Systemsteuerung im Case Management

Systemsteuerung im Case Management Systemsteuerung im Case Management

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in seiner zeitlichen Gestaltung oder in der Einrichtung zusätzlichen Angebote zur sozialen Stabilisierung. Erst durch die Ausbildung einer solchen ‚Flexibilitätskompetenz’ entwickeln Hilfeleistungen eine Fähigkeit zur Umsetzung zentraler Implikationen des Case Managements! 477 Nimmt man die Forderungen nach individueller Passgenauigkeit der Hilfen und ihrer bedarfsgerechten Anpassung des Case Managements ernst, so müssen in letzter Konsequenz die einzelnen Hilfeleistungen diese Forderung umsetzen. Da die unüberschaubare Vielfalt individueller Bedarfe nicht in vollem Umfang vorhersehbar und damit vorausplanbar ist, können Hilfsangebote inhaltlich nur als ‚Grundgerüste’ mit konzeptionell ‚eingebauter’ Flexibilität gedacht und bereitgestellt werden. Dies hat nicht nur Konsequenzen von hoher Tragweite an die Systempartner, die eben dies leisten sollen, sondern auch an das Case Management in der Art und Weise, wie solche Leistungen beschafft und vergütet werden. Dies soll aber noch gesondert erörtert werden. 478 Aus Sicht des Verfassers ist daher zu unterstreichen, dass Hilfeleistungen, die im Case Management eingesetzt werden sollen, ein hohes Maß an Flexibilität in ihrer konkreten Ausgestaltung aufweisen müssen, die sie erst in die Lage versetzt, tatsächlich konkreten individuellen Hilfebedarfen entsprechen zu können. Diese Flexibilität umfasst zur Gewährleistung dieser Anforderung nicht nur die Fähigkeit zur Anpassung der Hilfen an einen individuellen Bedarf, sondern zugleich immer auch die Fähigkeit, bedarfsgerechte Veränderungen während der Hilfegewährung zu ermöglichen. Dies gemeinsam mit den Systempartnern zu erreichen ist eine zentrale Aufgabe der Systemsteuerung, deren Bedeutung nicht genug betont werden kann. An dem Grad der Erfüllung vor allem dieser Aufgabe muss sich Systemsteuerung daher messen lassen, wenn ihr Erfolg beurteilt werden soll. 3.3 Das „Organisationssystem“: Was benötigt eine Case Management betreibende Organisation an Voraussetzungen, um Hilfesysteme steuern zu können? "Es ist von Vorteil, wenn sich der Case Manager auf interprofessionelle Zusammenarbeit versteht und mit Kompetenz die Dinge vorantreibt. Aber alles Charisma der Welt macht aus schlechten Diensten keine besseren und kann die Weigerung eines Trägers, eine benötigte Unterstützung zu geben, nicht ausgleichen. Hier müssen die Organisationen, die das Case Management anbieten, und ihre Administration dem Unterstützungsmanagement zu Hilfe kommen." (Weil 1995, S. 93) Die Case Management betreibende Organisation ist also quasi der ‚Transmissionsriemen’ von Steuerungsaktivitäten zwischen Case Management und ‚Hilfesystem’. Damit erhält man sofort eine Erkenntnis für die nachfolgend nur noch ‚Case Management Organisation’ genannte Einrichtung, in den vom Verfasser vorrangig behandelten Fällen also ein Kostenträger nach SGB II (oder auch SGB VIII): Die Einführung von Case Management allein aus der Ausführungsebene (die 477 zu analogen Erkenntnissen kommt Reis bei seiner Analyse der Anforderungen der Einführung von Fallmanagement im SGB II, dass „… Träger auf die Funktion reduziert werden, klar abgegrenzte Dienstleistungen zu erbringen […] (und – RF) zur beständigen Anpassung ihres Angebotes gezwungen sind.“ Reis 2005b, S. 15 478 vgl. zu Möglichkeiten der Leistungsbeschaffung Kap. 3.7.2.1 Seite 148

