Topographische Beziehungen des weiblichen Beckenbodens im ...

Transfer – Dokumentations – Report
im Rahmen des Präparationszyklus 2008-2009
am AVT – College für Osteopatische Medizin
Topographische Beziehungen des weiblichen Beckenbodens
im kleinen Becken und sein anatomischer Bezug
zu Geburt und Stuhlkontinenz
eingereicht von Birgit Maier-Riegger
Matrikelnummer 2818
Nagold, den 15. Januar 2009

Birgit Maier-Riegger Matrikelnummer: 2818
Inhaltsverzeichnis
Vorwort......................................................................................................................................... 4
Einleitung...................................................................................................................................... 4
1.Die Funktionen des Beckenbodens...................................................................................... 5
2.Der muskuläre Aufbau des Beckenbodens.......................................................................... 5
2.1.Das Diaphragma pelvis................................................................................................ 5
2.2.Das Diaphragma urogenitale........................................................................................ 8
2.3.Die Damm- und Schließmuskelschicht:........................................................................ 9
3.Beckenräume..................................................................................................................... 12
3.1.Der Peritonealraum.................................................................................................... 12
3.2.Faszien und Spatien.................................................................................................. 13
3.2.1.Die fünf Faszien des Beckenbodens:................................................................. 13
3.2.2.Topographische Anordnung der Faszien und Spatien im kleinen Becken.........13
4.Das Beckenbindegewebe................................................................................................... 16
4.1.Einteilung des Beckenbindegewebes......................................................................... 16
4.2.Die funktionelle Bedeutung des Bindegewebes im Spatium subperitoneale.............. 16
5.Die Lage der Beckenorgane in Bezug zum Beckenboden................................................. 18
5.1.Männliche Beckenorgane:.......................................................................................... 18
5.2.Weibliche Beckenorgane............................................................................................ 19
6.Die Interaktion zwischen den weiblichen Beckenorganen und dem Beckenboden............ 19
7.Die Bedeutung des M. transversus abdominis und des Zwerchfells für den Beckenboden20
8.Embryologie der Dammmuskulatur.................................................................................... 21
9.Die Nervale Innervation des Beckenbodens....................................................................... 22
9.1.Das somatische Nervensystem.................................................................................. 22
9.1.1.Der Nervus pudendus......................................................................................... 22
9.1.2.Der Plexus coccygeus:....................................................................................... 24
9.2.Das vegetative Nervensystems.................................................................................. 24
9.2.1.Die sympathischen Ursprungsneurone:.............................................................. 24
9.2.2.Die parasympathischen Ursprungsneurone:...................................................... 24
9.3.Die prävertebralen Ganglien....................................................................................... 25
9.4.Vegetative Nerven und Nervengeflechte:................................................................... 25
10.Die vaginale Geburt und der Beckenboden...................................................................... 27
10.1.Die Risiken der vaginalen Geburt für den Beckenboden:......................................... 27
10.2.Vaginale Geburt und Harninkontinenz..................................................................... 27
10.3.Vaginale Geburt und Pudendusneuralgie - Alcock'sches Kanalsyndrom................. 29
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11.Die Bedeutung des Damms für den Beckenboden und seine Verletzung durch Geburtme­
chanismen............................................................................................................................. 30
11.1.Das Centrum tendineum perinei und das Perineum................................................. 30
11.2.Belastung des Dammes während der Geburt / Einteilung der Dammrisse............... 30
11.3.Der Dammschnitt-Episiotomie.................................................................................. 31
11.3.1.mediane Episiotomie: ...................................................................................... 31
11.3.2.mediane Episiotomie mit j-förmiger Erweiterung:............................................. 31
11.3.3.mediolaterale Episiotomie:............................................................................... 32
11.3.4.laterale Episiotomie:......................................................................................... 32
12.Beckenbodensenkung / Insuffiziens................................................................................. 33
12.1.Definition der Beckenbodeninsuffiziens:................................................................... 33
12.2.Lageveränderungen der Genitale als Folge des defekten Stützapparates des Be­
ckenbodens...................................................................................................................... 34
12.2.1.Rektozele / Zystozele....................................................................................... 34
12.2.2.Prolaps............................................................................................................. 34
12.3.Das descending perineum syndrom:........................................................................ 35
12.3.1.Sekungsbeschwerden und ihre Symptome:..................................................... 36
13.Die anale Inkontinenz – das verschwiegene Leiden......................................................... 37
13.1.Anatomischen Grundlagen des Rektums (Mastdarm) und Afters (Canalis analis)... 37
13.1.1.Das Rektum...................................................................................................... 37
13.1.2.Der Canalis analis............................................................................................ 38
13.2.Der muskuläre Analverschluß................................................................................... 38
13.2.1.Der muskulus sphinkter ani internus................................................................. 38
13.2.2.Die wichtige Bedeutung des muskulus puborektalis......................................... 39
13.2.3.Definition des anorektalen Winkels:.................................................................. 40
14.Die Defäkographie............................................................................................................ 40
15.Geburt und anale Inkontinenz / eine Zusammenfassung................................................. 44
Fazit:........................................................................................................................................... 45
Schluß:....................................................................................................................................... 45
Literaturverzeichnis:................................................................................................................... 45
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Vorwort
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem genauen Aufbau der einzelnen Schichten des Be­
ckenbodens sowie ihrer topographischen Lage im kleinen Becken. Dargestellt wird ebenfalls der
Bezug des Beckenbodens zu den Beckenorganen und die besondere Bedeutung des Becken­
bindegewebes. Ein Schwerpunkt wird dem Kapitel Geburt und Beckenboden gewidmet sowie
den anotomischen Veränderungen des Beckenbodens und des Damms durch die vaginale Ge­
burt. Letztendlich wird die besondere Bedeutung der Schließmuskulatur in Bezug auf die Stuh­
linkontinenz dargestellt.
Auf das Kapitel Hanrinkontinenz mit den verschiedenen Kontinenzformen, sowie deren Physio­
logie und auch auf den männlichen Beckenboden wird nur ansatzweise und Bezug nehmend
eingegangen.
Einleitung
Die funktionelle Bedeutung des Beckenbodens wird häufig unterschätzt oder nicht verstanden.
Untersuchungen in den USA /GB aus den Jahren 1998 und 2001 belegten, dass 24% der
Frauen zwischen 18 und 50 Jahren an chronischen Schmerzen im Bereich des Beckens leiden.
Die jährlich direkten Kosten zur Behandlung der Beckenschmerzen wurden allein in den USA
auf 881,5 Millionen Dollar geschätzt (Mathias et al 1996(( 5). Probleme in diesem Bereich füh­
ren oft zu vielerlei Untersuchungen, da die Ursache gynekologisch, gastrointestinal, urologisch,
muskulosketal oder auch psychische bedingt sein kann. Aufgrund von Fehldiagnosen geschieht
es häufig, dass Patienten sich medikamentös oder operativ behandeln lassen, ohne dass sich
etwas für sie verbessert. Oft ist es gerade der Physiotherapeut / Osteopath der nicht nur in eine
Richtung untersucht, sondern die Gesamtheit des Beckenbodens erfasst und nicht nur die
schmerzende Struktur im Vordergrund sieht sondern - wichtiger noch – auf die Suche der Ursa­
che dieses Schmerzes ins Bezug auf alle einwirkenden Faktoren geht.
Die folgenden Seiten sollen zur Vertiefung unseres Wissens über die Wichtigkeit der funktio­
nellen Bedeutung des Beckenbodens beitragen.
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1. Die Funktionen des Beckenbodens
Der Beckenboden spannt sich zwischen dem knöchernen Beckenring mit den entsprechenden
Durchtrittsöffnungen aus. Aufgebaut ist er aus drei Muskelschichten. Der Beckenboden übt da­
bei viele wichtige Funktionen aus.
• Zum einen sichert er die Lage der der Becken und Bauchorgane und trägt gleichzeitig
auch einen Teil der Eingeweidelast.
• Andererseits spielt er durch seine Sphinkterfunktion bei der Kontrolle der Öffnungen
von Harn und Geschlechtswegen und des Darmtraktes eine weitere Rolle.
• Desweiteren kommt ihm bei der Geburt eine wichtige Rolle zu, da er einen Teil des Ge­
burtskanals bildet und in diesen Zusammenhang starker Dehnung und Belastung unter­
liegt.
• Nicht zu verachten ist die Bedeutung des Beckenbodens in Bezug auf den intraabdomi­
nalen Druck, wo im ein großer Stabilitätsfaktor zukommt.
• Zum Schluß muss aber auch noch auf die wichtige Komponente des Beckenbodens
als Teil des Geschlechtsweges und seiner Funktion im Sexualleben verwiesen werden.
Störungen in diesem Bereich (wie z.B. Vaginismus, Dyspareunie) haben weitreichende
Folgen auf den sozialen Bereich des Patienten.
Dieser vielschichtige Aufgabenbereich, zu verschließen und andererseits gleichzeitig Öffnungen
zu ermöglichen, zu stabilisieren und doch locker zu lassen, läßt die besondere Bedeutung und
auch die Belastungen und Aufgaben denen der Beckenboden ausgesetzt ist, erahnen.
2. Der muskuläre Aufbau des Beckenbodens
Der Beckenboden setzt sich aus drei Muskel - Etagen zusammen:
• einer inneren Schicht dem Diaphragma pelvis
• einer mittleren Schicht, dem Diaphragma urogenitale
• einer unteren Damm und Schließmuskelschicht, der sogenannten Sphinkterschicht
Fast alle Muskeln aus allen Etagen laufen sehnig im verdickten Centrum tendineum perinei zu­
sammen.
2.1. Das Diaphragma pelvis
Das Diaphragma pelvis ist ein U-förmiger Trichter. Der Bogen des “U“ befindet sich dorsal und
besteht aus dem M. levator ani und M. coccygeus, die ventrale Öffnung des „U“ (auch als Levat­
ortor bezeichnet) dient als Durchtritt für Rektum, Urethra und bei der Frau Vagina (23).
Von oben umschließt die Faszie diaphragmatis pelvis superior die beiden Muskeln, von unten
die Faszie diaphragmatis inferior. Den Verlauf des Diaphragma pelvis im Becken kann man als
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eine Linie darstellen, die vorne auf halber Höhe der Symphyse am Schambein beginnt und über
die Faszia obturatoria, die Spina ischiadica und das Lig. sakrospinale hinweg verläuft und bis
zum 4. Kreuzbeinwirbel sich durchzieht.
Der Muskulus levator ani liegt weiter ventral. Er entspringt auf jeder Seite von der vorderen und
seitlichen Beckenwand, sowie zum Teil von der Faszia obturatoria und verläuft zum Steißbein
und zum Ligamentum anococcygeum. Man unterscheidet an diesem Muskel drei Anteile:
Im Einzelnen gliedert sich der M. levator ani in einen
• medialen Anteil: pars pubica aus M. pubococcygeus und M. puborektalis und einen
• lateralen Anteil: pars iliaca aus dem M.iliococcygeus
Der Muskulus ischiococcygeus liegt weiter dorsal. Er entspringt an der Spina ischiadica und ver­
läuft ebenfalls zum Steißbein.
