Systemsteuerung im Case Management
Systemsteuerung im Case Management Systemsteuerung im Case Management
Heranziehung von Hilfen eine absolute Offenheit aus. Nicht das Angebot von Hilfen sondern der konkrete Bedarf bestimmt das, was für die Fallarbeit genutzt werden soll. In den vier Vorschlägen des Verfassers zur konkreten Gestaltung des ‚Linking’ wurde aber bei den meisten Gestaltungsvorschlägen (bis auf Fallnachbesprechungen) in der bis jetzt dargestellten Form vom Grundsatz her genau gegen dieses Prinzip verstoßen! Durch die Installation von Beauftragten oder Spezialisten, die für einen zuvor definierten Kreis von Hilfeleistungen zuständig gemacht werden, wurde bereits eine Eingrenzung dessen vorgenommen, was an ‚systemrelevanten’ Informationen von den fallführenden Case Managern in das ‚Linking’ zur Systemsteuerung eingespeist werden kann. Etwas überspitzt formuliert ist damit so etwas wie ein standardisierter Fragebogen geschaffen worden, der auf diese Weise nur solche Antworten zulässt, die der Ersteller zuvor als möglich vorausgesehen hat. Erkenntnisse, die nicht zu den Fragen passen, haben so keinen Zugang zu der Evaluation und bleiben ‚außen vor’. Jetzt wieder auf die konkrete Situation übertragen bedeutet dies: Erkenntnisse zu Hilfebedarf, der nicht den vordefinierten Zuständigkeiten der Beauftragen / Spezialisten (wie auch dem geplanten ‚Set’ an hilfebezogenen Teambesprechungen) gehört, hat zunächst keinen Adressaten und könnte so nicht eine ‚Systemrelevanz’ entfalten, obwohl gerade dies genau dem entspricht, was am Bedarf orientiertes Case Management von anderen Vorgehensweisen abhebt. Das Vorliegen eines Bedarfs zu dem es kein passendes Angebot gibt, der evtl. noch nicht einmal als Notwendigkeit zur Bearbeitung zuvor erkennt wurde, stellt aber genau den Umstand dar, auf den Case Management auf der Systemebene, will es seinen Anspruch der Bedarfsorientierung wirklich einlösen, reagieren muss. Nachdem in Abb. 13 die Zuständigkeiten vereinfacht mit H1, H2 und H3 (d.h. Aufteilung aller Hilfebedarfe in drei Bereiche = Zuständigkeiten) angegeben wurde, müssten zur Lösungen des nun dargestellten Problems noch eine weitere Zuständigkeit geschaffen werden, die als H ≠ 1-3 (oder auch H 0) dargestellt werden könnte. Es ist also essentiell, dass in einer solchen Gestaltungsweise auch ein Weg geschaffen wird, in dem alle Informationen eingesteuert werden können (und müssen), die nicht in die Zuständigkeit der exakt definierten Hilfebeauftragten fallen. Die Anzahl der Hilfebeauftragten bzw. der Spezialisten erhöht sich damit um eins, bzw. es muss ein anderer Zuschnitt der Zuständigkeiten erfolgen, bei der einer der drei (im Beispiel dargestellten) Beauftragten / Spezialisten auch für alle nicht vordefinierten Hilfebedarfe verantwortlich ist. Gleiches gilt auch für die hilfebezogenen Teambesprechungen, die genau die zuvor beschriebene ‚Kanalisierung’ der Erkenntnisse durch die klare Tagesordnung (‚… es geht um die Hilfebedarfe A - ….’) befördern. Auch hier müsste daher ein weiterer Besprechungstermin für ‚H ≠ 1-3’ eingerichtet werden. In der Praxis wird genau dessen Notwendigkeit in der Organisation in besonderem Maße begründet und verteidigt werden müssen, da hier die Tagesordnung eher unklar nur mit ‚es geht um alles, was in den Besprechungen zuvor nicht thematisiert werden konnte’ umrissen werden kann. Die Gefahr besteht damit, dass eine solche Besprechung (unter Berücksichtigung der sonstigen Arbeitsbelastung der Case Manager) als ‚Zeitverschwendung’ angesehen wird und ständig Gefahr läuft, gestrichen zu werden. Einzig in den systembezogenen Fallnachbesprechungen ist die Ergebnisoffenheit zumindest weitgehend gewährleistet, weil hier über den Fall als Ganzes und nicht Seite 178
