Systemsteuerung im Case Management

Systemsteuerung im Case Management Systemsteuerung im Case Management

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oder der von ihm beauftragte Case Manager regelmäßig über die aktuelle Verwendung des Budgets zu berichten hat. 654 Hinte dagegen sieht in einem Erziehungshilfebudget vor allem den Vorteil, dass so mögliche kontraproduktive Verhaltensweisen seitens der ansonsten über Fachleistungsstunden vergütete Träger vermieden werden können. Um sich weitere Mittelzuflüsse zu sichern, könnten diese mehr Stunden ansetzen, als unbedingt erforderlich (Hilfeverlängerung) oder selbst für einfache Arbeiten (z.B. Wohnungsreinigung) teuere Fachkräfte einsetzen. Da aber bei einem Hilfebudget andererseits die Tendenz bestehen könnte, bei (fest vergüteten) Hilfen die Leistungen zu reduzieren, muss mit der Einführung eines solchen Budgets auch ein entsprechendes Controlling seitens des Auftraggebers einhergehen. 655 Der Ansatz von van Riet und Wouters stärkt deutlich die Position von Klienten und deren Ausübung ihres z.T. gesetzlich garantierten Wunsch- und Wahlrechtes 656 gegenüber den Hilfeanbietern. Mit Brülle könnte damit angenommen werden, dass auf diese Weise auch im Bereich von Hilfeleistungen eine höhere Marktorientierung erreicht werden kann als mit dem bisherigen Verfahren: "Solange die Leistungserbringung nicht vollständig marktreguliert erfolgt, d.h. ‚schlüssige Tauschbeziehungen‘ hergestellt sind, wird sie nicht von den Bedürfnissen der ‚Kunden‘ alleine gesteuert werden können. Auf ‚echten‘ Märkten wird die Befriedung der Bedürfnisse von Nachfragern durch deren Zahlungsfähigkeit begrenzt, d.h. das verfügbare individuelle Budget steuert die Beeinflußung des ökonomischen Prozesses durch außerökonomische Bedürfnisse." (Brülle et al. 1998, S. 69) Dies verlangt aber zugleich kompetente Marktteilnehmer, die ihre Bedürfnisse kennen, Prioritäten zu setzen verstehen (nicht alles Wünschenswerte kann mit einem auch noch so umfangreichem Budget bezahlt werden) und vor allem unter den ‚schillernden’ Angeboten des Marktes die für sie auch tatsächlich geeigneten und nach Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten auch günstigen Angebote heraussuchen können. Dass unter solchen Marktbedingungen die Hilfeanbieter die Methoden des Marketings für sich entdecken (und als sogar erforderlich einstufen) werden, ist keine allzu abwegige Vermutung. Es steht damit zu erwarten, dass Hilfen, ihre Wirkungen und die Professionalität des Anbieters sehr positiv (zu sehr?) auf ‚Hochglanzpapier’ dargestellt werden und sich ein insgesamt Wettbewerb um Kunden einstellt, dessen zusätzliche Kosten aber letzten Endes auch vom Kunden gezahlt werden müssen, ohne dass er dadurch einen Mehrwert erhält. 657 Auch könnten Anbieter versucht sein, sich den Markt aufzuteilen, so dass bestimmte Hilfen nur von einem oder wenigen Anbietern erhältlich sind, deren Möglichkeiten zur Preisgestaltung damit beträchtlich wachsen. Van Riet / Wouters fordern daher 654 ebd. 655 s. Hinte 2002 a.a.O. S. 109 ff. 656 s. § 5 SGB VIII, eine ähnliche Regelung enthält der § 9 SGB IX– im Gegensatz enthält das SGB II keine auch nur in etwa analoge Regelung – die Eingliederungsvereinbarung (§ 15 SGB II) kann nicht als eine solche Regelung interpretiert werden, da sie zwar durch Vereinbarung zustande kommen soll, aber auch durch „Verwaltungsakt“ (Abs. 1 Satz 5) erfolgen kann, so dass die Verhandlungsposition des Hilfeberechtigten, ihm genehme Regelungen durchzusetzen, hier deutlich schwächer im Gegensatz zu der des Grundsicherungsträgers ist 657 Hinte (2002 a.a.O. S. 109) kritisiert bereits jetzt den von HzE-Trägern betriebenen Aufwand in der Öffentlichkeitsarbeit – es erfordert wenig Vorstellungskraft, sich dann den unter ‚echten’ Wettbewerbsbedingungen erfolgenden Aufwand zu vergegenwärtigen Seite 208