Der medialen Anteil wird nun nochmals in zwei mehr oder weniger übereinanderliegende
Schichten unterteilt:
A) Die kraniale Platte bildet der eher flache M. pubococcygeus, von dem als M. levator
prostatae bzw. M. pubovaginalis (M. Levator vaginae) bezeichnete Faserzüge zur Pro­
stata bzw. zur Vagina ziehen und an diesen Organen vorbei das Centrum tendineum
perinei erreichen. Die übrigen Fasern des M. pubococcygis ziehen zum Os coccygis,
und zu den untersten Sakralwirbeln. Die medialen Faserzüge des pubococcygeus bil­
den somit die Levatorschenkel. Durch die Kontraktion der Levatorschenkel kann die
Frau willkürlich die Scheide verengen.
B) Die kaudale Platte wird durch den M. puborektalis aufgebaut. Der puborektalis hat sei­
nen knöchernen Ursprung unterhalb und medial des M. pubococcygeus an der Innen­
fläche des Os pubis. Er hat KEINEN knöchernen Ansatz, vielmehr durchflechten sich
die Mm. puborektalis beider Seiten dorsal vom Rektum, auf Höhe der Flexura anorekta­
lis. Seine Fasern verlaufen am Rektum vorbei, verbinden sich dann hinter dem Rektum
mit den Fasern der Gegenseite zu einer Muskelschlinge, auch als Puborektalisschlinge
bezeichnet. Diese zieht das Rektum im Ruhezustand nach ventral, wodurch sich ein
Winkel zwischen dem Analkanal und der Rektumwand bzw. dessen Achse ausbildet,
der als sogenannter anorektaler Winkel bezeichnet wird. Er spielt eine wesentliche Rol­
le bei der Erhaltung der Kontinenz. Dieser Winkel wird durch den physiologischen Ru­
hetonus des M. puborektalis aufrechterhalten. Die Entspannung bei Defäkation ist für
die Entleerung der Rektumampulle entscheidend. Zwischen Hiatus analis und Hiatus
urogenitale gehen aus dem M. puborektalis die Fibrae praerektales hervor, die in das
Centrum tendineum perinei einstrahlen. Die kräftigen lateralen Anteile des M. pubococ­
cygeus ziehen gestreckt über die tieferliegenden medialen Zügen hinweg direkt zum
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Steißbein und Kreuzbein. Während der pubococcygeale Muskel ein flacher horizontaler
verlaufender Muskel ist verläuft der puborektale Muskel mehr senkrecht, medial vom
und teilweise unter dem Pubococcygealmuskel (21). Der M. puborektalis wird über di­
rekte Äste aus dem Plexus sakralis und auch über den Nervus pudendus innerviert.
Funktion: Pubbococcygeus und Puborektalis bewirken zusammen die saggitale Verspannung
des Beckenbodens. Der Puborektalis vergrößert durch seinen Zug nach vorne den anorektalen
Winkel und hebt die Levatorplatte an (2).
Abbildung 1: Diaphragma pelvis
Der laterale Teil des M. levator ani ist der M. iliococcygeus. Er hat keinen direkten knöchernen
Ursprung. Er setzt am arcus tendineus musculi levator ani, das ist ein verstärkter Faszienstrei­
fen der sich bogenförmig auf der beckenwärts gelegenen Faszie des M. Obturatorius internus
bis zur spina ischiadica erstreckt an, und zieht zum den unteren Sakral-und Steißbeinwirbeln.
Ebenfalls treffen sich Fasern des Muskels von beiden Seiten im Ligamentum anococcygeum
einem derben Bindegewebszug zwischen Anus und Os coccygis.
Die seitlichen Wände des Diaphragma pelvis werden von lockerem Fettgewebe der Fossa ischi­
orektalis sowie dem M. oturatorius internus und dessen Faszia obturatoria umgeben. Nach cra­
nial ist das Diaphragma Pelvis die Trennschicht zum Subperitonelaraum nach unten ist es die
Begrenzung zur Fossa ischioanalis.
Die Muskuli Iliococcygeus können den Beckenboden anheben. Ergänzt und komplettiert wird
der M. levator ani vom M. coccygeus der weiter dorsal liegt. Er entspringt teilweise von der Spi­
na ischiadica teilweise vom Ligamentum sakrospinale in das er eingewebt ist und verläuft eben­
Abbildung 1: modifiziert aus: W.Platzer: Taschenatlas der Anatomie Bd.2. 5. Auflage, Thieme
Verlag Stuttgart 1986, S. 307
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falls zum Steißbein. M. levator ani und M. coccygeus sind durch einen Bindegewebsspalt vonei­
nander getrennt. Die Innervation des M. ischicoccygeus erfolgt ausschließlich über den Nervus
coccygeus! Muskel und Band erfüllen Haltefunktionen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Levatoranteile M. pubococcygeus und M. iliococ­
cygeus, zusammen mit dem M. ischiococcygeus eine gestaffelte Muskelplatte bilden, die den
Beckenausgang dorsal und lateral abschließt.
2.2. Das Diaphragma urogenitale
Das Diaphragma urogenitale ist eine muskulös-bindegewebige Platte von ca.1cm Dicke, die
sich zwischen den beiden Sitzbeinästen und den absteigenden Schambeinästen caudal des Di­
aphragma pelvis ausspannt. Sie bedeckt lediglich den ventralen Anteil der Dammregion,so d
ass diese Platte das „Levatortor“absichert.
Abbildung 2: Diaphragma urogenitale
Das Diaphragma urogenitale besteht aus dem Muskulus transversus perinei profundus und des­
sen oberer und unterer Faszie, der Faszia diaphragmatis urogenitalis superior und inferior. Die­
ser Muskel verschließt also das Levatortor, indem seine Fasern quer zur saggital gestellten Le­
vatoröffnung sich transversal ausspannen. Der ventrale Anteil zwischen den absteigenden
Schambeinästen ist muskelfrei. Dort vereinigt sich die obere und untere Schicht der Faszia dia­
phragmatis zu einem Band dem Lig. transversum perinei (2).
Das Diaphragma urogenitale wird beim Mann von der Urethra und bei der Frau von Urethra und
Abbildung 2: modifiziert aus: Netter: Atlas of Human Anatomy Bd.1. 6. Auflage, CIBA-GEIGY
Corp., S. 356
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Vagina durchbrochen. Der Muskulus transversus peroneus profundus verläuft mit seinen hin­
teren Fasern nahezu quer, die nach vorne gerichteten Fasern runden im bogenförmigen Verlauf
den Schambeinwinkel aus. Der Muskulus transversus peroneus profundus unterstützt den Mus­
kulus spinkter urethrae beim Verschluß der Harnröhre. Beide Muskeln werden zusammen auch
als M. compressor urethrae zusammengefasst(23). Der Muskulus transversus perinei profundus
ist somit eigentlich der caudale Anteil des quergestreiften M. Spinkter urethrae externus, dessen
Fasern sich semizirkulär um die Urethra legen. Die hinteren Fasern des M. transversus perinei
profundus enden in einer Sehnenplatte vor dem äußeren Spinkter des Analkanals nämlich im
Perineum. Der Muskulus transversus perinei profundus ist damit ein sehr starker Muskel der
seitlich den Damm sehr massiv stabilisiert und damit dem mittleren Teil des Beckenbodens als
Stütze dient(21). Der Hiatus urogenitalis ist von Bindegewebe ausgefüllt das als Membrana pe­
rinei bezeichnet wird.
Am Damm verankert sich sich auch der quer verlaufende M. transversus perinei superficialis,
der den hinteren Abschluß des Diaphragma urogenitale bildet. Seine Fasern kommen vom Tu­
ber ischiadicum, Ramus ossis ischii (manchmal zusammen mit dem ischiocavernosus) und in­
serieren im Centrum tendineum perinei. Teilweise strahlen aber Fasern dieses Muskels auch in
den M. sphinkter ani externus und bulbocavernosus ein. Dieser Muskel ergänzt somit den Hin­
terrand des M. transversus perinei profundus.( Der Muskel liegt außerhalb der Membrana peri­
nei.)
2.3. Die Damm- und Schließmuskelschicht:
Diese Schicht lagert sich dem Diaphragma urogenitale auf. Sie gliedert sich in den:
• M. ischiocavernosus
• M. bulbospongiosus
• M. spinkter ani externus
Die Sphinkterschicht besteht aus den Schließmuskeln, die unter dem Diaphragma urogenitale
und dessen Faszie liegen. Sie ist die äußerste also am weitesten caudal gelegene Schicht. Die
Spinkterschicht breitet sich im Spatium superficialis perinei aus. Sie besteht aus drei Muskeln,
und zwar von ventral nach dorsal aus den M. ischiocavernosus, M. bulbospongiosus und M.
sphinkter ani externus. Alle diese Muskeln sind quergestreift d.h. willkürlich innerviert.
• Der muskulus ischiocavernosus entspringt auf jeder Seite vom Tuber ischiadicum und
verläuft entlang des jeweiligen Sitzbeinastes nach ventral zur Symphysis pubica.(Inser­
tion an der Tunica albuginea der Schwellkörper). Er umgibt dabei die Crura penis ( pro­
ximaler Anteile des Corpus cavernosum penis) oder die Crura clitoris und ist beteiligt an
der Blutfüllung der Schwellkörper. Der M. ischiocavernosus kann beim Mann willkürlich
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oder reflektorisch Blut aus dem Crus Penis in den Peniskörper pressen und damit die
Errektion verstärken. Bei der Frau verstärkt der Muskel die Errektion der Clitoris.
• Der muskulus bulbospongiosus umschließt beim Mann die Peniswurzel (Bulbus penis)
und ist mit dem der Gegenseite zu einem Muskel vereinigt. Er entspringt vom Centrum
tendineum perinei und zieht nach vorn divergierend um den Schwellkörper herum zur
unteren Faszie des Diaphragma urogenitale und mit einigen Fasern auch zum Penisrü­
cken. Er kann willkürlich und reflektorisch den Bulbus penis komprimieren und dabei
den Harnröhreninhalt austreiben. Ebenso verstärkt er bei der Errektion die Blutfüllung
des Penis. Auch bei der Frau entspringen die Mm bulbospongiosi hinten vom Centrum
tendineum des Damms. Die Ansätze bei der Frau sind an der Unterseite der Clitoris, an
der Faszia diaphragmatis urogenitalis inferior, der unteren Faszie des Diaphragma uro­
gentitale und am Bulbus vestibuli. Dieser Muskel bedeckt auf jeder Seite den Bulbus ve­
stibuli. Die Bulbi vestibuli sind paarige Schwellkörper die den Scheidenvorhof umgeben.
Sie bestehen vornehmlich aus einem dünnen venösen Plexus der von glatten Muskel­
bündeln und Bindegewebe durchsetzt ist. Die beiden Bulbi stellen einen Schwellkörper
dar der den Scheideneingang elastisch auspolstert. Oberhalb der Harnröhrenmündung
verbinden sich beide Muskeln an der Glans der Clitoris. Besonders von Bedeutung ist,
dass der Muskulus bulbospongiosus sich achtertourartig mit dem M. spinkter ani exter­
nus im Dammbereich durchflechtet. Es ist dieser Muskel der im Rahmen eines erforder­
lichen Dammschnitts bei der Geburt ( Episiotomie) durchtrennt wird.
Abbildung 3: Damm- und Schliessmuskelschicht
Abbildung 3: modifiziert aus: Netter: Atlas of Human Anatomy Bd.1. 6. Auflage, CIBA-GEIGY
Corp., S. 356
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Teilweise wird in der Literarur noch in M. constrictor vulvae und Muskulus constriktor
vestibuli unterteil(23). Der M. bulbospongiosus verengt das Ostium vaginae konzen­
trisch und kann auch den M.spinkter urethrae, der aus glatter Muskulatur besteht in sei­
ner Funktion unterstützen. Das Osteum vaginae wird außer von den erwähnten Mus­
keln noch von kavernösem Gewebspolstern umgeben (Bulbus vestibuli). Derartiges ka­
vernöses Gewebe umgibt auch die Harnröhre und den Anus.
