Systemsteuerung im Case Management

Systemsteuerung im Case Management Systemsteuerung im Case Management

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28.01.2013 Aufrufe

Datenschutzes (§ 3a BDSG Datenvermeidung und Datensparsamkeit) geht es bei diesen Fragen nicht um die Schaffung eines möglichst umfangreichen ‚Paketes’ von Daten, die hin- und hergeschoben werden sollen, sondern um die steuerungsbasierte Überlegung, welche Informationen zwingend erforderlich sind und wie diese in praktikabler Weise zwischen ‚Lieferant’ und ‚Empfänger’ ausgetauscht werden können. Und schließlich ist auch nicht derjenige zu vergessen, um den es insgesamt geht, den Klienten, der ein Recht hat, zu erfahren, welche Daten von im von wem zu wem ‚laufen’, der dieser Weitergabe widersprechen bzw. nachträglich noch die Löschung bereits gespeicherter Daten verlangen kann. 454 Nicht zu vergessen beim Thema ‚Schnittstellen’ sind aber auch Aspekte, die nicht nur auf bilaterale Berührungspunkte (Case Management – Hilfe bzw. Hilfe – Hilfe) beruhen, sondern das gesamte Hilfesystem betreffen. Dies betrifft u.a. „… die Entwicklung eines professions- und fachdienstübergreifenden Assessmentinstrumentes, eines Hilfeplanes, der Intake-Kriterien …“ 455 , also allen Instrumenten, die zwar meist unter gleichem Namen, aber zumeist auch in höchst unterschiedlicher Gestaltung von unterschiedlichen Organisationen verwendet werden. Auch hilft eine Vereinheitlichung, Missverständnisse vorzubeugen und Zeit, die ansonsten ständig zur ‚Übersetzung’ der unterschiedlichen ‚Sprachen’ der Hilfeanbieter aufgewandt werden müsste, einzusparen. Ziel der Schnittstellendefinition ist also die Klärung und weitgehender Standardisierung möglichst aller Prozesse, die zwischen Hilfen und Case Management und Hilfen untereinander stattfinden. 3.2.3.6 Kontrahierung Erst wenn nach den Leistungsabsprachen auch die entsprechenden Schnittstellen geklärt sind, ist es sinnvoll, die getroffenen Vereinbarung festzuschreiben, d.h. Verträge oder zumindest Kontrakte zu schließen, die das festhalten, was in den Phasen zuvor ausgehandelt wurde. 456 Die Definition von Leistungen alleine macht wenig Sinn, wenn nicht zugleich auch die Schnittstellen benannt und deren Ausgestaltung abgesprochen sind. Daher ist vor jeglicher Kontrahierung, vor jeglicher Festschreibung von Absprachen zu fordern, dass alle zu klärenden Bereiche auch tatsächlich diskutiert und eine entsprechende Einigung erzielt wurde. Auch hier ist wieder das Konzept der ‚besten Option ohne Konsens’ (BO) 457 hilfreich, wo allerdings beachtet werden sollte, auch die andere Seite eine solche BO haben kann und manchmal der Verzicht auf einen (schlechten) Kompromiss für beide Seiten die beste Lösung sein kann. Ein formales Vertragswerk wird auch in der Praxis bei der bereits mehrfach dargestellten Heterogenität des Hilfesystems nicht bei allen Systempartnern zu erreichen sein. Manche werden sich aus rationalen Überlegungen einer solchen 454 s. BDSG §§ 4a und 6, wobei allerdings zu fragen sein wird, inwieweit ein Case Management ohne Datenaustausch überhaupt sinnvoll ist, da ansonsten einer umfassenden Prozesssteuerung aus Sicht des Verfassers ihrer Grundlage beraubt wird 455 Mennemann 2006, S. 16 456 vgl. dazu auch Weil 1995, S. 93 457 vgl. Kap. 3.2.3.2 bzw. van Riet, Wouters 2002 S. 222 f. Seite 140