als Voraussetzung für ihr Modell die Unterbindung von Preisabsprachen, die aber praktisch nicht leicht umzusetzen ist. Abhilfe schafft hier dann höchstens ein professioneller Case Manager, der analog zu den Anfängen des Case Managements in den USA 658 den Klienten durch den ‚Dschungel’ der unüberschaubaren Hilfeangebote lotst. Wenn diese Unterstützung aber nicht Pflicht ist, sondern vom Hilfeberechtigten sogar unter Einsatz eines Teils seines Budgets bezahlt werden muss, benötigt es ebenfalls nicht viel Phantasie, um sich die auf diese Weise entstehende Wettbewerbsituationen vorzustellen (z.B. große Anbieter, die ‚Hilfe aus einer Hand’ versprechen und dabei selber Case Management anbieten – natürlich unter Nutzung beträchtlicher ‚Eigenleistungen’). Ein Budget im Sinne des SGB IX (als persönliches Budget) als finanzielle Grundlagen der Fallarbeit hat daher aus Sicht des Verfassers mehr Nachteile und sollte besser durch ein dem Case Manager zur Verfügung stehendem Fallbudget ersetzt werden. Da in diesem Fall die Hilfeleistungen vom Case Manager ausgewählt werden 659 , ist anzunehmen, dass die zuvor beschriebenen Marketingtendenzen von Hilfeanbietern sich nicht oder deutlich weniger ausgeprägt entwickeln werden. Allerdings ist der Sicht von Hinte, dass dann ein fallunabhängiges Controlling (aber zugleich auch ein fallabhängiges !) erforderlich ist 660 , nur zuzustimmen. Gerade hierzu kann der Verfasser durch sein Konzept des ‚Linkings’ auch einen praktikablen Ansatz anbieten. Zudem sollte ein solches Fallbudget eine Übertragbarkeit auf andere Fälle besitzen, so dass der Case Manager keine in der Sache falschen Anreize zur völligen Ausschöpfung seiner Budgets erhält (‚Punktlandung’). Auch können so Mehrbedarf an anderer Stelle durch mehr verfügbare oder besser aktivier- und integrierbare Hilfe nicht-professioneller Helfer (z.B. aus dem Klientensystem, seinem Sozialraum, usw.) ausgeglichen werden. Schwierigkeiten macht, das haben schon van Riet / Wouters erkannt, allerdings eine den Umständen des Einzelfalles entsprechende adäquate Bemessung der Budgethöhe. Sie schlagen dazu eine „neutrale Indikationsstellung“ nach einheitlichen Kriterien und Zuordnung in 4-5 Budgetkategorien vor. 661 Hier wäre man dann wieder bei den Fallgruppen angelangt, die bereits Wendt so sehr befürwortet. In Bezug auf eine Budgetbemessung wird man aber kaum um eben eine solche herumkommen, will man nicht alternativ einen immensen Aufwand betreiben, für jeden Fall im Assessment zusätzlich zu den ansonsten dort zu leistenden Aufgaben noch eine Evaluation vordefinierter Indikatoren vorzunehmen, aus diesen dann die Ausprägung ebenso vorzudefinierender Kriterien abzuleiten, die zusammen so etwas wie einen ‚Punktescore’ ergeben, aus dem sich dann das individuelle Budget ergibt. Sofern dergleichen überhaupt einigermaßen adäquat leistbar ist (was der Verfasser nicht so ohne weiteres beurteilen kann), benötigt ein solches Verfahren umfangreiche empirische Vorarbeiten, um die erforderlichen Kriterien zu erstellen und entsprechende Indikatoren zu ermitteln, sowie den 658 vgl. hierzu z.B. Ewers 2000a S. 41 ff . oder Wendt 2001 S. 14 ff. 659 woran der Klient selbstverständlich umfänglich beteiligt wird. Es soll sich in dieser Arbeit aber auf die Systemebene konzentriert werden. Deshalb wird, wie bereits auch anderenorts geschehen, die Fallebene zu schnell wie irgend möglich abgehandelt. Es lässt sich aber nicht aus dieser Vorgehensweise schließen, dass der Verfasser Klienten nur als unpersönliche ‚Fälle’ ansieht, die ‚gemanged’ werden müssen! 660 s. Hinte, 2002 a.a.O. S. 111 661 s. van Riet / Wouters a.a.O. S. 274 Seite 209

als Voraussetzung für ihr Modell die Unterbindung von Preisabsprachen, die aber<br />

praktisch nicht leicht umzusetzen ist. Abhilfe schafft hier dann höchstens ein<br />

professioneller <strong>Case</strong> Manager, der analog zu den Anfängen des <strong>Case</strong><br />