• Der Spinkter ani: Um die Öffnung des Anus sind unter der Haut zwei Schließmuskeln
angeordnet. Zum einen der Muskulus sphinkter ani internus, er stellt eine Verstärkung
der glatten Muskulatur der Darmwand dar. Lateral davon liegt der Spinkter ani externus
(äußerer Afterschließmuskel). Er besteht aus quergestreifter Muskulatur ist also willkür­
lich beeinflußbar. Der Analkanal ist 3 cm lang. Der innere Schließmuskel umgibt dabei
die oberen drei Viertel des Analkanals. Die Fasern des Muskulus spinkter ani externus
verlaufen annähernd saggital. Dieser Muskel besteht als äußerer Schließmuskel des Af­
ters aus zwei Hälften, die sich vor und hinter dem After überkreuzen und zur Gegensei­
te ziehen. Ein in sich zurücklaufender Ring wäre nicht in der Lage durch seine Kontrak­
tion den After völlig zu verschließen. Der sphinkter ani externus ist dem inneren
Schließmuskel wie eine Manschette aufgesetzt. Man unterteilt den Spinkter ani exter­
nus in 3 Anteile:
• Pars subcutanea: Sie liegt unmittelbar unter der Haut strahlt in die Cutis ein und
zieht die den After umgebende Haut in den Analkanal hinein.
• Pars superficialis: Dieser Anteil zieht -saggital im Verlauf- vom Ligamentum
anococcygeum zum Centrum tendineum des Perineums. Teilweise strahlen Fa­
serbündel dieser Schicht in den M. bulbospongiosus ein.
• Pars profunda: Diese Schicht umgibt den internen Spinkter. Dieser Anteil zieht
vom Centrum tendineum perinei um den After und wieder zurück zum Centrum
tendineum perinei. Die tiefe Schicht umgibt den Analkanal als Manschette von 8
mm Dicke und 14 mm Höhe, die an der Flexura perinealis mit dem M. levator
ani zusammenhängt.
Seine Funktionalität ist entscheidend für die Stuhlkontinenz. Dieser Muskel sorgt durch
seinen Dauertonus (ebenso wie der M. puborekralis) für den Verschluß des Anus. Mit
der willkürlichen Erschlaffung des Muskels wird die Defäkation eingeleitet. Zusätzlich
sorgt der Muskel für eine Stauung und Vorwölbung des Plexus venosus rektalis und da­
mit für eine Feinabdichtung die den Austritt von Darmgasen verhindert(1). Der Sphinkter
ani externus umgibt also mehrschichtig den Anus. Dorsal hat er Beziehung zum Lig.
anococcygeum und damit zum Steißbein nach ventral grenzt er direkt an den Muskulus
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bulbospongiosus an. Bei der Frau bilden diese beiden Muskeln somit eine „8“ um Vagi­
na und Anus.
Der wichtigste Analschließmuskel von der gesamten Beckenbodenmuskulatur ist der M. pubo­
rektalis. Dieser Anteil des Muskulus levator ani der sich schlingenförmig hinter dem Darmende
überkreuzt und die Flexura perinealis nach vorne zieht ist von erheblicher Bedeutung für die
Stuhlkontinenz. Die Verletzung des M. puborektalis führt in stärkerem Maße zur Inkontinenz des
Verschlusses als die Verletzung des M. spinkter ani externus und internus. Sowohl der innere
wie äußere Schließmuskel als auch der M. puborektalis stehen unter einem Dauertonus. Sie
entspannen bei der Defäkation. Die Spinkterschicht breitet sich im Spatium superficialis perinei
aus.
3. Beckenräume
Im kleinen Becken gibt es Räume, die durch verschiedenen Faszien und Spatien (Zwischen­
räume) definiert werden:
3.1. Der Peritonealraum
Um die Vollständigkeit der nun folgenden Beckenräume aufzuzeigen wird kurz auf den Perito­
nalraum eingegangen. Das Peritoneum reicht weit in die Beckenhöhle hinein. Es bedeckt die
Oberfläche einiger Beckenorgane, z.B. Harnblase, Rektum und bei der Frau zusätzlich den Ute­
rus mit Adnexen (Ovar und Eileiter). Das Peritoneum der vorderen Bauchwand zieht genau auf
die Oberfläche der Harnblase. Stellenweise bildet es zwischen den Beckeneingeweiden Buch­
ten. Beim Mann handelt es sich um die Excavatio rektovesicalis. Bei der Frau wird durch das
Einschieben von Uterus mit Adnexen und Halteeinrichtungen zwischen Harnblase und Rektum
eine große Peritonealfalte aufgeworfen, das Ligamentum latum uteri. Diese bedingt die Excava­
tio vesicouterina und hinter dem Lig. latum uteri die Excavatio rektouterina, den sogenannten
Douglas-Raum.Es ist der tiefste Punkt des Peritonealraumes, dieser reicht bis zum hinteren
Scheidengewölbe und liegt etwa in Höhe der Kohlrauschfalte des Rektum. Den Eingang in die
Excavatio rektouterina begrenzt eine Bauchfellfalte, die Plica rektouterina(1).
Zusammenfassend kann man sagen: Das Peritoneum bildet den kranialen Abschluss des klei­
nen Beckens und überzieht Wand (Peritoneum parietale) und Organe (Peritoneumviszerale).
Bei der Frau hat das Peritoneum parietale zwei Besonderheiten:
• das Ligamentum latum uteri: es dient als"Meso"zwischen Uterus und Beckenseiten­
wand;
• die Plica rektouterina: sie ist eine Peritonealfalte zwischen Rektum und Uterus.
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3.2. Faszien und Spatien
3.2.1. Die fünf Faszien des Beckenbodens:
Am Beckenboden existieren fünf Faszien, die beim Aufbau der Muskeletagen schon erwähnt
wurden. Sie definieren die verschiedenen Räume des Beckenbodens. Hier werden sie noch­
mals systematisch von oberflächlich nach tief zusammengefasst:
• Faszia perinei superficialis (Faszia perinei): liegt unter der Subkutis und verschmilzt dor­
sal mit der nächsthöheren Faszie.
• Faszien des Diaphragma urogenitale: Faszia diaphragmatica urogenitalis inferior (Mem­
brana perinei): ist die kaudale Faszie des muskulus transversus perinei profundus; Fas­
zia diaphragmatica urogenitalis superior: ist die kraniale Faszie des Muskulus transver­
sus perinei profundus.
• Faszien des Diaphragma pelvis: Faszia diaphragmatica pelvis inferior: ist die kaudale
Faszie von Muskulus levator ani und Muskulus (ischio-)coccygeus; Faszia diaphragma­
tica pelvis superior: ist die kraniale Faszie der beiden Muskeln.
3.2.2. Topographische Anordnung der Faszien und Spatien im kleinen Becken
Der Beckenboden wird auf engsten Raum von verschiedenen Faszien und Zwischenräumen
aufgebaut. Von kranial (innen) nach kaudal (außen) handelt es sich dabei um folgende Räume
und Faszien:
• Peritoneum-Pertonealraum
• Spatium subperitoneale (A)
• Faszie diaphragmatica pelvis superior
• Diaphragma pelvis mit Levator ani
• Faszie diaphragmatica pelvis inferior
• Fossa ischiorektalis (B)
• Faszie diaphragmatica urogentale superior (N. Pudendus)
• Diaphragma urogenitale / Spatium perinei profundum (C)
• Faszie diaphragmatica urogenitale inferior
• Spatium perinei superficiale (mit M. bulbospongiosus und ischiocavernosus) (D)
• Faszia superficialis perinei
• Subcutis
• Cutis (außen)
Die Positionen A bis D werden im Folgenden genauer erläutert:
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Abbildung 4: Faszien und Spatien des Beckenraumes
A) Das Spatium subperitoneale liegt zwischen der Faszia diaphragmatica pelvis superior
und dem Peritoneumviszerale. In ihm befindet sich in Bindegewebe eingelagert Blase
Rektum und gegebenenfalls Uterus. Im Spatium subperitoneale bestehen mehrere mit
lockerem Bindegewebe gefüllte Räume (Kompartimente):
• Paraproctium um das Rektum (hinteres Kompartiment),
• Parametrium um den Uterus (mittleres Kompartiment) mitsamt dem
• Parakolpium um die Vagina.
• Spatium retropubicum bzw. paracystium vor der Harnblase (vorderes Kompar­
timent). Auf diese Kompartimente wird gezielt im Kapitel Beckenbindegewebe
eingegangen.
B) Die Fossa ischiorektalis (subfaszialer Raum), liegt zwischen dem Diaphragma pelvis
und dem Diaphragma urogenitale und enthält die Leitungsbahnen für die äußeren Ge­
schlechtsorgane. Die Fossa wird von drei Faszien gebildet:
• cranial und medial von der Faszie diaphragmatis pelvis inferior
• caudal von der Faszia diaphragmatica urogenitalis superior
• lateral von der Faszia obturatoria
Außerhalb des Beckenbodens befindet sich beiderseits ein pyramidenförmiger Raum
(Fossa ischioanalis der von einem Fettkörper ausgefüllt wird, Corpus adipositum fossae
ischioanalis). Dieser Spaltraum liegt beiderseits des Anus und der Ausgänge des Uro­
genitaltraktes zwischen Diaphragma pelvis und Faszia obturatoria an der seitlichen Be­
ckenwand. Medial begrenzen der M. spinkter ani externus und der M. levator ani bzw.
dessen Faszie, Faszie diaphragmatica pelvis inferior diesen Raum, lateral der Tuber is­
chiadicum und die Faszie obturatoria. Hinten wird der Raum vom M. glutäus maximus
Abbildung 4: modifiziert aus: Netter: Atlas of Human Anatomy Bd.1. 6. Auflage, CIBA-GEIGY
Corp., S. 357
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und dem Lig. sacrotuberale bedeckt. Nach vorne reicht der Raum bis zum Hinterrand
des Diaphragma urogenitale. Der Fettkörper der Fossa dient als Verschiebepolster. Bei
der Geburt und der Defäkation kann er nach hinten unten ausweichen und seinen
Raum im Becken freigeben. In der lateralen Wand der Fossa verlaufen die Vasa puden­
ta interna und der Nervus pudendus. Sie liegen geschützt in einer Faszienduplikatur
des M. obturatorius internus die als Canalis pudendalis oder Alcock´scher Canal be­
zeichnet werden.
C) Spatium profundum perinei (Diaphragma urogenitale)
Lage: Das Spatium profundum perinei wird von den beiden Faszien des Muskulus
transversus perinei profundus definiert es enthält:
• den Muskulus transversus perinei profundus
• den M. Sphinkter urethrae externus
• die Glandulae bulborethrales (Cowper)
• Urethra (pars membranacea)
Das Spatium perinei profundum ist der Raum zwischen der oberen und unteren Faszie
des Diaphragma urogenitale. Es enthält den M. transversus perinei profundus.