Kooperation verweigern (z.B. weil die eigene BO als besser eingeschätzt wird, wie ein möglicher Kompromiss im Zuge der Kooperation) oder sich auch aus ‚prinzipiellen’ Erwägungen einer Kooperation ganz oder weitgehend entziehen. 458 In solchen Fällen besteht für das Case Management nur die Alternative, entweder eine ‚wachsweiche’ Vereinbarung abzuschließen, unter der sich alle Beteiligten als Minimalkonsens zusammenfinden können, oder nur mit denjenigen zu kontrahieren, die auch zu substantiellen Vereinbarungen bereit sind. In Abwägung beider Möglichkeiten ist der letzteren entschieden der Vorzug zu geben, da Sinn der Systembildung es ja eben ist, die Steuerung von Hilfeanbietern und deren Hilfeangeboten für Fall- und Systemebene möglich zu machen, d.h. den zukünftigen Steuerungsbemühungen eine möglichst belastbare Grundlage zu verschaffen. ‚Wachsweiche’ Absichtserklärungen, die für das gesamte Hilfesystem gelten sollen, helfen damit nicht weiter. Auch hier ist wieder das BO-Konzept richtungsweisend: Wenn die Nutzungs- und Steuerungsmöglichkeiten für bestimmte (benötigte) Arten von Unterstützungs- und Hilfeleistungen ohne Konsens (d.h. ohne Vertrag oder Kontrakt) besser sind, wie die aktuell aushandelbaren, so ist ein Verzicht auf eine Formalisierung ‚des wenigen’ die sinnvollere Option. Auch sollten bei der Kontrahierung die generellen Steuerungsmöglichkeiten, die sich dem Case Management grundsätzlich bieten, bedacht werden. 459 In wie weit können, so es die generelle Konstruktion und Verortung des Case Management erlaubt, auch materielle instruktive Steuerungsmöglichkeiten bereits bei der Kontrahierung mit eingesetzt werden? Überlegungen, wie z.B. im „Stuttgarter Modell“ können hierzu nützlich sein. Dort wurden die Hilfen zur Erziehung (§§ 38-35 SGB VIII) mit „Schwerpunktträgern“ neu gestaltet, denen finanzielle Anreize gesetzt wurden, um z.B. die vom Jugendamt gewünschten Leistungsstandards zu erreichen, Freiwilligenarbeit durchzuführen oder ein kaufmännisches Berichtswesen einzuführen. 460 Über finanzielle Boni wurden so Maßnahmen befördert, die durchaus auch ein Case Management im Bereich der Systemsteuerung als sinnvoll erachten könnte. Bei Erreichen vordefinierter Leistungsstandards wurde zusätzlich ‚Schutz’ vor Budgetkürzungen im Folgejahr gewährt, so dass auch hier finanzielle Anreize, d.h. materielle instruktive Steuerung von erheblicher Wirkungskraft eingesetzt wurden, um das Hilfesystem auf gewünschte Standards zu verpflichten. Hierzu ist das Thema ‚Schutz vor Budgetkürzungen im Folgejahr’ im besonderen Maße geeignet, beim passieren der Systemgrenze nicht durch systembasierte Sinnkonstruktion in ‚Rauschen’ unterzugehen, da hier ein vitales Moment der Systemerhaltung (keine Budgetkürzung) angesprochen wird. Bei reinen Boni auf Standarderfüllung bleibt es aufgrund der vielfach beschriebene Begrenzung instruktiver Steuerungen (Abhängigkeit von systeminternen Sinnkonstruktionen) der Einschätzung des betreffenden Organisationssystems überlassen, ob der Aufwand 458 Man denke hier an die bereits angesprochenen Arbeitsloseninitiativen – wie weit deren Position von dem z.B. von Grundsicherungsträgern getragenen Fallmanagement entfernt ist, lässt sich bei entsprechender Lektüre unschwer erkennen - z.B. sehen Ames/Jäger die (im § 15 SGB II vorgeschriebenen) „… vorformulierten Eingliederungsvereinbarungen hauptsächlich als Vehikel, um Sanktionen nach § 31 SGB II auszuüben …“Ames, Jäger 2006, S. 80 und als Verweigerung „… des Anspruchs, auch ohne Eingliederung in den Arbeitsmarkt gut leben zu dürfen …“ (ders., S. 81) 459 vgl. dazu Abb. 9 in Kap. 3.1.1. 460 s. Stiefel 2002 – ähnlich Schäfer 2002 – kritisch dagegen in Bezug auf Sozialraumbudgets: Baltz 2002, Hinte 2002, Krölls 2002 Seite 141

Kooperation verweigern (z.B. weil die eigene BO als besser eingeschätzt wird, wie<br />

ein möglicher Kompromiss <strong>im</strong> Zuge der Kooperation) oder sich auch aus<br />

‚prinzipiellen’ Erwägungen einer Kooperation ganz oder weitgehend entziehen. 458 In<br />

solchen Fällen besteht für das <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> nur die Alternative, entweder eine<br />

‚wachsweiche’ Vereinbarung abzuschließen, unter der sich alle Beteiligten als<br />