<strong>Management</strong>s in den USA 658 den Klienten durch den ‚Dschungel’ der<br />

unüberschaubaren Hilfeangebote lotst. Wenn diese Unterstützung aber nicht Pflicht<br />

ist, sondern vom Hilfeberechtigten sogar unter Einsatz eines Teils seines Budgets<br />

bezahlt werden muss, benötigt es ebenfalls nicht viel Phantasie, um sich die auf<br />

diese Weise entstehende Wettbewerbsituationen vorzustellen (z.B. große Anbieter,<br />

die ‚Hilfe aus einer Hand’ versprechen und dabei selber <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> anbieten<br />

– natürlich unter Nutzung beträchtlicher ‚Eigenleistungen’).<br />

Ein Budget <strong>im</strong> Sinne des SGB IX (als persönliches Budget) als finanzielle<br />

Grundlagen der Fallarbeit hat daher aus Sicht des Verfassers mehr Nachteile und<br />

sollte besser durch ein dem <strong>Case</strong> Manager zur Verfügung stehendem Fallbudget<br />

ersetzt werden. Da in diesem Fall die Hilfeleistungen vom <strong>Case</strong> Manager<br />

ausgewählt werden 659 , ist anzunehmen, dass die zuvor beschriebenen<br />

Marketingtendenzen von Hilfeanbietern sich nicht oder deutlich weniger ausgeprägt<br />

entwickeln werden. Allerdings ist der Sicht von Hinte, dass dann ein<br />

fallunabhängiges Controlling (aber zugleich auch ein fallabhängiges !) erforderlich<br />

ist 660 , nur zuzust<strong>im</strong>men. Gerade hierzu kann der Verfasser durch sein Konzept des<br />

‚Linkings’ auch einen praktikablen Ansatz anbieten.<br />

Zudem sollte ein solches Fallbudget eine Übertragbarkeit auf andere Fälle besitzen,<br />

so dass der <strong>Case</strong> Manager keine in der Sache falschen Anreize zur völligen<br />

Ausschöpfung seiner Budgets erhält (‚Punktlandung’). Auch können so Mehrbedarf<br />

an anderer Stelle durch mehr verfügbare oder besser aktivier- und integrierbare Hilfe<br />

nicht-professioneller Helfer (z.B. aus dem Klientensystem, seinem Sozialraum, usw.)<br />

ausgeglichen werden. Schwierigkeiten macht, das haben schon van Riet / Wouters<br />

erkannt, allerdings eine den Umständen des Einzelfalles entsprechende adäquate<br />

Bemessung der Budgethöhe. Sie schlagen dazu eine „neutrale Indikationsstellung“<br />

nach einheitlichen Kriterien und Zuordnung in 4-5 Budgetkategorien vor. 661 Hier<br />

wäre man dann wieder bei den Fallgruppen angelangt, die bereits Wendt so sehr<br />

befürwortet. In Bezug auf eine Budgetbemessung wird man aber kaum um eben<br />

eine solche herumkommen, will man nicht alternativ einen <strong>im</strong>mensen Aufwand<br />

betreiben, für jeden Fall <strong>im</strong> Assessment zusätzlich zu den ansonsten dort zu<br />

leistenden Aufgaben noch eine Evaluation vordefinierter Indikatoren vorzunehmen,<br />

aus diesen dann die Ausprägung ebenso vorzudefinierender Kriterien abzuleiten, die<br />

zusammen so etwas wie einen ‚Punktescore’ ergeben, aus dem sich dann das<br />

individuelle Budget ergibt. Sofern dergleichen überhaupt einigermaßen adäquat<br />

leistbar ist (was der Verfasser nicht so ohne weiteres beurteilen kann), benötigt ein<br />

solches Verfahren umfangreiche empirische Vorarbeiten, um die erforderlichen<br />

Kriterien zu erstellen und entsprechende Indikatoren zu ermitteln, sowie den<br />

658 vgl. hierzu z.B. Ewers 2000a S. 41 ff . oder Wendt 2001 S. 14 ff.<br />

659 woran der Klient selbstverständlich umfänglich beteiligt wird. Es soll sich in dieser Arbeit aber auf<br />

die Systemebene konzentriert werden. Deshalb wird, wie bereits auch anderenorts geschehen, die<br />

Fallebene zu schnell wie irgend möglich abgehandelt. Es lässt sich aber nicht aus dieser<br />

Vorgehensweise schließen, dass der Verfasser Klienten nur als unpersönliche ‚Fälle’ ansieht, die<br />

‚gemanged’ werden müssen!<br />

660 s. Hinte, 2002 a.a.O. S. 111<br />

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