Beim Mann enthält der tiefe Dammraum jene Strukturen, die den Hiatus urogenitales
abdichten. Hierzu zählen das Bindegewebe und der M. transversus perinei profundus,
dessen nahezu transversal verlaufende Fasern sich aus dem M. sphinkter urethrae ab­
leiten. Am Vorderrand des Muskels verdichtet sich das begleitende Bindegewebe zur
Membrana perinei. Durch dieses Spatium ziehen die männliche Urethra und Gefäße z.
B ( V. dorsalis penis) und Nerven (N. dorsalis penis) zur Versorgung der äußeren Ge­
schlechtsorgane. Bei der Frau enthält dieses Spatium vor allem Bindegewebe, das den
Hiatus urogenitalis im Bereich der Mündung zwischen Vagina und Urethra ausfüllt(4).
Dieser Raum steht nicht mit der Fossa ischiorektalis in Verbindung(25).
D) Das Spatium superficiale perinei
Lage: Das Spatium superficiale perinei liegt zwischen Faszia perinei superficialis und
der Faszia diaphragmatica urogenitalis inferior (Membrana perinealis). Als Spatium su­
perficiale bezeichnet man den Raum unterhalb des Diaphragma urogenitale. In ihm lie­
gen die oberflächlichen Dammmuskeln der äußeren Geschlechtsorgane die Mm bul­
bospongiosus und ischiocavernosus der M. transversus perinei superficialis sowie der
Bulbus vestibuli und die Schwellkörpermuskeln. Dieser Raum wird nach unten und hin­
ten von der Faszie perinei superficialis abgeschlossen die vorne in die Faszie der vor­
deren Bauchwand übergeht. Dieser oberflächige Dammraum schließt außen an den tie­
fen Dammraum an und enthält lockeres Bindegewebe. Auch dieser Raum steht nicht
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mit der Fossa ischiorectalis in Verbindung. Die Faszia perinei trennt diesen Raum ge­
gen das subcutane Fettgewebe(24).
4. Das Beckenbindegewebe
Zwischen den inneren Organen und dem Beckenboden sind Bindegewebsräume die von Binde-
und Fettgewebe als auch glatten Muskeln und Gefäßnervenbahnen ausgefüllt werden. Zusam­
menfassend wird dieses Gewebe als Beckenbindegewebe oder als Corpus intrapelvinum be­
zeichnet.
4.1. Einteilung des Beckenbindegewebes
Dieses Beckenbindegewebe lässt sich nach Lahodny in drei Anteile untergliedern:
• Die Auskleidung des Beckenraumes, insbesondere an der Innenfläche der Musculi ob­
turatorii interni, des M. Levator ani und des M. coccygeus sowie am Peritoneum über­
nimmt die Faszia pelvis parietalis.
• Die Verbindung zwischen der Beckenwandauskleidung und den Gefäß- Nervenwurzeln­
zu den inneren Organen des kleinen Beckens wird durch die Faszia pelvis conjugans­
gebildet. Es handelt sich hierbei um locker strukturiertes Bindegewebe und zu bandähn­
lichen Strukturen verdichtetes Gewebe und Gefäß-Nervenleitschienen.
• Die inneren Organe werden von der Faszia pelvisviszeralis umhüllt. Diese Einteilung
zeigt, dass sowohl zwischen Peritoneum und inneren Organen als auch zwischen den
inneren Organen und der Beckenwand bzw. dem Beckenboden eine Schicht von Binde­
gewebe zu liegen kommt (16).
4.2. Die funktionelle Bedeutung des Bindegewebes im Spatium subperitoneale
Lage: Der subperitoneale Raum breitet sich zwischen Peritoneum viszerale und Faszia dia­
phragmatica pelvis superior aus (23) .
Das Beckenbindegewebe besteht vorwiegend aus lockerem Binde und Fettgewebe und dient
als Verschiebe-und Gleitgewebe für die Beckenorgane. Aufgrund seiner Lage zum Bauchfell
wird es als subperitoneales Bindegewebe (Spatium subperitoneale) bezeichnet.
Es hängt ohne Grenzen mit dem Binde-und Fettgewebe des Retroperitonealraumes zusammen.
Faserreiches Bindegewebe findet man ebenfalls in der sogenannten Beckenfaszie (Faszia pel­
vis parietalis), ehemals Faszie endopelvina die einheitlich die Wände der Beckenhöhle ausklei­
det. Für die Beckenorgane gibt es dagegen keine einheiltliche endopelvine oder viszerale Fas­
zie als Überzug. Vielmehr werden die meisten Beckenorgane d.h. jene die von einer Muskel­
schicht abgeschlossen werden (Uterus und Hohlorgane) direkt von einer lockeren Gefäß und
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Nerven führenden bindegewebigen Adventitia umgeben. Parenchymatöse Organe wie z.B. Pro­
stata besitzen als Abgrenzung eine Organkapsel. Das Beckenbindegewebe zeichnet sich da­
durch aus, dass es im Wesentlichen an die Ausbreitung von Nerven und Gefäße gebunden ist.
Aus funktioneller Sicht ist es gerade beim weiblichen Becken von großer Wichtigkeit die Gliede­
rung der bindegewebigen Strukturen zu kennen. Von dorsal nach ventral können dort zwischen
Beckenorganen und Beckenwänden folgende Bindegewebsräume und Strukturen unterschie­
den werden:
Vor der ventralen Fläche des Os sakrum und des os coccygis liegt ein kleiner präsakraler
Raum, der hauptsächlich Venen und lockeres Bindegewebe enthält. Er wird durch die Faszia
pelvis parietalis ,die auch Faszia präsakralis genannt wird, vom übrigen subperitonealen Binde­
gewebe abgegrenzt.
Im Subperitonealraum verlaufen und teilen sich auch die Vasa iliaca interna und die Äste des
Plexus sakralis auf. Diese Äste der großen Gefäße sowie das vegetative Beckennervengeflecht,
Plexus hypogastricus inferior, verlaufen von der dorsolateralen Beckenwand absteigend nach
ventral und medial zu den jeweiligen Organen. Sie werden dabei von faserigem Bindegewebe
begleitet und bilden die Gefäß-Nervenplatte des Beckens. Der Subperitonelaraum enthält bei
beiden Geschlechtern ausgedehnte Venenplexus die hauptsächlich um die inneren weiblichen
Geschlechtsorgane, um Prostata und Rektum liegen. Ihr Hauptabfluß ist die Vena iliaca exter­
na. Sie haben über die Vena rectalis superior Verbindung zum Einzugsgebiet der Pfortader und
über die Vena epigastrica inferior Beziehung zu den Venen der Bauchwand (1).
Dorsolateral wird das Rektum mitsamt dem dazugehörigen perirektalem Bindegewebe und Fett­
gewebe (Adventitia rekti) zangenartig umschlossen. Diese Adventiria rekti wird dorsal gegen die
Faszia präsakralis lateral gegen die Gefäß Nervenplatte und ventral gegen Uterus bzw. Vagina
durch eine Kräftige Bindewebslamelle abgegrenzt, so dass das Binde-und Fettgewebe um das
Rektum von übrigen Organen und Strukturen abgeteilt ist. Das adventitielle, perirektale Fett-
und Bindegewebe ist nämlich an die Ausbreitung der Vasa rektalia superior gebunden, der auch
die rektalen Lymphknoten folgen (19).
Vor dem Rektum liegen Uterus und Vagina. Der größte Teil des vor dem Rektum liegenden Ute­
rus wird von Peritoneum und subperitonealem Bindegewebe bedeckt. Das den Uterus umge­
bende Bindegewebe heißt „Parametrium“. Im letztgenannten sind Urether und Blutgefäße, A..
und V. uterina eingebettet. Lateral der Cervix wird das Bindegewebe vom Kliniker als Paracervix
lateral der Vagina als Parakolpium bezeichnet. Dieses Bindegwebe ist der Gefäß-Nerven-
Strasse zuzuordnen, die lateral an den beiden Organen verläuft und den schmalen Raum zwi­
schen den Organen und der Beckenwand ausfüllt. Ventral ist die Wand der Vagina fest mit der
dorsalen Wand der Urethra verwachsen.
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Die Harnblase wird seitlich und vorne von einem paravesikalen Fettkörper begleitet, der zur
Verschieblichkeit des Organes nötig ist. Den lateralen Teil bezeichnet man als Parazystium. Der
Raum zwischen Symphyse und Harnblase bzw. Urethra = Spatium retropubicum, wird beider­
seits von einer dünnen bandartigen Struktur dem Ligamentum pubovesikale durchzogen. Dieser
Bandzug entspringt mit dem Arcus tendineus fasza pelvis (sehniger Ursprung der Faszia pelvis
parietalis) an der Rückseite des Os pubis und verläuft aufsteigend zur Vorderseite der Harnbla­
se. Diese dünnen Bänder gliedern das Spatium retropubicum in eine obere und untere Abtei­
lung. In der oberen Abteilung werden die Ligg. pubovesicalia durch Querzüge verbunden, die
ventral die Urethra und den Spinkter urethrae bedecken und seitlich in die Faszie des M. Leva­
tor ani einstrahlen (4).
5. Die Lage der Beckenorgane in Bezug zum Beckenboden
Als Beckenorgane werden die in der Cavitas pelvis = Beckenhöhle liegende Organe zusam­
mengefasst. Diese Organe, die völlig unterschiedliche Funktionen erfüllen und zu verschie­
denen Funktionssystemen gehören müssen gesondert und geschlechtsspezifisch betrachtet
werden. Zu den Beckenorganen zählen Harnblase, Rektum und die inneren Geschlechtsor­
gane. Da diese Organe teilweise direkt dem Beckenboden aufliegen, und ein direktes Zusam­
menspiel dieser Organe mit dem Beckenboden vorliegt müssen diese Strukturen mit in die Be­
trachtung des Beckenbodens und seiner Komplexität einbezogen werden.
5.1. Männliche Beckenorgane:
Ventral in der Beckenhöhle, direkt hinter der Symphyse liegt die Harnblase (Vesica urinaria) di­
rekt auf dem Beckenboden. Beim Mann bilden Blase, Prostata und die Mündung der Samenlei­
ter mit den Samenbläschen eine Einheit, einen sog. Organverbund, durch den sich diese Struk­
turen gegenseitig stabilisieren. Die Blase ist ein muskuläres Hohlorgan, dass aus dem Harnbla­
senkörper besteht, der nach ventral in die Spitze (Apex vesicae )übergeht. Der Blasengrund,
(Fundus vesicae ) ist zum Beckenboden hin gerichtet, zeigt somit nach hinten und unten und
hat ebenso wie der Harnblasenhals (Cervix vesicae=trichterförmige Verschmälerung des Bla­
senhalses) Kontakt zu den Schenkeln des Muskulus levator ani. Der Harnblasenhals geht in die
Harnröhre über, die beim Mann nach Durchtritt durch die Prostata und den M. transversus peri­
nei profundus die Beckenhöhle verläßt und als Harnsamenröhre im Penisschwellkörper verläuft.
An der Rückseite der Blase liegen die paarigen Samenbläschen (Glandulae vesiculosae) (2,4).
Sie werden medial vom Ductus deferens, der Ampulla des Samenleiters begleitet. Zwischen
diesen beiden Organen mündet je ein Harnleiter (Urether)in die Harnblase. Unterhalb der Harn­
blase, im direkten Kontakt zu den ventralen Anteilen der Beckenbodenmuskulatur, liegt die Pro­
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stata. Im hinteren Bereich der männlichen Beckenhöhle liegt das Rektum. Dieser ca.15cm lange
Darmabschnitt folgt der Krümmung der Wirbelsäule d.h. dem Os sakrum und dem Os coccygis,
und geht dann in die Flexura anorektalis über. An dieser Flexur umschlingt der M. puborektalis
den Darm. Dort geht das Rektum in den Analkanal über der seinerseits wieder vom M.spinkter
ani externus umgeben wird.
