Systemsteuerung im Case Management

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ein „aus mehreren Teilen zusammengesetztes Ganzes“ wurde. Das Lateinische verwendet mit „systema“ denselben Begriff 24 . Schon alleine aufgrund der Herkunft des Begriffs „Systems“ (systema) kann abgeleitet werden, dass ein System aus Teilen oder Elementen besteht, die zu einem Ganzen zusammengesetzt, also verknüpft werden. Weiterhin verweist der Begriff darauf, dass es eine Abgrenzung geben muss, was zum System gehört, also miteinander verknüpft ist, und was nicht. Ebenfalls für das System bedeutsam sind beide aus der Wortherkunft zu erkennenden Aussagen: die Elemente des Systems und die Verknüpfung. Die in der Wissenschaft zu findenden Definitionen von System, lehnen sich an diese Erkenntnisse an. So schreibt z.B. Ludwig von Bertalanffy in seiner „General System Theory“: "A system can be defined as a set of elements standing in interrelations. Interrelation means that elements, p, stand in relations, R, so that the behavior of an element p in R is different from its behavior in another relation, R'." (von Bertalanffy 1973, S. 55–56) Auch hier sind die zuvor schon erkannten Begrifflichkeiten: Elemente und Beziehungen (Verknüpfungen – s.o.) zu erkennen. Von Bertalanffy verweist dabei noch im Besonderen auf die Bedeutung der wechselweisen Beziehungen („interrelations“), so dass das Verhalten eines Elementes in einer bestimmten Beziehung (mit anderen Elementen) unterschiedlich von dem sein wird, wie sein Verhalten in einer anderen Beziehung zu erwarten ist. 2.1.2 Der Systembegriff aus Sicht unterschiedlicher Disziplinen Um vom allgemeinen Systembegriff zum eigentlichen Gegenstand dieser Arbeit, der Steuerung sozialer Systeme zu kommen, ist es sinnvoll, sich zunächst zu betrachten, wie die unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen den Begriff des Systems aus ihrer Sicht sehen. Die alleinige Betrachtung der Systemtheorie wäre dazu eine zu verkürzte Darstellung, da einerseits die Systemtheorie auf Erkenntnisse z.B. aus der Biologie zurückgreift 25 und andererseits in der wissenschaftlichen Diskussion nicht unumstritten ist, so dass eine alleinige Basierung des Systembegriffs auf die Systemtheorie diese Arbeit stark angreifbar machen würde. Nur im Vergleich der Sichtweisen unterschiedlicher Disziplinen lässt sich nach Ansicht des Verfassers bestimmen, ob es so etwas wie einen allgemeinen Systembegriff gibt, der dann auch als Grundlage für die Betrachtung der Aussagen der Systemtheorie und im weiteren der Betrachtung sozialer Systeme verwendet werden kann. Um diesen Teil der Arbeit in Grenzen zu halten, wurden für die Analyse drei wissenschaftlichen Disziplinen ausgewählt, von denen erwartet werden kann, dass sie sich intensiv mit dem Systembegriff beschäftigen: die Biologie, die Ingenieurwissenschaften und die Kybernetik. 24 vgl. dazu u.a. von von Foerster 1988 oder Völz 2005 25 Luhmann lehnt sein Konzept der Autopoiesis stark an die Arbeit von Maturana und Varela an - vgl. Maturana, Varela 1987 Seite 14

2.1.2.1 Der Systembegriff aus Sicht der Biologie Die Biologie verwendet den Systembegriff, wie (fast) jede Wissenschaft in vielfältiger Weise. Das Lexikon der Biologie definiert daher System auch sehr allgemein als "... ein zusammengesetzter Gegenstand (Ganzheit) materieller (konkreter) oder begrifflicher (abstrakter) Natur, zwischen dessen Teilen ein mehr oder weniger stabiler Zusammenhalt besteht ...". (Freudig 2004, S. 332). Der Systembegriff wird in dieser Disziplin daher von abstrakt – z.B. als Klassifizierungssystem von Lebewesen 26 bis konkret – z.B. als dem jedem geläufigen Ökosystem 27 verwendet. Schwerpunktmäßig verwendet die Biologie, wie auch zu erwarten, den Systembegriff in Bezug auf Lebendiges, also auf Organismen, was sie wie folgt definiert: "Jedes lebende System ist vor allem dadurch charakterisiert, dass es seine eigene Vermehrung bewirken kann. Dieses allgemeinste Merkmal aller Lebewesen trifft auch auf den Elementarorganismus, also auf die einzelne Zelle zu." (Kleinig, Sitte 1986, S. 3) Der hier zu findende Begriff der Selbstvermehrung ist ein zentrales Merkmal des Systembegriffs der Biologie in Bezug auf lebende Systeme. Als weitere zentrale Systemmerkmale sind festzuhalten: • (Fast) alle Systeme haben eine Umgebung, die einen Einfluss auf das System ausübt bzw. vom System beeinflusst wird. Die Einschränkung „fast“ ist deshalb zu treffen, da als einzigstes System ohne Umgebung das Universum angesehen wird 28 . Da dieses weder Gegenstand der Biologie noch der Betrachtung im Rahmen des Case Managements ist, kann die zuvor angesprochene Einschränkung aber aus Sicht des Verfassers vernachlässigt werden. • Darauf aufbauend wird bei lebenden Systemen zwischen ihrer Endostruktur und ihrer Exostruktur 29 unterschieden. Die Endostruktur beschreibt dabei den inneren „Bauplan“ eines Systems und die Exostruktur dessen Beziehungen zur System- Umwelt. 30 • "Systeme sind […] vielfältig ineinandergeschachtelt: Sie bilden Hierarchien, d.h. je nach Perspektive sind sie entweder Subsysteme oder Supersysteme. Eine Menge von Systemen mit vergleichbarer Zusammensetzung heißt Systemebene. So spricht man von der atomaren, molekularen oder Organismusebene, usw. Wenn man sich (einseitig) nur auf die vergleichbare Struktur bezieht, spricht man auch von Organisationsebenen." (Freudig 2004, S. 332–333) • Lebende Systeme befinden sich in einem ständigen Austausch von Materie und Energie mit ihrer Umwelt und sind daher als offene Systeme zu 26 z.B. als Sexualsystem nach Linné oder als „phylogenetische" System nach v. Wettstein – s. von Denffer et al. 1983 27 "Der Begriff Ökosystem […] umschreibt das zwar offene, aber jedoch zur Selbstregulation befähigte Wirkungsgefüge zwischen zusammenlebenden Organismen und ihrer anorganischen Umwelt." von Denffer et al. 1983, S. 917 28 "Die Umgebung eines Systems ist die Menge aller Objekte außerhalb des Systems, die einen Einfluß auf das betreffende System ausüben bzw. die von dem gegebenen System beeinflußt werden können. (Das Universum ist das einzige System, das keine Umgebung hat.)" Freudig 2004, S. 332 29 von griech. „endo“ = innen bzw. „exo“ = außen 30 "vgl. z.B. Freudig 2004, S. 332 Seite 15