über eine Vielzahl von Fällen mit einer eingegrenzten Perspektive gesprochen wird. Durch den eingeschränkten Horizont in Bezug auf die Gesamtheit der Fälle des damit betrauten ‚Basis-Teams’ hat aber auch diese Variante ihre Nachteile und erfordert zudem noch die ‚Weiterverarbeitung’ der dadurch gewonnenen Erkenntnisse, um dann in tatsächliche Systemsteuerungen einmünden zu können. Ein weiterer zudiskutierender Punkt kann mit dem Vorschlag von Manfred Neuffer gekennzeichnet werden, die Systemsteuerungsverantwortung vom Case Management zu entkoppeln: "Der Case Manager muss in diesem Prozess der Systemsteuerung […] nicht notwendigerweise selbst beteiligt sein. Mit einer indirekten Mitarbeit durch zur Verfügung stellen von (anonym) ausgewerteten Fallverläufen, einschließlich der Rückmeldungen von KlientInnen und durch seine Erkenntnisse aus der fallspezifischen Netzwerkarbeit kann er die fallunspezifische erheblich beeinflussen und fördern." (Neuffer 2005, S. 164) 569 Nach diesem Verfahren gibt der Case Manager, gibt das gesamte Case Management (das ‚Groß-Team’, das insgesamt die klientenbezogenen Leistungen gestaltet) lediglich seine Erkenntnisse aus den Fällen an die planerische, leistungsbeschaffende und damit systemsteuernde Instanz weiter. Neuffer folgert daraus, dass damit eine „erhebliche“ Beeinflussung möglich ist (s.o.). Auch zur Beurteilung dieses Aspektes lohnt sich der Rückgriff auf die Systemtheorie, die damit ihre Relevanz für Fragestellungen im Bereich des Case Management einmal mehr unter Beweis stellt. Der Verfasser hatte einerseits dargestellt, dass soziale Systeme, wie z.B. das Organisationssystem ‚Kommunalverwaltung’ sich in weitere Sub-Systeme ausdifferenzieren kann, die sich mit spezifischen Teilaufgaben beschäftigen und damit die Komplexität für das Gesamtsystem (Super-System) reduzieren, aber auch damit zusätzliche Komplexitätsreserven für teilaufgabenspezifische Belange erhalten. 570 Dazu wurde weiterhin bereits ausgeführt, dass soziale Systeme ihre Identität durch eine für sie spezifische Art der Sinnkonstruktion, d.h. der Zuweisung von Sinn zu bestimmten Gegebenheiten, erhalten. Dies bewirkt, dass die systemspezifische Sinnkonstruktion unterschiedlicher Systeme ebenfalls Unterschiede aufweist. 571 Führt man beide Erkenntnisse zusammen und nimmt an, dass es sich bei dem Organisationsteil, das das Case Management betreibt und dem Organisationsteil, dass für die Leistungsplanung, -beschaffung und damit –steuerung verantwortlich ist, um ein weiteres, also vom Case Management abgegrenztes Organisationsteil handelt, dann können beide Teile, Case Management und Leistungsplanung (wofür Neuffer zumeist den Begriff des Sozialmanagements verwendet 572 ), als unterschiedliche 569 Es ist allerdings einschränkend anzumerken, dass Neuffer bei seiner Position vor allem Überschneidungen und damit Konflikte zwischen dem steuernden Anspruch von Case Management und den ‚etablierten’ Steuerungsinstanzen wie Sozialmanagement (Sozialplanung usw.) im Auge hatte, die er mit seinem Vorschlag umgehen wollte. Auch birgt für ihn eine zu starke Betonung der Systemsteuerung die Gefahr, „… den eigentlichen Ausgangspunkt, die schwierige Belastungssituation eines Klienten, aus den Augen zu verlieren.“ (a.a.O., S. 158). So sehr beide Argumente nicht von der Hand zu weisen sind, so stellt jedoch die Vernachlässigung der Systemebene eine schwerwiegende Gefahr für die Gewährleistung eines tatsächlich bedarfsorientierten Hilfeangebotes dar, weshalb der Verfasser seiner Position in der Abwägung nicht folgt. 570 vgl. dazu Kap. 2.2.2.5 571 vgl. dazu Kap. 2.2.2.3 572 vgl. Neuffer 2005, S. 159 und Neuffer 2006b, S. 49 Seite 179
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über eine Vielzahl von Fällen mit einer eingegrenzten Perspektive gesprochen wird.<br />
Durch den eingeschränkten Horizont in Bezug auf die Gesamtheit der Fälle des<br />
damit betrauten ‚Basis-Teams’ hat aber auch diese Variante ihre Nachteile und<br />
erfordert zudem noch die ‚Weiterverarbeitung’ der dadurch gewonnenen<br />
Erkenntnisse, um dann in tatsächliche <strong>Systemsteuerung</strong>en einmünden zu können.<br />