Äußere männliche Geschlechtsorgane: zu diesen zählen Penis, Scrotum und die Hodenhüllen.
5.2. Weibliche Beckenorgane
Auch bei der Frau liegt die Blase direkt hinter dem Os pubis. Zwischen Harnblase und Rektum
liegen die weiblichen Geschlechtsorgane. Dazu gehören die Ovarien mit den Tuba uterinae, der
Uterus und die Vagina. Die Gebärmutter gliedert sich äußerlich in Gebärmuttergrund (Fundus),
Gebärmutterkörper (Corpus) und Gebärmutterhals (Cervix). Die Gebärmutter ragt dabei frei in
die Beckenhöhle, indem der Gebärmutterkörper gegen den Gebärmutterhals nach vorne abge­
winkelt ist ( Anteflexio unterie )und die gesamte Gebärmutter gegenüber der Scheide nach vorn
geneigt ist (Anteversio uterie). Die Scheide hat engen Kontakt zu den Schenkeln des Levator
ani. Vor und hinter diesen Geschlechtsorganen ergeben sich zwei Gruben in der Peritonealhöh­
le. Die Excavatio vesicouterna und die Excavatio rektouterina auch Douglas-Raum genannt, der
tiefste Punkt der weiblichen Bauchhöhle. Zu erwähnen ist hier auch die Plica rektouterina in der
die vegetativen Nerven für die Beckenorgane verlaufen.
Äußere weibliche Geschlechtsorgane: dazu zählen die großen und kleinen Schamlippen der
Scheidenvorhof, ebenfalls die Vorhofdrüsen (Gl.vestibulares) und die Clitoris.
6. Die Interaktion zwischen den weiblichen Beckenorganen und dem Be­
ckenboden
Die Interaktion zwischen den weiblichen Beckenorganen und dem Beckenboden ist entschei­
dend für dessen Stabilität. Die dafür relevanten Organe, die sich oberhalb des BB befinden,
sind Uterus, Adnexe, Harnblase sowie der supradiaphragmatische Teil der Vagina, Rektum und
Urethra. All diese Organe sind durch das sogenannte Tonus-Turgor- Spiel untereinander und
mit der muskulären Wandung der Leibeshöhle verbunden. Durch den Sog der Zwerchfellkuppe
befinden sich die wie zu einem Paket zusammen geschlossenen Genitalorgane in einer labilen
Schwebe. Unter physiologischen Voraussetzungen belastet keines dieser Organe den Becken­
boden. Steigt der intraabdominale Druck an ,z.B. beim Husten, kommt es reflektorisch zur Kon­
traktion des Diaphragma pelvis, und ein Ausweichen des Eingeweidepakets nach kaudal ist
nicht möglich. Unter Erhöhung des Intraabdominaldrucks kommt es zu einem festeren Zusam­
menhalt der Organe, ohne dass dies zu einem Lagewechsel führt. Dieses Tonus-Turgor-Spiel
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lässt den Genitalorganen, einen intakten Beckenboden vorausgesetzt, nur einen geringen Be­
wegungsspielraum. Folgende drei Komponenten sind somit für die Lagesicherung und Interakti­
on im pelvinen Becken verantwortlich:
• das Widerlager des Beckenboden, Vorraussetzung ist ein intakter BB!
• die Schwebelast des Uterus.
• die Faszia pelvis viszeralis als statischer Leit-, Lenk-und Halteapparat.
7. Die Bedeutung des M. transversus abdominis und des Zwerchfells für
den Beckenboden
Der Muskulus transversus abdominis und der Beckenboden stehen in einer synergistischen Ak­
tivität zueinander. Diese ist begründet durch die enge funktionelle Verbindung zwischen
Zwerchfell und dem M.transversus abdominis, bedingt durch die interferierenden Ursprünge bei­
der Mukeln im Bereich der Innenseite der Rippen. Sapsford et al.und Richardson(20) wiesen
nach, dass gezielte konzentrische Aktivität des M. transversus abdominis zur Aktivierung des
Beckenbodens führt und umgekehrt. Erste intravaginale EMG bei Frauen ohne Inkontinenzsym­
ptomatik bestätigten zudem, dass der Beckenboden bei aufrechter Haltung einen höheren Ru­
hetonus zeigt und auch in dieser Position besser Kraft entfalten kann. Somit müsste eine auf­
rechte Haltung wie sie nach Brügger gelehrt und definiert ist auch die Beckenbodenaktivität fazi­
litieren und steigern. Die aufrechte Haltung ist aber ebenfalls sehr entscheidend für die Funktio­
nalität des Zwerchfells. Die aufrechte Haltung ermöglicht dem Zwerchfell die synergistischen
Aktivität seiner verschiedenen Anteile. Durch die Kontraktion des M. transversus abdominis ver­
längert sich das Diaphragma, wodurch seine inspiratorische Leistungsfähigkeit gesteigert wird.
Während der Inspiration verbreitert sich der fronto-transversale Durchmesser und das Dia­
phragma expandiert in den Abdominalraum. Dies führt und verlangt eine exzentrische Kontrakti­
on der Bauchmuskeln und vor allem des Beckenbodens. Die Exspiration hingegen bedeutet
eine exzentrische Reaktion des Zwerchfells während Beckenboden und Bauchmuskulatur kon­
zentrisch arbeiten. Aufgrund dieser Erkenntnisse ist eine aufrechte und gute Körperhaltung ent­
scheidend, neben anderen Faktoren, für einen funktionierenden Beckenboden. Eine schlechte
Haltung verändert die Stellung des Beckens im Raum und führt über längere Zeit zu einer Deh­
nung und Überanstrengung der Beckenbodenmuskeln. Vor allem schlechte Sitzhaltung, Über­
gewicht und „cooles Rumhängen“ der vorwiegend jüngeren Generation, lassen den Schluß zu,
dass der Beckenbodeninsuffiziens mit all ihren Folgen, in Zukunft eine noch größere Bedeutung
zukommen wird.
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8. Embryologie der Dammmuskulatur
Um den Aufbau und die Zusammenhänge der Beckenbodenmuskulatur vor allem mit dem Uro­
genitalsystem besser verstehen zu können wird kurz auf die Embryologie eingegangen. Um die
7. Entwicklungswoche ist die Muskelbildung aus den Epi-und Hypomeren bereits weit fortge­
schritten. Eine Ausnahme bilden dabei lediglich die Muskeln des Diaphragma pelvis des
Damms und des äußeren Genitals. Diese entwickeln sich erst später, da sich die ursprünglich
noch nicht untergliederte Kloake beim männlichen und weiblichen Embryo erst spät in Harnröh­
re und Analkanal teilt und beim weiblichen Embryo zusätzlich die Öffnung der Vagina entsteht.
Beim Menschen entwickeln sich aus dem 3.sakralen bis 1.coccygealen Hypomer als querge­
streifte Muskeln der Kloakenspinkter und der Muskulus levator ani (Diaphragma pelvis), die um
die 8.Entwicklungswoche bereits gut ausgebildet sind. Aus dem Kloakensphinkter werden die
Mm sphinkter ani externus, die Mm perinei und die quergestreiften Muskeln des äußeren Geni­
tales. Die tiefen bzw. inneren Fasern des Kloakenspinkters bilden den M. sphinkter urethrae.
Obwohl die Muskeln des äußeren Genitals bei beiden Geschlechtern gleich angelegt werden,
sind sie notwendigerweise anders angeordnet. In einer ausgereiften Form ist die Beckenboden­
muskulatur bereits um die 16 Woche vorhanden.
Abbildung 5: Pränatale Entwicklung der Dammmuskulatur
Abbildung 5: modifiziert aus: Netter: Bewegungsapparat 1 Bd.7, Thieme Verlag 1992, S. 143
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9. Die Nervale Innervation des Beckenbodens
Einteilung der Nervensysteme:
• Das somatische Nervensystem
• Das vegetative Nervensystem
Mann unterteilt die Innervation in den Bereich des somatischen Nervensystems und den Be­
reich des vegetativen Nervensystems.
Das somatische Nervensystem ist der Teil der die Motorik der Skelettmuskulatur und steuert die
willkürlichen und reflektorischen Körperaktionen. Das somatische Nervensystem leitet grund­
sätzlich Empfindungen aus der Haut (Druck, Berührung, Temperatur, Schmerz) oder aus der
Tiefe des Körpers (zusätzlich: Gelenkstellung, Muskelspannung) weiter.
Das vegetative Nervensystem (autonomes Nervensystem) dagegen ist kaum willentlich beein­
flussbar und steuert die Funktionen der inneren Organe, der glatten Muskulatur und der Drüsen.
Es hat zwei Anteile, die als Sympathikus und Parasympathikus bezeichnet werden. Sowohl das
willkürliche als auch das vegetative Nervensystem sind in Funktion und Aufbau nicht eindeutig
trennbar.
9.1. Das somatische Nervensystem
Das somatische Nervensystem innerviert motorisch die quergestreiften Skelettmuskeln am Be­
ckenboden. Dazu zählen der Muskulus levator ani mit allen Anteilen der M. Sphinkter urethrae
externus, M. transversus perinei profundus, M. spinkter ani externus, die Mm. ischiocavernosus
und bulbospongiosus. Die somatisch motorischen Nervenfasern gehen aus den Segmenten S2-
S4 hervor. Der “Plexus pudendus“ innerviert hier Haut und Muskulatur im Bereich des Becken­
bodens, des Dammes und der äußeren Genitalorgane und führt außerdem Fasern des sakralen
Parasympathikus an die Beckeneingeweide. Der Beckenboden hat seine äußere, hautbedeckte
Grenze in der Dammregion die von Ästen des N. Pudendus (S2-S4) sensibel innerviert wird.
9.1.1. Der Nervus pudendus
Der N. pudendus gilt als überwiegend somatischer Nerv aus dem Plexus sakralis. Der Nervus
pudendus verläßt die Beckenhöhle durch das Foramen infrapiriforme, zieht dorsal um die Spina
ischiadica herum und tritt durch das Foramen ischiadicum minus hindurch. Von dort zieht er in
der seitlichen Wand der Fossa ischiorektalis ventralwärts. Der Nerv und die ihn begleitenden
Gefäße sind in einer Duplikatur der Faszies obturatoria interna dem sog. Alcock-Kanal einge­
baut. Die einzelnen Äste des Nervus pudendus verlassen den Alcock-Kanal an verschiedene
Stellen:
• Ein für die untere Gesäßregion bestimmter Hautast perforiert das Ligamentum sakrotu­
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berale
• Die Nervi rektalis inferiores ziehen durch das Fettgewebe in der Fossa ischiorektalis
zum M. Spinkter ani externus und zur Haut der Analregion
• Die Nn. perineales und skrotales (labiales) posteriores innervieren die Haut der Damm­
region und des Skrotums bzw. der Labia majora. Die Rami muskulares des N. perine­
ales versorgen folgende Muskeln: die Mm. transversi perinei superficialis und profun­
dus, den M. bulbospongiosus und den M. ischiocavernosus.
• Der Nervus dorsalis penis bzw. clitoris ist der tiefste Ast. Er dringt ins Diaphragma uro­
genitale ein, durchbricht es und verläuft am unteren Schambeinast entlang bis zum liga­
mentum arcuatum pubis und von dort an das Dorsum penis bzw. Clitoris. Mehrere
Zweige gehen zur Vorhaut und zum Glans penis bzw. zur Clitoris.
