Systemsteuerung im Case Management

Systemsteuerung im Case Management Systemsteuerung im Case Management

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28.01.2013 Aufrufe

getroffen. 552 Eine Steuerungsabsicht bezüglich des ‚Hilfesystems’, d.h. die Beeinflussung des künftigen Hilfeangebotes auch über den Fall hinaus, besteht damit nicht. Systemsteuerung, das hatte der Verfasser bei seiner Definition ausdrücklich eingeschlossen, kann aber auch ohne konkrete Steuerungsabsicht bewirkt werden. In diesem Fall wäre lediglich zu prüfen, ob eine einzelfallübergreifende Veränderung im ‚Hilfssystem’ stattgefunden hat, die in einem (kausalen) Zusammenhang mit den steuernden Aktivitäten des Case Managements steht. Um dies zu beurteilen, muss auf die ‚Seite’ des Hilfesystems gewechselt werden. Nachdem nur schwerlich vorstellbar sein wird, dass die Nicht-Nutzung eines Hilfeangebotes für einen konkreten Fall dem betreffenden Systempartner angekündigt wird, ist die destruktive Steuerung eine immaterielle: Es geht um die Reduzierung von Wissen – hier um Wissen um den Fall, für den möglicher Weise eine Hilfeleistung hätte realisiert werden können. Eine Verhaltensänderung des betreffenden Systempartners aufgrund des so vollzogenen Wissensentzugs ist nicht zu erwarten. Auch wenn die Nicht-Nutzung ebenfalls als Entziehung materieller Mittel (Honorare) gewertet werden könnte, d.h. durch die Nicht-Nutzung entgeht dem Systempartner (ohne Voraussetzung seiner Einwilligung) destruktiv die Möglichkeit zur Erzielung materiellem Nutzens, so geschieht auch dies ohne sein Wissen (was eine Zuordnung zur immateriellen Steuerung sinnvoller macht) und wird daher auch ohne Handlungsfolgen bleiben. Aus Sicht des Verfassers ist steuerungstheoretisch eine fallübergreifende Wirkung beim ‚Hilfesystem’ daher nicht festzustellen. Es muss sich bei diesen Schlüssen aber stets vergegenwärtigt werden, dass es sich hier jeweils um einen einzelnen Fall handelt. 553 Es bliebe damit höchstens noch die Überlegung, dass durch Inanspruchnahme und Nicht-Inanspruchnahme so etwas wie Marktmechanismen ausgelöst werden, d.h. Veränderungen in der Nachfrage auch Veränderungen im Angebot nach sich ziehen. Dies würde aber voraussetzen, dass alle (oder zumindest die betreffenden) Systempartner ihre Leistungen unter Marktgesichtpunkten erbringen, d.h. ihr Angebot nachfrageorientiert nach Preis, Menge und Qualität gestalten. Dazu müssten aber alle betreffenden Systempartner durch Veränderungen in der Leistungsnachfrage auch Änderungen in den Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit erfahren, d.h. systemtheoretisch gesehen, in ihrer Sinnkonstruktion Umweltveränderungen (andere Nachfrage nach System-Output) als so bedeutet einschätzen, dass dadurch bestimmte Handlungsselektionen wahrscheinlicher werden. 554 Dies ist aber dann vor allem der Fall, wenn dadurch auch materielle Bereiche berührt werden, d.h. der Zufluss an Geld deutlich zu- oder abnimmt. Nun wird aber längst nicht jeder Systempartner über direkte Leistungsentgelte honoriert, bei denen ein solcher Mechanismus denkbar wäre, sondern auch über pauschale Zuwendungen oder die Nutzung bleibt sogar zuwendungsfrei, so dass Nutzungsänderungen im System nur als Veränderung der Arbeitsbelastung 552 möglicher Weise zusätzlich bestehende Vorlieben und Abneigungen von Case Managern gegenüber bestimmten Hilfen und bestimmten Hilfeanbietern werden hierbei ausgeblendet (diese hätten dann durchaus eine systembezogene Steuerungsabsicht z.B. durch Bevorzugung bestimmter Hilfen / bestimmter Anbieter) 553 Würde ein Systempartner hingegen dauerhaft und erheblich im Vergleich zur bisherigen Handlungsweise weniger genutzt, hätte dies natürlich fallübergreifende Auswirkungen. 554 vgl. Kap. 2.2.2.4 Seite 170

