Systemsteuerung im Case Management
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Luhmann wieder, der flexible, am konkreten Bedarf orientierte Hilfe sogar (aus Sicht<br />
des Systems) als „dyfunktional“ beschreibt: "Schließlich hat gerade die Effektivität<br />
und Zuverlässigkeit organisierten Helfens eigene dysfunktionale Folgen. Durch<br />
Programmierung der sozialen Hilfe gerät nichtprogrammiertes Helfen in die<br />
Hinterhand. Es kann organisationsintern sogar ausgesprochen zur Störung werden,<br />
wenn jemand programmlos hilft. […] Gerade darin liegt eine Gefahr, weil nicht jede<br />
Art von Notlage organisatorisch zu steuern ist." (Luhmann 1973, S. 36)<br />
Als ein möglicher Weg des Ausbrechens aus diesem Dilemma kann die verstärkte<br />
Orientierung der Angebotsplanung und –bereitstellung am Sozialraum angesehen<br />
werden, wo versucht wird, Hilfen statt in einem Gesamtplan in sozialraumbasierten<br />
Teilplänen zu realisieren und damit Planungen dichter am Bedarf anzusiedeln.<br />
Marquard beschreibt so z.B. sozialräumliche Planungsmodalitäten am Beispiel der<br />
Stadt Freiburg bis hin zur Etablierung einer „sozialräumlichen Fallarbeit“, merkt aber<br />
kritisch an, dass bislang hierzu aber noch keine eindeutige Definition vorläge, was<br />
darunter konkret zu verstehen sei (und wodurch sie sich von anderen Konzepten<br />
unterscheiden würde). 590 Sozialraum als die best<strong>im</strong>mende und bedarfsfremde<br />
Planung überwindende planerische und gestalterische Bezugsd<strong>im</strong>ension Sozialer<br />
Arbeit hat eine derartige Eigendynamik entwickelt, so dass Wolff bereits kritisch<br />
anmerkt: "Insgesamt kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass mit der<br />
Sozialraumorientierung ein neuer Begriff und ein vermeintlich neues Modell<br />
eingeführt wurde, bevor Modelle einer integrierten und flexiblen Jugendhilfe<br />
überhaupt zu Ende gedacht waren." (Wolff 2002, S. 48)<br />
Ein Ansatz zur Verbindung von Sozialraumorientierung und Flexibilität in der<br />
Jugendhilfe beschreibt Stiefel <strong>im</strong> sogenannten „Stuttgarter Modell“. Kernelement<br />
dieses Ansatzes ist die Gründung von zehn Stadtteilteams, in dem ASD, WJH und<br />
HzE-Träger mitarbeiten, 591 wobei pro Stadtteil einem HzE-Träger die<br />
Gesamtverantwortung für alle diesbezüglichen Hilfeleistungen als<br />
„Schwerpunktträger“ übertragen wird. 592 Auf diese Weise wird die bisherige<br />
Konzentration der Träger auf abgegrenzte Leistungen (Versäulung) überwunden.<br />
Nach Stiefel bewirkte dies, eine "[…] Flexibilisierung der Hilfen oder […] Maßanzug<br />
statt Konfektionsware‘, was bedeutet, dass Erziehungshilfeträger nicht mehr wie<br />
bisher verschiedene Standardangebote (‚Konfektionsware‘, den §§ 27 ff. KHJG<br />
folgend) vorhalten, sondern flexibel für jeden Einzelfall eine individuelle Hilfe<br />
(‚Maßanzug‘) aus dem <strong>im</strong> § 27 KJHG festgeschriebenen Anspruchsrechten<br />
komponieren." (Stiefel 2002, S. 57) Auf diese Weise war es möglich, die Versäulung<br />
von Angeboten sowohl <strong>im</strong> Denken der Mitarbeiter des ASD wie auch in der Art der<br />
Hilfebereitstellung der HzE-Träger aufzulösen. 593 Durch den gezielten Einsatz<br />
finanzieller Anreize (gleich materieller instruktiver Steuerung) wurde zudem erreicht,<br />
dass die HzE-Träger best<strong>im</strong>mte qualitativen Anforderungen des Jugendamtes mit<br />
umsetzten, so z.B. Freiwilligenarbeit betrieben („Volunteers“), ein<br />
590 s. Marquard 2005 – vgl. zu sozialräumlichen Konzepten auch Baltz 2002, Boeckh 2005, Debiel<br />
2006, Deinet 2006, Deinet, Krisch 2006, Jordan 1998, Klawe 2005, Lutz 2007, Merten 2002, Müller<br />
2002, Otto, Ziegler 2004, Peters, Koch 2004, Reutlinger et al. 2006, Schäfer 2002, Schipmann 2002,<br />
Szlapka 2005<br />
591 s. Stiefel 2002, S. 59, die gebrauchten Abkürzungen sollten bekannt sein (ASD = allgemeiner<br />
sozialer Dienst, WJH = wirtschaftliche Jugendhilfe, HzE = Hilfe zur Erziehung)<br />
592 ders. S. 62<br />
593 ders. S. 58 f.<br />
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