Case Manager) schlägt fehl, weil auch die Organisation eine ‚Case Management Kompetenz’ entwickeln muss. 479 Case Management gibt es daher organisationsbezogen nicht sozusagen zum ‚Nulltarif’, sondern nur bei Bereitschaft zu merklichen Organisationsveränderungen, für die eine Case Management Organisation auch bereit und fähig sein muss. Ansonsten heißt die neue Dienstleistung zwar Case Management (der Begriff ist nicht geschützt und daher zur Beliebigkeit formbar), allein es ist aber, wie Wendt sagen würde, aber nicht Case Management ‚drin’ und das, was ‚drin’ ist, unterscheidet sich nicht von traditioneller fallbezogener Sozialer Arbeit, wenn sie überhaupt deren Qualitätsstandards erfüllen kann. 480 Reis kommt im Vergleich der Anforderungen des Case Managements an Organisationen und deren Struktur und Arbeitsweise ‚davor’ zu dem sehr nachvollziehbaren Schluss: „Die Einführung von Case Management schafft erhebliche Turbulenzen in tradierten Organisations- und Politikstrukturen.“ 481 Fasst man nun die aus Sicht des Verfassers dazu relevanten und daher in der Organisation zu berücksichtigenden Faktoren zusammen, so sind folgende Aspekte von Relevanz für die Organisation: • Case Manager benötigen große Handlungsspielräume für die bedarfsorientierte Gestaltung, Realisierung und Anpassung von Hilfeplänen. 482 • Die größeren Handlungsspielräume bewirken größere Anforderungen an die Fachlichkeit von Case Managern. 483 • Das sehr strukturierte Ablaufkonzept des Case Managements benötigt entsprechende Strukturierungen seitens der Organisation. 484 • Die im Case Management Konzept bereits ‚eingebaute’ Überprüfung der Effektivität und Effizienz der Leistungserbringung bedingt entsprechende Unterstützung seitens der Organisation. 485 479 vgl. zu analogen Sichtweisen z.B. Löcherbach 2007, Wendt 2006b, Wendt 2005a, Mennemann 2006, Neuffer 2006c, Fachgruppe Case Management der DGS (Hrsg.) 2005 und Deutsche Gesellschaft für Care und Case Management (DGCC) 2008 480 vgl. zu Fallarbeit ohne Case Management Bezug z.B. Schwabe 2005 bzw. in Anlehnung an Casework ohne Systembezug Pantucek 1998 481 Reis 2005b – bei seiner Evaluation im Rahmen der SGB II – Wirkungsforschung (gem. § 6c SGB II) stellt er aber fest: "Dabei fand zunächst eine Ausrichtung an jenen Mustern statt, die aus den bisher durchgeführte Aufgaben präsent waren und die sich für eine Übertragung in den SGB II- Bereich anboten. […] Vereinfacht gesagt: Die Träger verlängern ihre Organisations- und Lösungsmuster in die neue Einheit hinein." Reis, u.a. 2007, S. 105, d.h. in der konkreten Umsetzung haben sich die Grundsicherungsträger diesen „Turbulenzen“ entzogen und einfach ihre bisherige Organisationsstruktur in die neue Organisation ‚exportiert’ – dazu mehr in Kap. 4 482 vgl. dazu auch analoge Ausführungen von Reis 2005b S. 14 u. 17, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 2004a, S. 3, Gissel-Palkovich 2006a, S. 103 u. Gissel-Palkovich 2006b, S. 32 483 vgl. dazu auch die Anforderungen an Case Managern seitens der DGCC Deutsche Gesellschaft für Care und Case Management (DGCC) 2004 bzw. des Deutschen Vereins: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 2004a 484 vgl. dazu Reis 2005b, S. 16 f., Deutsche Gesellschaft für Care und Case Management (DGCC) 2008 S. 9 f. u. 15, Faß 2006, S. 149, Neuffer 2005, S. 159, Wendt 2006a S. 69 ff., Löcherbach 2007, S. 20, Gissel-Palkovich 2006a S. 102 ff. Seite 149

<strong>Case</strong> Manager) schlägt fehl, weil auch die Organisation eine ‚<strong>Case</strong> <strong>Management</strong><br />

Kompetenz’ entwickeln muss. 479 <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> gibt es daher<br />

organisationsbezogen nicht sozusagen zum ‚Nulltarif’, sondern nur bei Bereitschaft<br />

zu merklichen Organisationsveränderungen, für die eine <strong>Case</strong> <strong>Management</strong><br />

