Systemsteuerung im Case Management
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zuzust<strong>im</strong>men. Wobei Weyer selbst warnt: "In geradezu modischer Manier wird<br />
nahezu jedes empirische Phänomen mittlerweile durch die ‚Netzwerk-Brille‘<br />
betrachtet." (Weyer 2000, S. 1) 469<br />
So sehr auch der Netzwerk-Ansatz eine ‚verführerische Wirkung’ für alles nicht ganz<br />
systemtheoretisch fassbare zu entfalten scheint und man letzten Endes alle Arten<br />
des sozialen Miteinander gerne als Netzwerk betrachtet, so ist doch der eigentliche<br />
Begriffskern des Netzwerkes der einer (freiwilligen) Kooperation und Gleichen zur<br />
Verbesserung der auch wieder letzten Endes partikularen Interessen: "Wenn<br />
Unternehmen in Netzwerken kooperieren, bündeln sie ihre Ressourcen und<br />
Kompetenzen, stellen ihre Autonomie jedoch wechselseitig nicht in Frage. Sie<br />
verpflichten sich auf gemeinsame Ziele, zu deren Realisierung jeder Partner einen<br />
spezifischen Beitrag leistet." (Weyer 2000, S. 2)<br />
Netzwerke sind also durchaus der passende Begriff für ein Hilfesystem in der bereits<br />
mehrfach erwähnten Variante 2, d.h. eines aus Kooperation von Hilfeanbietern<br />
heraus entstehendem <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>. Auch für die Variante 3 (<strong>Case</strong><br />
<strong>Management</strong> aus Kooperation von <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> betreibenden<br />
Professionellen) ist es zumindest erstrebenswert, die Heterogenität der<br />
Hilfeangebote durch Förderung einer Vernetzung in Anlehnung zur Variante 2 zu<br />
reduzieren. Allein bei der Variante 1, der Entwicklung von <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> durch<br />
eine auch mit Kostenträgerschaft ‚ausgestatteten’ Organisation hat auch das<br />
Netzwerkmodell konzeptionelle ‚Risse’, da es Ziel der <strong>Systemsteuerung</strong> gerade sein<br />
muss, den partikularen Interessensverfolgungen einzelner Systempartner<br />
entgegenzuwirken, wenn diese den am Klienten ausgerichteten Nutzen der<br />
angebotenen Leistungen beeinträchtigen. Die Kooperation rein zum wechselweisen<br />
eigenen Nutzen 470 als Grundgedanke des Netzwerks stößt hier an deutliche und aus<br />
Sicht des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s auch auf notwendige Grenzen.<br />
Da sich die Ausführungen des Verfassers auf eben gerade ein <strong>Case</strong> <strong>Management</strong><br />
aus Initiative von Kostenträgern konzentrieren, 471 scheidet das sonst möglicher<br />
Weise passende Netzwerkkonzept leider ebenfalls als Begriffsbest<strong>im</strong>mung des<br />
Hilfesystems aus, es sei denn, man möchte ‚Netzwerk’ lediglich ganz allgemein <strong>im</strong><br />
Sinne der o.a. ‚Generaldefinition’ von Weyer begrifflich fassen.<br />
Was bleibt also zur begrifflichen Fassung des Hilfesystems in einem Kostenträgerbasierten<br />
<strong>Case</strong> <strong>Management</strong>? Aus Sicht des Verfassers kann man sich nur auf das<br />
systemtheoretisch ‚kompatible’ Konzept der strukturellen Kopplung 472 stützen:<br />
"Strukturelle Kopplungen stellen keine ‚Mechanismen‘ oder gar Systeme zwischen<br />
Systemen dar, sondern koppeln Systemstrukturen […], sie fundieren ein Verhältnis<br />
469 ähnlich Mennemann: "<strong>Case</strong> <strong>Management</strong> auf der Systemebene zum Aufbau von<br />
Dienstleistungsnetzwerken ist zunächst inhaltlich unbest<strong>im</strong>mt. In Zeiten der Individualisierung und<br />
Ausdifferenzierung wird der Begriff ‚Netzwerk‘ häufig verwandt, weil er den Gegenpart zur<br />
Vereinzelung symbolisiert: den Zusammenhalt. Entsprechend häufig wird er verwandt für<br />
unterschiedliche Inhalte und auch als Etikett missbraucht." Mennemann 2006, S. 12<br />
470 Hier wird bewusst nicht der übliche Begriff des ‚wechselseitigen’ Nutzens benutzt, da die (Eigen-)<br />
Interessenverfolgung der jeweiligen Netzwerkpartner unterstrichen werden sollen.<br />
471 vgl. Kap. 3.1.1<br />
472 vgl. dazu auch Luhmann 1987 S. 287 ff. u. 300, Becker, Reinhardt-Becker 2001 S. 65 ff.,<br />
Beushausen 2002 S. 3 f., Kämper, Schmidt 2000, Kriz 1997 S. 111 f., Marius, Jahraus 1997, S. 77,<br />
Maturana, Varela 1987, S. 85<br />
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