Ein weiterer zudiskutierender Punkt kann mit dem Vorschlag von Manfred Neuffer<br />
gekennzeichnet werden, die <strong>Systemsteuerung</strong>sverantwortung vom <strong>Case</strong><br />
<strong>Management</strong> zu entkoppeln: "Der <strong>Case</strong> Manager muss in diesem Prozess der<br />
<strong>Systemsteuerung</strong> […] nicht notwendigerweise selbst beteiligt sein. Mit einer<br />
indirekten Mitarbeit durch zur Verfügung stellen von (anonym) ausgewerteten<br />
Fallverläufen, einschließlich der Rückmeldungen von KlientInnen und durch seine<br />
Erkenntnisse aus der fallspezifischen Netzwerkarbeit kann er die fallunspezifische<br />
erheblich beeinflussen und fördern." (Neuffer 2005, S. 164) 569<br />
Nach diesem Verfahren gibt der <strong>Case</strong> Manager, gibt das gesamte <strong>Case</strong><br />
<strong>Management</strong> (das ‚Groß-Team’, das insgesamt die klientenbezogenen Leistungen<br />
gestaltet) lediglich seine Erkenntnisse aus den Fällen an die planerische,<br />
leistungsbeschaffende und damit systemsteuernde Instanz weiter. Neuffer folgert<br />
daraus, dass damit eine „erhebliche“ Beeinflussung möglich ist (s.o.). Auch zur<br />
Beurteilung dieses Aspektes lohnt sich der Rückgriff auf die Systemtheorie, die<br />
damit ihre Relevanz für Fragestellungen <strong>im</strong> Bereich des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> einmal<br />
mehr unter Beweis stellt. Der Verfasser hatte einerseits dargestellt, dass soziale<br />
Systeme, wie z.B. das Organisationssystem ‚Kommunalverwaltung’ sich in weitere<br />
Sub-Systeme ausdifferenzieren kann, die sich mit spezifischen Teilaufgaben<br />
beschäftigen und damit die Komplexität für das Gesamtsystem (Super-System)<br />
reduzieren, aber auch damit zusätzliche Komplexitätsreserven für<br />
teilaufgabenspezifische Belange erhalten. 570 Dazu wurde weiterhin bereits<br />
ausgeführt, dass soziale Systeme ihre Identität durch eine für sie spezifische Art der<br />
Sinnkonstruktion, d.h. der Zuweisung von Sinn zu best<strong>im</strong>mten Gegebenheiten,<br />
erhalten. Dies bewirkt, dass die systemspezifische Sinnkonstruktion<br />
unterschiedlicher Systeme ebenfalls Unterschiede aufweist. 571 Führt man beide<br />
Erkenntnisse zusammen und n<strong>im</strong>mt an, dass es sich bei dem Organisationsteil, das<br />
das <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> betreibt und dem Organisationsteil, dass für die<br />
Leistungsplanung, -beschaffung und damit –steuerung verantwortlich ist, um ein<br />
weiteres, also vom <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> abgegrenztes Organisationsteil handelt, dann<br />
können beide Teile, <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> und Leistungsplanung (wofür Neuffer<br />
zumeist den Begriff des Sozialmanagements verwendet 572 ), als unterschiedliche<br />
569 Es ist allerdings einschränkend anzumerken, dass Neuffer bei seiner Position vor allem<br />
Überschneidungen und damit Konflikte zwischen dem steuernden Anspruch von <strong>Case</strong> <strong>Management</strong><br />
und den ‚etablierten’ Steuerungsinstanzen wie Sozialmanagement (Sozialplanung usw.) <strong>im</strong> Auge<br />
hatte, die er mit seinem Vorschlag umgehen wollte. Auch birgt für ihn eine zu starke Betonung der<br />
<strong>Systemsteuerung</strong> die Gefahr, „… den eigentlichen Ausgangspunkt, die schwierige<br />
Belastungssituation eines Klienten, aus den Augen zu verlieren.“ (a.a.O., S. 158). So sehr beide<br />
Argumente nicht von der Hand zu weisen sind, so stellt jedoch die Vernachlässigung der Systemebene<br />
eine schwerwiegende Gefahr für die Gewährleistung eines tatsächlich bedarfsorientierten<br />
Hilfeangebotes dar, weshalb der Verfasser seiner Position in der Abwägung nicht folgt.<br />
570 vgl. dazu Kap. 2.2.2.5<br />
571 vgl. dazu Kap. 2.2.2.3<br />
572 vgl. Neuffer 2005, S. 159 und Neuffer 2006b, S. 49<br />
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