ankommen, auf die dann entsprechend reagiert wird. Mehr Nachfrage bewirkt dann nicht ein vergrößertes Angebot (oder ein höherer Preis), sondern zunächst erst einmal längere Wartzeiten auf die Leistung! Am Beispiel einer pauschal honorierten Schuldnerberatung lässt sich dieser Mechanismus gut darstellen: Mehr Nachfrage führt hier lediglich zu einer größeren Arbeitsbelastung und damit zu längeren Wartezeiten, so dass sogar gesagt werden kann, dass hier eine höhere Nachfrage die Qualität der Einzelleistung tendenziell reduziert. Marktaspekte haben daher in ‚Hilfesystemen’ nur eine eingeschränkte und z.T. gegenteilige Wirkung. Eine Systemsteuerung durch Marktmechanismen scheidet daher zumindest weitegehend aus, da die ‚Marktteilnehmer’ sich nicht durchgängig nach Marktgesichtspunkten verhalten und so die o.a. Marktmechanismen nicht greifen. 555 Damit sind alle Möglichkeiten einer Systemsteuerung alleine durch Leistungsnutzung durchgeprüft und im Ergebnis verworfen worden, so dass von einer Systemsteuerung im vom Verfasser vorgeschlagenen Sinne schon alleine durch Nutzung von Angeboten des ‚Hilfesystems’ nicht gesprochen werden kann. 3.4.3 ‚Linking’ von Fall- und Systemsteuerung Im Folgenden soll nun zum eigentlichen Kern der Systemsteuerung auf der Ebene der Fallsteuerung vorgedrungen werden, die zumeist als Mikroebene bezeichnet wird. 556 Bisher wurden nur Voraussetzungen dazu behandelt, wie der ‚Fall ins System’ kommt – jetzt ist ‚Ross und Reiter’ zu nennen und aufzuzeigen, wie nun eine gelingende Beeinflussung der Bereitstellung von Hilfeangeboten aus den Erkenntnissen der Fallarbeit heraus möglich ist. Tradiert ist die Bereitstellungsplanung eine Aufgabe der Sozialplanung, die zwar Bürger wie Professionelle in die Planungen einbeziehen soll, dies aber von den Forderungen einer aus dem Fallbedarf heraus orientierten Angebotssteuerung meist weit entfernt ist. 557 Durch Arbeit in Case Management ‚Basis-Teams’ und durch die Schaffung eines Bewusstseins zur Prüfung der ‚Systemrelevanz’ von Erkenntnissen aus den Fällen wurde vom Verfasser bereits ein Grundstein gelegt. Darauf aufbauend müssen nun Methoden geschaffen werden, die darauf aufbauen können und geeignet sind, das intendierte ‚Linking’ 558 auch praktisch zu leisten. Unter ‚Linking’ in diesem Zusammenhang soll aus Sicht des Verfassers die Zusammenführung von Erkenntnissen aus den Fällen mit der Steuerung von Hilfeangeboten des ‚Hilfesystems’ verstanden werden. Weiterhin wird der bereits verwandte Begriff der 555 vgl. dazu aber noch Kap. 3.6.3 zu Erfahrungen aus den USA mit Marktmechanismen bei Hilfeanbietern 556 vgl. z.B. Wendt 2006a, Wendt 2006b 557 vgl. zu aktuellen Ansätzen der Sozialplanung z.B. den Sammelband von Kühn und Feldmann im Auftrag des Deutschen Vereins Kühn et al. 2005 oder auch Jordan et al. 1998, Kreft, Falten 2003, Lukas 2006, Brülle 1998 558 Der Verfasser verwendet hier einen von van Riet/Wouters verwendeten Begriff, mit dem sie die Zusammenführung von Hilfebedarf und Hilfeleistung bezeichneten – vgl. van Riet, Wouters 2002, eine ähnliche Verwendung findet sich auch bei Wissert: Wissert 2007 – genau diese Zusammenführung von Hilfeinanspruchnahme und Hilfeplanung ist auf der Systemebene ebenfalls zu leisten, so dass sich die Begrifflichkeit des ‚Linkings’ hierzu durchaus anbietet. Seite 171

getroffen. 552 Eine Steuerungsabsicht bezüglich des ‚Hilfesystems’, d.h. die<br />

Beeinflussung des künftigen Hilfeangebotes auch über den Fall hinaus, besteht<br />

damit nicht.<br />

<strong>Systemsteuerung</strong>, das hatte der Verfasser bei seiner Definition ausdrücklich<br />

eingeschlossen, kann aber auch ohne konkrete Steuerungsabsicht bewirkt werden.<br />