Min<strong>im</strong>alkonsens zusammenfinden können, oder nur mit denjenigen zu kontrahieren,<br />

die auch zu substantiellen Vereinbarungen bereit sind. In Abwägung beider<br />

Möglichkeiten ist der letzteren entschieden der Vorzug zu geben, da Sinn der<br />

Systembildung es ja eben ist, die Steuerung von Hilfeanbietern und deren<br />

Hilfeangeboten für Fall- und Systemebene möglich zu machen, d.h. den zukünftigen<br />

Steuerungsbemühungen eine möglichst belastbare Grundlage zu verschaffen.<br />

‚Wachsweiche’ Absichtserklärungen, die für das gesamte Hilfesystem gelten sollen,<br />

helfen damit nicht weiter. Auch hier ist wieder das BO-Konzept richtungsweisend:<br />

Wenn die Nutzungs- und Steuerungsmöglichkeiten für best<strong>im</strong>mte (benötigte) Arten<br />

von Unterstützungs- und Hilfeleistungen ohne Konsens (d.h. ohne Vertrag oder<br />

Kontrakt) besser sind, wie die aktuell aushandelbaren, so ist ein Verzicht auf eine<br />

Formalisierung ‚des wenigen’ die sinnvollere Option.<br />

Auch sollten bei der Kontrahierung die generellen Steuerungsmöglichkeiten, die sich<br />

dem <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> grundsätzlich bieten, bedacht werden. 459 In wie weit<br />

können, so es die generelle Konstruktion und Verortung des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong><br />

erlaubt, auch materielle instruktive Steuerungsmöglichkeiten bereits bei der<br />

Kontrahierung mit eingesetzt werden? Überlegungen, wie z.B. <strong>im</strong> „Stuttgarter<br />

Modell“ können hierzu nützlich sein. Dort wurden die Hilfen zur Erziehung (§§ 38-35<br />

SGB VIII) mit „Schwerpunktträgern“ neu gestaltet, denen finanzielle Anreize gesetzt<br />

wurden, um z.B. die vom Jugendamt gewünschten Leistungsstandards zu erreichen,<br />

Freiwilligenarbeit durchzuführen oder ein kaufmännisches Berichtswesen<br />

einzuführen. 460 Über finanzielle Boni wurden so Maßnahmen befördert, die durchaus<br />

auch ein <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> <strong>im</strong> Bereich der <strong>Systemsteuerung</strong> als sinnvoll erachten<br />

könnte. Bei Erreichen vordefinierter Leistungsstandards wurde zusätzlich ‚Schutz’<br />

vor Budgetkürzungen <strong>im</strong> Folgejahr gewährt, so dass auch hier finanzielle Anreize,<br />

d.h. materielle instruktive Steuerung von erheblicher Wirkungskraft eingesetzt<br />

wurden, um das Hilfesystem auf gewünschte Standards zu verpflichten. Hierzu ist<br />

das Thema ‚Schutz vor Budgetkürzungen <strong>im</strong> Folgejahr’ <strong>im</strong> besonderen Maße<br />

geeignet, be<strong>im</strong> passieren der Systemgrenze nicht durch systembasierte<br />

Sinnkonstruktion in ‚Rauschen’ unterzugehen, da hier ein vitales Moment der<br />

Systemerhaltung (keine Budgetkürzung) angesprochen wird. Bei reinen Boni auf<br />

Standarderfüllung bleibt es aufgrund der vielfach beschriebene Begrenzung<br />

instruktiver Steuerungen (Abhängigkeit von systeminternen Sinnkonstruktionen) der<br />

Einschätzung des betreffenden Organisationssystems überlassen, ob der Aufwand<br />

458 Man denke hier an die bereits angesprochenen Arbeitsloseninitiativen – wie weit deren Position<br />

von dem z.B. von Grundsicherungsträgern getragenen Fallmanagement entfernt ist, lässt sich bei<br />

entsprechender Lektüre unschwer erkennen - z.B. sehen Ames/Jäger die (<strong>im</strong> § 15 SGB II<br />

vorgeschriebenen) „… vorformulierten Eingliederungsvereinbarungen hauptsächlich als Vehikel, um<br />

Sanktionen nach § 31 SGB II auszuüben …“Ames, Jäger 2006, S. 80 und als Verweigerung „… des<br />

Anspruchs, auch ohne Eingliederung in den Arbeitsmarkt gut leben zu dürfen …“ (ders., S. 81)<br />

459 vgl. dazu Abb. 9 in Kap. 3.1.1.<br />

460 s. Stiefel 2002 – ähnlich Schäfer 2002 – kritisch dagegen in Bezug auf Sozialraumbudgets: Baltz<br />

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