in dieser Arbeit darf nicht übersehen werden, dass die in Kap. 2.3 erarbeiteten Optionen zur Steuerung sozialer Systeme von destruktiv und instruktiv bzw. materiell und immateriell prinzipiell stets in Abhängigkeit von der ‚Konstruktionsart’ des Case Managements bestehen. 673 Nun ist es an der Zeit, sich 672 Der Deutsche Verein ist hier z.B. überaus aktiv und erstellt für eine Vielzahl sozialer Aktivitäten fachliche Empfehlungen – vgl. dazu z.B. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 2004a, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 2005a, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 2005c 673 vgl. dazu Kap. 3.1.2 mit der Diskussion der verschiedenen Möglichkeiten, wie Case Management entstehen kann: intraorganisatorisch oder interorganisatorisch durch Hilfeanbieter, durch Professionelle oder den Kostenträger selbst – und den in jedem einzelnem Fall verfügbaren Steuerungsoption Seite 213

„Fallmanagement“ enthalten hätte, sondern dies auch unmissverständlich <strong>im</strong> Gesetz<br />

gestanden hätten, einschließlich einer Erläuterung, was darunter zu verstehen ist.<br />

Ähnliches gilt für eine Leistungsbeschreibung (öffentliche Ausschreibung) für ein<br />

Fallmanagement der BA dessen Leistung best<strong>im</strong>mt wird als: „Kern des<br />

Fallmanagements ist die Organisation und Steuerung des individuellen<br />

Integrationsprozesses. Zur Überwindung spezifischer sozialer Problemlagen, soweit<br />

der Bewerber von sich aus individuelle Problemlagen offenbart hat, steuert das<br />

Fallmanagement den Zugang zu benötigten Möglichkeiten und Hilfen anderer<br />

Stellen (z.B. Sucht- und Schuldnerberatung). Das Ergebnis dieser Stellen darf der<br />

Auftraggeber weder abfordern noch speichern oder anderweitig dokumentieren.“ 669<br />

Wie dann unter diesen Bedingungen das „steuern“ erfolgen soll, bleibt wohl dem<br />

Auftraggeber überlassen.<br />

Die Sinnhaftigkeit, ja sogar Notwenigkeit von Einflussnahme auf <strong>Case</strong> <strong>Management</strong><br />

betreffende Entscheidungen sollte mit diesen beiden kleinen Beispielen hinreichend<br />

illustriert sein. Zudem ist auf der untersten politischen Ebene, die der<br />

Kommunalpolitik, noch eine weitere D<strong>im</strong>ension der Einflussnahme zu beachten, auf<br />

die bereits in Kap. 3.3.6 in Bezug auf die Implementationsschritte bei der Einführung<br />

von <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> hingewiesen wurde: Die Erreichung einer umfassenden<br />

Unterstützung (‚Commitments’) des Konzeptes und der es bedingenden<br />

Umgestaltungen z.B. in der Ablauf- und Aufbauorganisation. Ein bloßes<br />

‚Lippenbekenntnis’, ein an nicht akzeptable Bedingungen oder ungewisse<br />

Entwicklungen (z.B. Haushalt) geknüpftes ‚ja’, oder ein ‚Dafürsein’ ohne dass sich<br />

ansonsten etwas ändern darf, kann als ‚gute Grundlage’ für ein Scheitern von <strong>Case</strong><br />

<strong>Management</strong> angenommen werden. Es ist daher zwingend erforderlich, solche<br />

Einstellungen durch eine umfassende Informations- und letztlich auch<br />

Überzeugungspolitik zu überwinden, da ansonsten ernstlich die Frage zu stellen<br />

wäre, ob unter diesen Bedingungen eine Einführung von <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> wirklich<br />

Sinn machen würde.<br />

Wendt, der in einem Aufsatz die ökonomische Funktion von <strong>Case</strong> <strong>Management</strong><br />

unter dem Blickwickel von Allokationsstufen (gesellschaftlicher wie individueller<br />

Ressourcen) betrachtet, führt dort u.a. aus: „Care <strong>Management</strong> und <strong>Case</strong><br />

<strong>Management</strong> spielen in wechselseitiger Beeinflussung auf den Allokationsstufen, die<br />

oberste ausgenommen, ihre Rolle.“ 670 Diese ‚Abstinenz’ von Einflussnahme des<br />

<strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s ist zwar durchaus eine zutreffende Beschreibung der Situation,<br />

allerdings einer, die es nach besten Vermögen zu verändern gilt. Gerade die<br />

‚Dachorganisation’ des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s, die Deutsche Gesellschaft für Care und<br />

<strong>Case</strong> <strong>Management</strong> (DGCC) ist hier gefragt, sich mehr als kompetenter Fachverband<br />

und Know-how-Träger ins Spiel zu bringen. 671 Dies ist aber nicht nur auf der Ebene<br />

669 Ausschreibung der BA vom 30.12.2004 zur Beauftragung Dritter mit der Vermittlung, S. 41 (der<br />

Ausschreibungstext ist nicht mehr <strong>im</strong> Internet enthalten, da die betreffende Ausschreibung inzwischen<br />

abgelaufen ist, der Text ist aber be<strong>im</strong> Verfasser einsehbar) – Unterstreichungen <strong>im</strong> Text durch den<br />

Verfasser<br />

670 Wendt 2006a, S. 71<br />

671 vgl. Homepage www.dgcc.de - am 29.05.2008 gab es dort unter der Rubrik „Presse/News“<br />

insgesamt zwei (2!) Pressemitteilungen, beide aus 2005 (!) Dies ist zwar nicht der alleinige Maßstab<br />

für verbandspolitische Aktivität, kann aber durchaus als Indikator angesehen werden, wie intensiv ein<br />

Verband sich in der Öffentlichkeit und damit auch in der Politik platziert. Es ist aber der Fairness<br />

halber anzumerken, dass die DGCC sich bisher vor allem um eine Standardisierung der Ausbildung<br />

von <strong>Case</strong> Managern bemüht hat, was ihr m.E. auch recht gut gelungen ist.<br />

Seite 212

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!