Abbildung 6: Verlauf des N. pudendus
Lähmungen des Plexus pudendus haben vor allem Lähmungen der Schließmuskulatur von Bla­
se und Mastdarm zur Folge. Bei einem beidseitigen Befall kommt es zu Störungen der Blasen­
entleerung (Retention und dann Überlaufblase) des Analspinkterverschlusses und der Potenz.
Desweiteren werden perineale Äste vor allem bei Radfahrern chronisch überlastet bzw. kompri­
miert und geschädigt, so dass während Minuten Sensibilitätsstörungen auftreten können (3).
Auf Schädigungen des N. Pudendus durch den Geburtvorgang wird in Kapitel 10.3. gesondert
eingegangen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Nervus pudendus außer den genannten Muskeln
vor allem die Haut der Anal, Genital und Gesäßregion innerviert.
Abbildung 6: modifiziert aus: Carrière: Beckenboden 1. Auflage, Thieme Verlag 2003, S. 14
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9.1.2. Der Plexus coccygeus:
Vollständigkeitshalber muß hier noch kurz der Plexus coccygeus erwähnt werden, der aus den
schmächtigen Anteilen von S3, S4, und S5 gebildet wird. Über die Nn. anococcygei beteiligt er
sich an der Innervation des M.coccygeus und eines teils des M. levators ani. Ebenso gibt er
sensible Äste an die Haut über dem Steißbein und am Anus ab.
9.2. Das vegetative Nervensystems
Das vegetative Nervensystem innerviert am Beckenboden die glatte Muskulatur der Gefäß und
Organwände (viszeromotorisch), die glattmuskulären Spinkter und sekretorisch die Drüsen der
Region. Man unterteilt dazu das vegetative Nervensystem in einen sympathischen und para­
sympathischen Anteil.
Die Gliederung des vegetativen Nervensystems am Beckenboden ist äußerst komplex. Um sie
zu verstehen, ist es zunächst wichtig zu wissen, woher die sympathischen und parasympa­
thischen Fasern stammen. Nachfolgend ist es wichtig die Lage der typischen vegetativen Ge­
flechte zu kennen und letztendlich auch den Verlauf der peripheren Nerven, über welche die ve­
getativen Nerven dann zu ihren Erfolgsorganen am Beckenboden gelangen.
Die Bahnen von Sympathikus und Parasymphartikus laufen vom ZNS zu ihren Zielorganen. Da­
bei verlassen die sympathischen Bahnen das ZNS nur im thorakalen Berreich (mit den Spinal­
nerven C8-L3), während die parasymphatischen es nur „kraniosakral“ verlassen, d.h. kranial mit
den Hirnnerven und sakral mit den Spinalnerven S1-S3.
9.2.1. Die sympathischen Ursprungsneurone:
Die sympathischen Ursprungsneurone für Beckenorgane und Beckenboden stammen aus den
Rückenmarkssegmenten Th10-L2. Die Axone dieser Nerven gelangen über Rr. communicantes
zum sympathischen Grenzstrang bzw. dessen Ganglien. Von dort ziehen Nerven zu Ganglien,
die meistens entlang von Gefäßen inmitten eines dichten Nervenplexus liegen (Plexus mesen­
tericus inferior, Plexus hypogastricus inferior und superior).
9.2.2. Die parasympathischen Ursprungsneurone:
Der parasympathische Teil des vegetativen NS läßt sich in ein kranial autonomes und ein sakral
autonomes System einteilen. Für den Beckenboden ist der sakrale Teil von Bedeutung. Die
Bahnen des sakralen Parasympathikus beginnen im Rückenmark und zwar im Seitenhorn der
Segmente S2-S4., verlassen mit dem Spinalnerven S2-S4 das Rückenmark und bilden dann
die Nervi splanchnici pelvici und ziehen zu den vorher genannten Nervenplexus. Die Nervi
splanchnici pelvici verlassen mit den zugehörigem Spinalnerven (Plexus pudendalis) das Rü­
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ckenmarck und ziehen an der dorsalen Beckenwand entlang zu beiden Seiten des Rektums bo­
genförmig nach vorn zum Plexus hypogastricus inferior (früher Ganglion pelvinum). Aufsteigend
erreichen parasympathische Fasern auch den Plexus hypogastricus superior (auch Ggl. Mesen­
tericum inferior genannt) und von dort das Sigmoid, sowie das distale Colon bis zum Cannon-
Böhmchen Punkt (11).
9.3. Die prävertebralen Ganglien
Die prävertebralen Ganglien sind unpaare Ganglien mit Ausnahmne der Ganglia hypogastrica
inferiora, die ausgedehnte Nerven und Zellkomplexe oberhalb des muskulären Beckenbodens,
zu beiden Seiten des Rektums darstellen. Diese Ganglien sind im Bauchraum an die großen Ar­
terienstämme der Aorta (Truncus coeliacus, A.. mesenterica superior und inferior) angelagert.
Mit den versorgenden Arterien gelangen die vegetativen Plexus zu den Erfolgsorganen. Die
Geflechte tragen daher in der Regel die Namen der jeweiligen Arterien. Für den Beckenboden
sind der Plexus hypogastricus superior und der Plexus hypogastricus inferior zuständig. Diese
vegetativen Nervengeflechte sind aber nicht rein sympathisch. Hier vermischen sich die sympa­
thischen und parasympathischen Anteile und können nicht mehr voneinander getrennt werden.
9.4. Vegetative Nerven und Nervengeflechte:
Die vegetativem Nerven und Nervengeflechte sind in subperitonealen Beckenraum stark ausge­
bildet. Sie enthalten die prävertebralen Ganglien. Diese vegetativen Nervengeflechte sind wie
schon erwähnt nicht rein symphatisch sondern werden auch von parasymphatischen Fasern
mitgebildet. Die pars parasympathika ist durch die Nn splanchnici pelvini (S2-S4), die pars sym­
pathika durch Fasern aus dem Lumbal-und dem Sakralteil des Sympathikusstranges vertreten.
Der Sympathikus Grenzstrang bildet im Sakralteil beiderseits meist drei Ganglia sakralia aus.
Beide Grenzstrangketten enden in einen kleinen unpaaren Ganglion impar (1,2,11).
Der Plexus hypogastricus superior ist unpaar und stellt die direkte Fortsetzung des Plexus aorti­
cus abdominalis in die Beckenhöhle dar. Er liegt vor der Vena iliaca communis sinistra im Be­
reich des 5. Lendenwirbels vor dem Promotorium. Etwa 4-6 cm unterhalb des Promotoriums ga­
belt sich der Plexus und wird zum N. hypogastricus dexter und sinister. Beiderseits verläuft die­
ser Ast an der medialen Seite der Vasa iliaca interna vorbei zur lateralen Wand des Rektums
und von dort in die Plica rektouterina bzw. Plica rektovesicalis, wo er sich zum Plexus hypoga­
stricus inferior verdichtet.
Der Plexus hypogastricus inferior, auch Plexus pelvinus, ist ein zentrales vegetatives Geflecht
des Beckenraumes zu beiden Seiten des Rektums. Er besitzt zahlreiche Ganglien, die Ggl. Pel­
vina, von denen alle Eingeweide des kleinen Beckens versorgt werden. Ferner enthält das Be­
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ckengeflecht zahlreiche parasymphpathische Fasern welche aus dem Plexus sakralis stammen
und N. splanchnici pelvini heisen (11). Beim Mann sitzt der Plexus hypogastricus inferior lateral
wie eine Kappe den Samenbläschen auf und reicht bis an die dorsolaterale Wand der Prostata
wo er als Plexus prostaticus bezeichnet wird. Bei der Frau liegt er lateral der Cervix uterie und
des Fornix vaginae wo er als Plexus uterovaginalis bezeichnet wird. Aus dem Plexus hypoga­
stricus inferior gehen folgende sekundäre Geflechte zur Versorgung der Organe am Beckenbo­
dens hervor.
Beim Mann: Plexus vesicalis, Plexus rektalis medius und inferior, Plexus deferentialis der be­
reits genannte Plexus prostaticus und die Nn cavernosi penis,zu den Schwellkörpern des Penis.
Bei der Frau: den bereits genannten Plexus uterovaginalis auch Frankenhäusersches Geflecht
genannt, Plexus vesicalis und die Nn cavernosi clitoris (zu den Schwellkörpern der Clitoris).
Zusammefassung: Die autonome Innervation des kleinen Beckens wird durch den Plexus hypo­
gastricus inferior gesichert. Dieser wird von parasymphatischen Zuflüssen (Nn. splanchnici pel­
vici) und symphatischen Zuflüssen (Rr. hypogastricus dexter und sinister, sakraler Grenzstrang)
gespeist und nimmt die Funktion eines Verteilernetzes vegetativer Nerven für die Beckenorgane
auf.
Abbildung 7: Nervensysteme am Beckenboden
Abbildung 7: modifiziert aus: Carrière: Beckenboden 1. Auflage, Thieme Verlag 2003, S. 12
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10. Die vaginale Geburt und der Beckenboden
Der Beckenboden wird bereits während der Gravidität auf die Geburt vorbereitet. Progesteron
bewirkt die Relaxation, Flüssigkeitseinlagerung und Auflockerung der Beckenbodenmuskulatur.
Diese Veränderungen des Beckenbodens sind Voraussetzung für eine optimale Austreibung
des Kindes. Das Durchschneiden des kindlichen Kopfes bewirkt eine erhebliche Aufdehnung
des Hiatus genitalis in horizontaler und vertikaler Richtung, eine Aufweitung des analen Sphink­
terapparats und eine Auswalzung des muskulären Beckenbodens nach kaudal. Hierbei wirken
Druck,-Scher-und Dehnungskräfte auf den N. pudendus, die Beckenbodenmuskulatur, den
analen Sphinkterapperat, die urethralen Verschlußstrukturen und das Bindegewebe des Be­
ckenbodens (8). Das Ausmaß der intrapartalen Verletzungen ist entscheident für das Risiko
späterer Beckenbodenfunktionsstörungen bedingt durch Gewebsschädigungen wie z.B.
Dammrisse III./IV. Grades. Die postpartale Beckenbodeninsuffizienz zeigt sich klinisch isoliert
oder kombiniert durch gestörte Kontinenzfunktion an Blase und Darm und Descensus bzw. Pro­
laps genitalis.
10.1. Die Risiken der vaginalen Geburt für den Beckenboden:
Dass die vaginale Geburt und die Entwicklung von Inkontinenz und Prolaps einen Zusammen­
hang haben durch die massive Dehnung während der Geburt, kann wohl als Faktum angese­
hen werden. Ohne eine mehr oder weniger massive Überdehnung des Beckenbodensystems ist
eine vaginale Geburt nicht denkbar. Fakt ist, dass sowohl partielle als auch Komplettschädi­
gungen an Nervenzellen als auch an Muskelzellen nachgewiesen wurden. Ebenfalls ist erwie­
sen, dass die Kontraktionsfähigkeit des Beckenbodens nach der Geburt deutlich abnimmt sich
aber bei den meisten Frauen wieder vollständig regeneriert. Peschers und Mitarbeiter konnten
zeigen, dass die Kontraktionskraft der Beckenbodenmuskulatur 3 bis 8 Tage unmittelbar nach
der Geburt deutlich reduziert ist. Nach 6 bis 10 Wochen kommt es zu einer vollkommenen
Rückbildung, insbesondere auch der Position des Blasenhalses nach kranioventral (14). Die va­
ginale Geburt ruft somit vorübergehend eine partielle Denervierung des Beckenbodens mit Ten­
denz zur Re-Innervation bei den meisten Frauen nach ihrer ersten Geburt hervor (8). Die Kon­
traktionsstärke der Beckenbodenmuskulatur ist unmittelbar nach der Geburt verschlechtert, er­
holt sich aber innerhalb der ersten zwei Monate. Bleibende Hinweise auf einen Beckenboden­
schaden sind der perineale Deszenus sowie ein abgesunkener Blasenhals in Ruhezustand.