Organisation auch bereit und fähig sein muss. Ansonsten heißt die neue<br />

Dienstleistung zwar <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> (der Begriff ist nicht geschützt und daher zur<br />

Beliebigkeit formbar), allein es ist aber, wie Wendt sagen würde, aber nicht <strong>Case</strong><br />

<strong>Management</strong> ‚drin’ und das, was ‚drin’ ist, unterscheidet sich nicht von traditioneller<br />

fallbezogener Sozialer Arbeit, wenn sie überhaupt deren Qualitätsstandards erfüllen<br />

kann. 480<br />

Reis kommt <strong>im</strong> Vergleich der Anforderungen des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s an<br />

Organisationen und deren Struktur und Arbeitsweise ‚davor’ zu dem sehr<br />

nachvollziehbaren Schluss: „Die Einführung von <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> schafft<br />

erhebliche Turbulenzen in tradierten Organisations- und Politikstrukturen.“ 481<br />

Fasst man nun die aus Sicht des Verfassers dazu relevanten und daher in der<br />

Organisation zu berücksichtigenden Faktoren zusammen, so sind folgende Aspekte<br />

von Relevanz für die Organisation:<br />

• <strong>Case</strong> Manager benötigen große Handlungsspielräume für die bedarfsorientierte<br />

Gestaltung, Realisierung und Anpassung von Hilfeplänen. 482<br />

• Die größeren Handlungsspielräume bewirken größere Anforderungen an die<br />

Fachlichkeit von <strong>Case</strong> Managern. 483<br />

• Das sehr strukturierte Ablaufkonzept des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s benötigt<br />

entsprechende Strukturierungen seitens der Organisation. 484<br />

• Die <strong>im</strong> <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> Konzept bereits ‚eingebaute’ Überprüfung der<br />

Effektivität und Effizienz der Leistungserbringung bedingt entsprechende<br />

Unterstützung seitens der Organisation. 485<br />

479 vgl. zu analogen Sichtweisen z.B. Löcherbach 2007, Wendt 2006b, Wendt 2005a, Mennemann<br />

2006, Neuffer 2006c, Fachgruppe <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> der DGS (Hrsg.) 2005 und Deutsche<br />

Gesellschaft für Care und <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> (DGCC) 2008<br />

480 vgl. zu Fallarbeit ohne <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> Bezug z.B. Schwabe 2005 bzw. in Anlehnung an<br />

<strong>Case</strong>work ohne Systembezug Pantucek 1998<br />

481 Reis 2005b – bei seiner Evaluation <strong>im</strong> Rahmen der SGB II – Wirkungsforschung (gem. § 6c SGB<br />

II) stellt er aber fest: "Dabei fand zunächst eine Ausrichtung an jenen Mustern statt, die aus den<br />

bisher durchgeführte Aufgaben präsent waren und die sich für eine Übertragung in den SGB II-<br />

Bereich anboten. […] Vereinfacht gesagt: Die Träger verlängern ihre Organisations- und<br />

Lösungsmuster in die neue Einheit hinein." Reis, u.a. 2007, S. 105, d.h. in der konkreten Umsetzung<br />

haben sich die Grundsicherungsträger diesen „Turbulenzen“ entzogen und einfach ihre bisherige<br />

Organisationsstruktur in die neue Organisation ‚exportiert’ – dazu mehr in Kap. 4<br />

482 vgl. dazu auch analoge Ausführungen von Reis 2005b S. 14 u. 17, Deutscher Verein für öffentliche<br />

und private Fürsorge 2004a, S. 3, Gissel-Palkovich 2006a, S. 103 u. Gissel-Palkovich 2006b, S. 32<br />

483 vgl. dazu auch die Anforderungen an <strong>Case</strong> Managern seitens der DGCC Deutsche Gesellschaft<br />

für Care und <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> (DGCC) 2004 bzw. des Deutschen Vereins: Deutscher Verein für<br />

öffentliche und private Fürsorge 2004a<br />

484 vgl. dazu Reis 2005b, S. 16 f., Deutsche Gesellschaft für Care und <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> (DGCC)<br />

2008 S. 9 f. u. 15, Faß 2006, S. 149, Neuffer 2005, S. 159, Wendt 2006a S. 69 ff., Löcherbach 2007,<br />

S. 20, Gissel-Palkovich 2006a S. 102 ff.<br />

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