2.1.2.1 Der Systembegriff aus Sicht der Biologie<br />

Die Biologie verwendet den Systembegriff, wie (fast) jede Wissenschaft in vielfältiger<br />

Weise. Das Lexikon der Biologie definiert daher System auch sehr allgemein als "...<br />

ein zusammengesetzter Gegenstand (Ganzheit) materieller (konkreter) oder<br />

begrifflicher (abstrakter) Natur, zwischen dessen Teilen ein mehr oder weniger<br />

stabiler Zusammenhalt besteht ...". (Freudig 2004, S. 332). Der Systembegriff wird in<br />

dieser Disziplin daher von abstrakt – z.B. als Klassifizierungssystem von<br />

Lebewesen 26 bis konkret – z.B. als dem jedem geläufigen Ökosystem 27 verwendet.<br />

Schwerpunktmäßig verwendet die Biologie, wie auch zu erwarten, den Systembegriff<br />

in Bezug auf Lebendiges, also auf Organismen, was sie wie folgt definiert: "Jedes<br />

lebende System ist vor allem dadurch charakterisiert, dass es seine eigene<br />

Vermehrung bewirken kann. Dieses allgemeinste Merkmal aller Lebewesen trifft<br />

auch auf den Elementarorganismus, also auf die einzelne Zelle zu." (Kleinig, Sitte<br />

1986, S. 3) Der hier zu findende Begriff der Selbstvermehrung ist ein zentrales<br />

Merkmal des Systembegriffs der Biologie in Bezug auf lebende Systeme.<br />

Als weitere zentrale Systemmerkmale sind festzuhalten:<br />

• (Fast) alle Systeme haben eine Umgebung, die einen Einfluss auf das System<br />

ausübt bzw. vom System beeinflusst wird. Die Einschränkung „fast“ ist deshalb<br />

zu treffen, da als einzigstes System ohne Umgebung das Universum angesehen<br />

wird 28 . Da dieses weder Gegenstand der Biologie noch der Betrachtung <strong>im</strong><br />

Rahmen des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s ist, kann die zuvor angesprochene<br />

Einschränkung aber aus Sicht des Verfassers vernachlässigt werden.<br />

• Darauf aufbauend wird bei lebenden Systemen zwischen ihrer Endostruktur und<br />

ihrer Exostruktur 29 unterschieden. Die Endostruktur beschreibt dabei den inneren<br />

„Bauplan“ eines Systems und die Exostruktur dessen Beziehungen zur System-<br />

Umwelt. 30<br />

• "Systeme sind […] vielfältig ineinandergeschachtelt: Sie bilden Hierarchien, d.h.<br />

je nach Perspektive sind sie entweder Subsysteme oder Supersysteme. Eine<br />

Menge von Systemen mit vergleichbarer Zusammensetzung heißt Systemebene.<br />

So spricht man von der atomaren, molekularen oder Organismusebene, usw.<br />

Wenn man sich (einseitig) nur auf die vergleichbare Struktur bezieht, spricht man<br />

auch von Organisationsebenen." (Freudig 2004, S. 332–333)<br />

• Lebende Systeme befinden sich in einem ständigen Austausch von Materie und<br />

Energie mit ihrer Umwelt und sind daher als offene Systeme zu<br />

26 z.B. als Sexualsystem nach Linné oder als „phylogenetische" System nach v. Wettstein – s. von<br />

Denffer et al. 1983<br />

27 "Der Begriff Ökosystem […] umschreibt das zwar offene, aber jedoch zur Selbstregulation befähigte<br />

Wirkungsgefüge zwischen zusammenlebenden Organismen und ihrer anorganischen Umwelt." von<br />

Denffer et al. 1983, S. 917<br />

28 "Die Umgebung eines Systems ist die Menge aller Objekte außerhalb des Systems, die einen<br />

Einfluß auf das betreffende System ausüben bzw. die von dem gegebenen System beeinflußt werden<br />

können. (Das Universum ist das einzige System, das keine Umgebung hat.)" Freudig 2004, S. 332<br />

29 von griech. „endo“ = innen bzw. „exo“ = außen<br />

30 "vgl. z.B. Freudig 2004, S. 332<br />

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