10.2. Vaginale Geburt und Harninkontinenz
Eine Schwächung des Schließmuskelsystems am Blasenauslass, etwa durch Geburt, Operation
oder äußere Verletzungen, oder aber degenerativ, durch zunehmende Gewebeschwäche im Al­
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ter, führt zur „Harninkontinenz", bei der durch Husten, Lachen, Niesen oder Pressen passiv der
Druck in der Blase den erniedrigten Verschlussdruck des Schließmuskels übersteigt, so dass es
zum unwillkürlichen Harnabgang kommt. Post partum ist vor allem die Stress- ( Belastungs) in­
kontinenz von Bedeutung. Die Stressinkontinenz ist definiert als unwillkürlicher Urinabgang aus
der Harnröhre bei intraabdomineller Druckerhöhung (z.B. Husten, Niesen, Pressen) ohne nach­
weisbare Detrusorkontraktionen und ohne Harndrang. Es liegt eine Beeinträchtigung der Ver­
schlußfunktion der urethrovesikalen Einheit vor, die häufig mit einem Verlust der unterstüt­
zenden Wirkung des Beckenbodens verbunden ist.
Die Stressinkontinenz wird anamnestisch in drei Schweregrade unterteilt:
Grad I : Urinabgang beim Husten, Lachen oder Niesen, schweren Heben
Grad II : Urinverlust beim Gehen oder leichter körperlicher Tätigkeit
Grad III : Permanenter Urinabgang, auch im Liegen
Bei gesunden Frauen kann die intraabdominale Druckerhöhung durch eine zeitgleiche Steige­
rung des urethralen Verschlussdruckes kompensiert werden. Bei Stressinkontinenz ist dies
nicht oder nur unzureichend möglich (13).
Abbildung 8: Abbildung 8: Intraabdominelle Druckerhöhung
a) bei intaktem Beckenboden
b) bei Beckenbodenschwäche
Die Prävalenz neu aufgetretener Stressharninkontinenz nach vaginaler Geburt beträgt nach Li­
teraturangaben zwischen 0,7% und 35,0% .Verantwortlich hierfür sind eine Schädigung des
muskulären Sphinkterapparats, der bindegewebigen Aufhängestrukturen und der nervalen Ele­
mente. Ein 8 Wochen lang durchgeführtes Beckenbodentrainingsprogramm führte zu einer si­
gnifikant niedrigeren Inzidenz an Harninkontinenzbeschwerden, selbst nach 1 Jahr gegenüber
einer unbehandelten Kontrollgruppe. Diese Daten wurden mittels Vorlagentests objektiviert.
Abbildung 8: modifiziert aus: Zussgen u. Melchior: Inkontinenzmanual 2. Auflage, Springer Verlag
1997, S. 32
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Sampselle und Mitarbeiter konnten zeigen, dass das Beckenbodentraining während der
Schwangerschaft zu einer geringeren Inzidenz an Harninkontinenzbeschwerden in der Spät­
schwangerschaft und auch post partum führt (14,15).
10.3. Vaginale Geburt und Pudendusneuralgie - Alcock'sches Kanalsyndrom.
Das Alcock’sche Kanalsyndrom wurde erstmals 1987 von Amarenco beschrieben, blieb aber re­
lativ unbekannt. Der N. pudendus wird in diesem Fall lediglich irritiert, aber nicht zerstört, so
dass die Schmerzsymptomatik im Vordergrund steht, während motorische Störungen (Bewe­
gungsstörungen) nur sehr selten zu erwarten sind. Die klassische Ursache ist die chronische
Nervenkompression in diesem Alcock’schen Kanal, z.B. durch einen Fahrradsattel beim Rad­
fahren oder durch kontinuierlich sitzende Tätigkeiten. Die Hauptursache liegt aber hier mei­
stens in der Geburtshilfe.
Ursachen:
• Kompression des Nervs durch Blutergüsse in der Fossa ischiorektalis nach Geburt,
primäre Vernarbung / Fibrosierung des Pudenduskanals, sekundär entstanden durch
Blutergüsse oder Infektionen; Dehnung des Nervs über den Knochen des weiblichen
Beckens durch das kindliche Köpfchen unter der Geburt bei einem kindlichen Geburts­
gewicht von mehr als 4 kg
• eine aktive Pressperiode über 30 Minuten besonders auch eine Zangenentbindung,
Forcepsentbindung
Nachgeweisen ist, dass die Nervenleitgeschwindigkeit des Nervus pudendus (PNTML) 48 - 72
Stunden nach der Geburt gemessen bei Frauen, die vaginal entbinden, im Vergleich zu Nullipa­
rae verlängert ist. Auch die Kontraktionskraft der Beckenbodenmuskulatur bleibt 3 bis 8 Tage
unmittelbar nach der Geburt deutlich reduziert. Anhand vom EMG-Untersuchungen kommt es in
80 % zu einer Erholung der Innervation der Beckenbodenmuskulatur nach einer spontanen Va­
ginalgeburt. Lediglich Frauen mit langer Austreibungsperiode und schweren Neugeborenen
zeigten am häufigsten EMG-Zeichen einer gestörten Beckenbodenfunktion. Nach 6 bis 10 Wo­
chen kommt es meist zu einer vollkommenen Rückbildung des Beckenbodens(14).Mehrere
Studien konnten nach vaginaler Geburt Pudendusschäden nachweisen,Sultan et al. Snooks et
al.(7). Nach Sectio caesarea konnte bislang keine Verzögerung der Nervenleitgeschwindigkeit
des N. pudendus nachgewiesen werden. Bei jungen Frauen ist der Körper meist in der Lage,
den Geburtsschaden eine gewisse Zeit zu kompensieren. Mit dem Alter werden die Folgen von
Beckenbodentraumata allerdings häufig subjektiv und objektiv deutlich.
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11. Die Bedeutung des Damms für den Beckenboden und seine Verlet­
zung durch Geburtmechanismen
11.1. Das Centrum tendineum perinei und das Perineum
Als Damm „Perineum" bezeichnet man die Weichteilbrücken zwischen Analöffnung und äuße­
rem Geschlechtsorgan, bei der Frau die hintere Kommisur der großen Schamlippen, beim Mann
den Abgang des Hodensackes. Der Damm enthält alle oberflächigen Abkömmlinge des M.
spinkter kloakae.
Als Centrum tendineum perinei bezeichnet man eine aus glatter Muskulatur und Bindegewebe
bestehende Gewebsplatte. Sie liegt wie der Name sagt im Zentrum des Damms. Das Centrum
perinei entsteht durch muskuläre und sehnige Ausstrahlungen der Mm. levator ani, des M.
transversus perinei profundus und superficialis, bulbospongiosus und spinkter die Beckenbo­
denmechanik, denn es wirkt durch seinen Aufbau wie eine stabile federnde Platte. Direkt auf
dem centrum perinei erhebt sich bei der Frau das Septum rektovaginale, zwischen Rektum und
Scheide, und beim Mann das Septum rektovesicale zwischen Prostata und Rektum.
Das Septum hat eine stabilisierende Funktion. So sichert diese Bindegewebswand beim Mann
die Lage zwischen Rektum und Harnblase und bei der Frau zwischen Rektum und Scheidenhin­
terwand. Die rektovaginale Faszie wird auch als Denonvilliers-Faszie beschrieben. Sie begleitet
die rechte und linke A. genito-vesicale. Das Septum und das Centrum tendineum bilden zusam­
men einen wichtigen Haltepfeiler und scheiden gleichzeitig die Ausgänge des Darmtraktes und
des Urogenitaltraktes. Der Damm ist ein Hauptverankerungspunkt für die oben genannten Mus­
keln. Diese Beckenbodenmuskeln spannen den Damm wie Zuggurte eine Hängebrücke und
verhindern ein übermäßiges durchhängen des Beckenbodens (21).
Die Zerstörung des Centrum tendineum (z.B. Dammriss) zieht also die Funktion vieler Muskeln
in Mitleidenschaft. Zudem wird die Entstehung des Prolaps begünstigt vor allem dann, wenn die
Haltefunktion der Beckenbodenmuskulatur durch mehrere Schwangerschaften bereits beein­
trächtigt ist.
11.2. Belastung des Dammes während der Geburt / Einteilung der Dammrisse
Die besonders starke mechanischen Belastung des Damms unter Geburt führt des öfteren zu
Weichteilrissen vor allem des Damms und der in angrenzenden Weichteile. Die folgende Aufli­
stung zeigt die Einteilung der Dammrisse von Grad 1-4 und veranschaulicht, welche weiteren
Strukturen bzw. Muskeln des Beckenbodens geburtstraumatischen Verletzungen unterliegen
können:
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1° Hauteinriss, meist an der hinteren Kommissur, ohne die Muskulatur zu betreffen.
2° Riss der Dammmuskulatur bis an den M. sphinkter ani externus heran, häufig mit aus­
geprägtem Scheidenriss verbunden.
3° kompletter Dammriss mit Riss des M. sphinkter ani externus.
4° zusätzlich zu einem Dammriss dritten Grades ein Riss der analen Schleimhaut.
11.3. Der Dammschnitt-Episiotomie
Eine Inzision des Dammes unter der Geburt durch einen Dammschnitt wird als Episiotomie be­
zeichnet. Folgende Indikationen werden hierfür angegeben. Straffe Weichteile, drohender
Dammriss (Blasswerden des Dammes), Frühgeburtlichkeit (Reduktion des Druckes auf den
Kopf des Kindes), Beckenendlage, Verkürzung der Pressperiode bei pathologischem CTG, un­
günstige Durchtrittsebene des kindlichen Kopfes, sowie vaginaloperative Entbindung. Dabei gibt
es folgende Schnittführungen (17):
Abbildung 9: Episiotomieformen
11.3.1. mediane Episiotomie:
Die mediane Episiotomie beginnt an der hinteren Kommissur und spaltet den Damm in der Mitte
des Centrum tendineum in der bindegewebigen Raphe, an der beidseits der paarige M. bu­
bospongiosus und der M. transversus perinei superficialis ansetzen.
11.3.2. mediane Episiotomie mit j-förmiger Erweiterung:
Hat die Episiotomie den M. sphinkter ani externus erreicht und droht dieser zu zerreißen, so
kann der Schnitt nach lateral bogenförmig um den Muskel herum erweitert werden.
Abbildung 9: modifiziert aus: Martius: Lehrbuch der Geburtshilfe 4. Auflage, Thieme Verlag
1959, S. 335
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11.3.3. mediolaterale Episiotomie:
Beginnt wie bei der medianen Episiotomie an der hinteren Kommissur und richtet sich in gera­
der Linie in einem Winkel von knapp 45° nach lateral. Dabei werden der M. bulbospongiosus
und der M. transversus perinei superficialis durchtrennt und der M. levator ani oft angeschnitten.
