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Systemsteuerung im Case Management

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oder […] Maßanzug statt Konfektionsware‘, was bedeutet, dass<br />

Erziehungshilfeträger nicht mehr wie bisher verschiedene Standardangebote<br />

(‚Konfektionsware‘, den §§ 27 ff. KHJG folgend) vorhalten, sondern flexibel für jeden<br />

Einzelfall eine individuelle Hilfe (‚Maßanzug‘) aus dem <strong>im</strong> § 27 KJHG<br />

festgeschriebenen Anspruchsrechten komponieren." (Stiefel 2002, S. 57)<br />

Genau dasselbe will <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>: Einen individuellen ‚Maßanzug’ von<br />

Hilfeleistungen für jeden Klienten schneidern, der dessen individuellen Bedürfnisse<br />

wie auch die Verfügbarkeit individueller und überindividueller Ressourcen<br />

berücksichtigt. Maßanzüge haben aber – genau wie in der Schneiderei – die<br />

Eigenschaft, dass man sie nicht direkt <strong>im</strong> Voraus planen kann, sonst wären sie eben<br />

keine Maßanzüge, sondern nur Konfektionsware. Eine Fallsteuerung mit dem<br />

Anspruch der ‚Maßanzüge’ benötigt somit auch eine andere <strong>Systemsteuerung</strong>, mit<br />

der das Hilfesystem in die Lage versetzt wird, genau den ‚Stoff’ zu liefern, mit dem<br />

dann in der Fallsteuerung die individuellen ‚Maßanzüge’ geschneidert werden<br />

können. Die Planung von Hilfsangeboten kann also nicht alleine nach einer<br />

Bestandsanalyse von Daten einer Sozialberichtserstattung 348 abgeleitet werden,<br />

sondern müssen sich aus den Erkenntnissen der Fälle heraus ergeben. Planungen<br />

werden so in letzter Konsequenz natürlich unschärfer, da sie, um in der Metapher<br />

des ‚Maßanzuges’ zu bleiben, nur Stoffe, Faden, Knöpfe, usw. vorausplanen<br />

können, nicht aber konkrete Anzüge in vordefinierten Größen. Der planerische ‚Kurs’<br />

kann somit nicht komplett <strong>im</strong> ‚Hafen’, d.h. am Planungstisch fest für eine<br />

vorgegebene Periode vorausbest<strong>im</strong>mt werden, sondern kann nur grob erfolgen und<br />

muss daher eine ‚Nachsteuerungsqualität’ aufweisen, die es ermöglicht, ‚auf hoher<br />

See’ bei entsprechendem Bedarf Kurskorrekturen vorzunehmen.<br />

Diese möglicher Weise recht banal aber zugleich wohl auch praktisch nicht ganz<br />

einfach umsetzbare Erkenntnis zeigt aber mit Klarheit auf, dass <strong>Systemsteuerung</strong><br />

aus Sicht des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s keine Angebotsplanung <strong>im</strong> Sinne fest<br />

vorgegebener Hilfeleistungen sein kann, sondern vielmehr eine flexible und <strong>im</strong>mer<br />

wieder korrigierbare Planung von Hilfeleistungen, die sich aus den Erkenntnissen<br />

der einzelnen Fallarbeiten ergeben. <strong>Case</strong> <strong>Management</strong> erfordert daher aus Sicht<br />

des Verfassers zwingend eine Steuerung ‚bottom-up’ statt wie tradiert ‚top-down’. Es<br />

ist daher sehr berechtigt, von einem steuerungsmäßigen Paradigmawechsel zu<br />

sprechen, wenn die Forderungen der <strong>Systemsteuerung</strong> aus der Sicht des <strong>Case</strong><br />

<strong>Management</strong>s betrachtet werden. Die eingehende Frage nach dem<br />

Paradigmawechsel kann damit uneingeschränkt mit „ja“ beantwortet werden. 349<br />

Bevor aus dieser Erkenntnis heraus versucht werden soll, das, was<br />

<strong>Systemsteuerung</strong> darstellt, einer Systematisierung zu unterziehen, ist es angezeigt,<br />

zunächst zu untersuchen, ob sich bereits ‚Eckpunkte’ für eine solche<br />

Systematisierung in Aussagen von prominenten Vertretern des <strong>Case</strong> <strong>Management</strong>s<br />

in Deutschland zu Fragen der <strong>Systemsteuerung</strong> erkennen lassen.<br />

348 vgl. hierzu z.B. Gottschalk, Weins 2005 oder am konkreten Beispiel Bader, Wunderlich 2005<br />

349 Damit soll aber nicht die These vertreten werden, dass erst und alleine durch das <strong>Case</strong><br />

<strong>Management</strong> eine Forderung nach einem planerischen Paradigmawechsel erhoben wurde – bereits<br />

erwähnte Ansätze in der Jugendhilfeplanung (s. Stuttgarter Modell - Stiefel 2002) gehen in eine<br />

ähnliche Richtung. Nur wird dort z.B. die komplette Fallzuständigkeit in die Hand eines für einen<br />

Sozialraum ausschließlich zuständigen Hilfeträgers gelegt, der dann alle erforderlichen Hilfen ‚aus<br />

einer Hand’ zu leisten hat, was konzeptionell einen anderen Ansatz darstellt, als es das <strong>Case</strong><br />

<strong>Management</strong> vorsieht – vgl. dazu auch Reis 2005b, S. 14<br />

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