In diesem Fall wäre lediglich zu prüfen, ob eine einzelfallübergreifende Veränderung<br />

<strong>im</strong> ‚Hilfssystem’ stattgefunden hat, die in einem (kausalen) Zusammenhang mit den<br />

steuernden Aktivitäten des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s steht. Um dies zu beurteilen, muss<br />

auf die ‚Seite’ des Hilfesystems gewechselt werden. Nachdem nur schwerlich<br />

vorstellbar sein wird, dass die Nicht-Nutzung eines Hilfeangebotes für einen<br />

konkreten Fall dem betreffenden Systempartner angekündigt wird, ist die destruktive<br />

Steuerung eine <strong>im</strong>materielle: Es geht um die Reduzierung von Wissen – hier um<br />

Wissen um den Fall, für den möglicher Weise eine Hilfeleistung hätte realisiert<br />

werden können. Eine Verhaltensänderung des betreffenden Systempartners<br />

aufgrund des so vollzogenen Wissensentzugs ist nicht zu erwarten. Auch wenn die<br />

Nicht-Nutzung ebenfalls als Entziehung materieller Mittel (Honorare) gewertet<br />

werden könnte, d.h. durch die Nicht-Nutzung entgeht dem Systempartner (ohne<br />

Voraussetzung seiner Einwilligung) destruktiv die Möglichkeit zur Erzielung<br />

materiellem Nutzens, so geschieht auch dies ohne sein Wissen (was eine<br />

Zuordnung zur <strong>im</strong>materiellen Steuerung sinnvoller macht) und wird daher auch ohne<br />

Handlungsfolgen bleiben. Aus Sicht des Verfassers ist steuerungstheoretisch eine<br />

fallübergreifende Wirkung be<strong>im</strong> ‚Hilfesystem’ daher nicht festzustellen. Es muss sich<br />

bei diesen Schlüssen aber stets vergegenwärtigt werden, dass es sich hier jeweils<br />

um einen einzelnen Fall handelt. 553<br />

Es bliebe damit höchstens noch die Überlegung, dass durch Inanspruchnahme und<br />

Nicht-Inanspruchnahme so etwas wie Marktmechanismen ausgelöst werden, d.h.<br />

Veränderungen in der Nachfrage auch Veränderungen <strong>im</strong> Angebot nach sich ziehen.<br />

Dies würde aber voraussetzen, dass alle (oder zumindest die betreffenden)<br />

Systempartner ihre Leistungen unter Marktgesichtpunkten erbringen, d.h. ihr<br />

Angebot nachfrageorientiert nach Preis, Menge und Qualität gestalten. Dazu<br />

müssten aber alle betreffenden Systempartner durch Veränderungen in der<br />

Leistungsnachfrage auch Änderungen in den Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit<br />

erfahren, d.h. systemtheoretisch gesehen, in ihrer Sinnkonstruktion<br />

Umweltveränderungen (andere Nachfrage nach System-Output) als so bedeutet<br />

einschätzen, dass dadurch best<strong>im</strong>mte Handlungsselektionen wahrscheinlicher<br />

werden. 554 Dies ist aber dann vor allem der Fall, wenn dadurch auch materielle<br />

Bereiche berührt werden, d.h. der Zufluss an Geld deutlich zu- oder abn<strong>im</strong>mt. Nun<br />

wird aber längst nicht jeder Systempartner über direkte Leistungsentgelte honoriert,<br />

bei denen ein solcher Mechanismus denkbar wäre, sondern auch über pauschale<br />

Zuwendungen oder die Nutzung bleibt sogar zuwendungsfrei, so dass<br />

Nutzungsänderungen <strong>im</strong> System nur als Veränderung der Arbeitsbelastung<br />

552 möglicher Weise zusätzlich bestehende Vorlieben und Abneigungen von <strong>Case</strong> Managern<br />

gegenüber best<strong>im</strong>mten Hilfen und best<strong>im</strong>mten Hilfeanbietern werden hierbei ausgeblendet (diese<br />

hätten dann durchaus eine systembezogene Steuerungsabsicht z.B. durch Bevorzugung best<strong>im</strong>mter<br />

Hilfen / best<strong>im</strong>mter Anbieter)<br />

553 Würde ein Systempartner hingegen dauerhaft und erheblich <strong>im</strong> Vergleich zur bisherigen<br />

Handlungsweise weniger genutzt, hätte dies natürlich fallübergreifende Auswirkungen.<br />

554 vgl. Kap. 2.2.2.4<br />

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