Ausgedehnte mediolaterale Episiotomien reichen bis in die Fossa ischiorectalis, die mit Fettge­
webe ausgefüllt ist.
11.3.4. laterale Episiotomie:
Die laterale Episiotomie setzt etwa bei 7-8 Uhr oder bei 4-5 Uhr seitlich der hinteren Komissur
an und wird in Richtung auf das Tuber ischiadicum geschnitten. Dabei werden der M. bul­
bospongiosus, der M. transversus perinei superficialis, der M. levator ani und Äste der Vasa pu­
denda interna durchtrennt.
Abbildung 10: Sonographisches Bild:
a) intakter Sphinkter ani
b) Sphinkter- internus und -externus Verletzung mit narbiger Abheilung nach Dammriss 4. Grades
Dammschnitte hinterlassen ein weniger dehnbares und belastbares Dammgewebe und sind
damit ein prädisponierender Faktor für eine Beckenbodenschäche und können Senkungszu­
stände begünstigtigen. Eine Episiotomie schützt nicht vor Beckenbodeninsuffiziens, vielmehr
scheint sie eher schädlich zu sein. Nach einer Studie hatten Patienten nach einer medialate­
ralen Episiotomie eine beträchtliche Verschlechterung der Muskelkraft des Beckenbodens verg­
lichen mit Patienten nach Spontangeburt mit oder ohne Dammriss. Nach heutigem Kenntnis­
Abbildung 10: Schüssler: Vortrag v. 10.04.2001, Kantonspital Luzern, Karger Verlag
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stand ist eine Geburt ohne Episiotomie für den Beckenboden das optimale Ziel (15). Selbst bei
Dammrissen I und II Grades mit Vaginalrissen ist die Aufnahme von Kohabitation nach der Ge­
burt signifikant besser. Nachweisbar sind nach einer Studie allerdings der Zusammenhang zwi­
schen Episiotomien und Stuhlinkontinenz. Eine Strukturveränderung des M. Spinkter Externus
wird nach Sultan et al. (7) ausschließlich mit einer Dammverletzung assoziiert, bei Patientinnen
mit intaktem Damm wäre er also nicht zu erwarten.
12. Beckenbodensenkung / Insuffiziens
12.1. Definition der Beckenbodeninsuffiziens:
Die Beckenbodeninsuffizienz ist eine Bezeichnung die eine Reihe von Veränderungen des Be­
ckenbodens und seiner Strukturen wie Faszien, Muskulatur und Nerven beinhaltet. Daraus re­
sultieren Defizite die sich in ihrer stärksten Form als Eingeweidevorfall (Rektozele, Zystozele,
Douglasozelle ) äußern können, beziehungsweise als Harn oder Stuhlinkontinenz darstellen.
Diesen Folgeerkrankungen sind entsprechende Kranheitsbilder zugeordnet auf die nachher
kurz eingegangen wird.
Abbildung 11: Beckenbodenmuskulatur
a) normale Anatomie des Beckenbodens
b) insuffiziente Beckenbodenmuskulatur bei einer Beckenbodensenkung
Als Ursache der neuromuskulären Schwäche der Beckenboden- und Sphinktermuskulatur wird
in den meisten Fällen eine wiederholte Überdehnung des Beckenbodens und der damit verbun­
denen nervalen Strukturen vermutet. Sie ist häufig assoziiert mit Darmentleerungsstörungen
und übermäßigem Pressen bei der Defäkation, wird aber bei Frauen auch nach schweren Ge­
burten mit verlängerter Austreibungsphase beobachtet. Seltener liegen neurologische Erkran­
kungen oder traumatische Läsionen (Geburtstraumen) mit Dammrissen oder Sphinkterläsionen
einer Beckenbodeninsuffizienz zugrunde (8). Die Ätiologie für die Beckenbodeninsuffizienz
Abbildung 11: modifiziert aus: Carrière: Beckenboden 1. Auflage,Thieme Verlag 2003, S. 359
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scheint somit multifaktoriell zu sein, wobei vaginale Entbindung, Multiparität, übermäßiges Pres­
sen bei Defäkation nach langjährigem Bestehen einer chronischen Obstipation und operative
Eingriffe im kleinen Becken wie z.B. die Hysterektomie zu den häufigsten Ursachen zählen. Bei
Frauen die vaginal geboren haben entwickeln mindestens 50% im Laufe des Lebens eine Sen­
kung. Nur 10-20% suchen medizinische Hilfe (4,6).
12.2. Lageveränderungen der Genitale als Folge des defekten Stützapparates
des Beckenbodens
12.2.1. Rektozele / Zystozele
Als Rektozele bezeichnet man eine in der Regel ventrale Aussackung bzw. Vorwölbung der
Rektumwand bzw. Rektovaginalwand. Die vordere Rektumwand wird durch das Septum rekto­
vaginale abgestützt und zur Vagina hin abgegrenzt. Beim Mann entspricht das Septum rektova­
ginale dem Septum rektovesicale (Dennonvillier-Faszie). Zwischen den Schenkeln des M. pubo­
rekralis, der mit der endopelvinen Faszie verwoben ist, befindet sich der bindegewebige Perine­
alkörper. Durch vaginale Entbindungen, geburtstraumatische Schäden, Hysterektomie und
starkes Pressen bei der Defäkation weiten sich das Septum rektovaginale und der Perinealkör­
per. Die Rektumvorderwand wölbt die Hinterwand der Vagina durch das Septum rektovaginale
nach vorn, und es bildet sich eine Rektozele aus. Während der Defäkation kann sich die Rekto­
zele mit Stuhl füllen, der dort unter Umständen retiniert wird. Die Patienten klagen dann nicht
selten über das Gefühl der inkompletten Stuhlentleerung. Dies führt nach der Defäkation zu er­
neutem Stuhldrang mit folgendem Entleerungsversuch und über längere Zeit zu einem immer
stärker werdenden Dehnung des Septum rektovaginale und damit zu einer Vergrößerung der
Rektozele.
Der Deszensus der vorderen Scheidenwand ist häufig mit der Ausbildung der Zystozele (Sen­
kung des Blasenbodens) verbunden. Die Zystozele wird häufiger als die Rektozele angetroffen,
da die Blase mit der vorderen Scheidewand durch das dichte perivesikale Bindegewebe viel in­
niger verbunden ist als der Darm mit der hinteren Scheidewand. Eine Zystozele ensteht also
durch eine Defekt der pubozervikalen Faszie.
12.2.2. Prolaps
Als Prolaps wird das Austreten dieser Organe aus dem kleinen Becken nach unten bezeichnet.
Unter Partialprolaps versteht man einen Vorfall, bei dem nur ein Teil des Uterus bzw.der Vagina
durch den Scheideneingang austritt. Als Totalprolaps wird ein Vorfall bezeichnet bei dem sich
Vagina und Uterus vor der Vulva befinden.
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12.3. Das descending perineum syndrom:
Der Damm ist schon in Ruhe aber besonders beim Pressen massiv nach caudal deszendiert
und zwar über die Ebene der Sitzbeinhöcker hinaus. Das „ballooning“=Nach-Außen-Blähen des
Perineums übersteigt dabei 2cm und kann nach klinischen Erfahrungen beim Pressen ein Tief­
ertreten von 5 bis 12 cm gegenüber der Ruheposition betragen (Markwell,22). Mit einher gehen
eine chronische Denervation des M. levator ani und der Sphinktermuskulatur sowie eine Über­
dehnung der Beckenbodenfaszie. Die starke Senkung des Damms führt zu Veränderungen des
quergestreiften Analphinkters, da dessen Nervenversorgung geschädigt wird. Bei der Senkung
dehnt sich das Gewebe beim Pressen um mindestens 2 cm, was die dazugehörigen Nerven um
20% ihrer anatomischen Länge dehnt und damit irreversible Schäden verursachen kann. Diese
Schädigungen können die vorher genannten Eingeweidevorfälle und Inkontinenzen entwickeln.
Im Folgenden wird ein insuffizienter BB anhand einer MRT Defekographie bildlich dargestellt.
Eine genauere Erläuterung folgt im Kapitel 14.
Für die Bestimmung des anorektalen Überganges dient als Referenzlinie die pubococcygeale
Linie (PCL), eine Verbindungslinie zwischen der Spitze des Os coccygeus (Steißbeinspitze) und
dem Unterrand der Symphyse (Schambein). Der anorektale Übergang lässt sich durch die Kon­
trastmittelmarkierung bestimmen. Hier wird der Analkanal bei intaktem Sphinkter nicht darge­
stellt, weil das Kontrastmittel am anorektalen Übergang stehen bleibt, wobei der Muskulus
sphinkter ani internus bei suffizientem Ruhetonus als natürliche Barriere wirkt. Somit kann die
Grenze der Kontrastmittelsäule zur Markierung des anorektalen Übergangs genutzt werden.
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Abbildung 12: Normaler Beckenbodenstand
links: PCL als Referenzlinie für den Beckenbodenstand. Im Normalzustand befindet sich der anorektale
Übergang auf der PCL.
rechts: In Ruhe abgesenkter BB. Der anorektale Übergang befindet sich deutlich unterhalb der PCL
12.3.1. Sekungsbeschwerden und ihre Symptome:
• Druckgefühl im Beckenboden
• Dumpfer perinealer Schmerz
• Einklemmungserscheinungen in der Scheide
• chronische Obstipation
• Harninkontinenz (Urge,-Stressinkontinenz, Pollakisurie)
• Stuhlinkontinenz
• Sexualstörungen, Kohabitationsbeschwerden
• Stuhlentleerungstörungen,das Gefühl unvollständiger Entleerung
• Prolaps von Organen
Warum es beim Menschen, vor allem beim weiblichen Geschlecht, zu einer Absenkung des
muskulären Beckenbodens kommen kann, ist nicht abschließend geklärt (13). Ursächlich wer­
den Pressen bei der Stuhlentleerung, eine verminderte Stabilität des Bindegewebes, Überdeh­
nung bei Geburten sowie Störungen der Beckenbodennerven angeschuldigt. Ein gewisser Zu­
sammenhang besteht auch mit Operationen im Becken, z.B. der Entfernung der Gebärmutter
(Hysterektomie). Allerdings kommt auch bei Männern und auch schon in jüngerem Lebensalter
insbesondere der äußere Rektumprolaps vor.
Abbildung 12: mit freundlicher Genehmigung der radiologischen Praxis Dr. Kübler
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13. Die anale Inkontinenz – das verschwiegene Leiden
Innerhalb der Beckenbodenmuskulatur befinden sich urethrale und anale Sphinktermuskeln.
Während die Harninkontinenz langsam zu den Krankheitsbildern gehört die man anspricht, und
auch von Seiten der der Ärzte behandelt ist es ein Faktum, dass die Aufklärung bezüglich der
Stulhinkontinenz und ihr Zusammenhang mit der Beckenbodenmuskulatur noch in den Anfän­
gen steckt. Dabei ist Stuhlinkontinenz ein weit verbreitetes Leiden und ein offener Umgang un­
umgänglich.
Die Stuhlinkontinenz wird definiert als der unwillkürliche Abgang von Stuhl in jeder Lebenssitua­
tion. Es ist ein sozial und psychologisches Problem für viele Patienten und deren Familien. Die
tatsächliche Prävalenz der Stuhlinkontinenz ist unbekannt, sie scheint in der allgemeinen Bevöl­
kerung in bis zu 4 % vorhanden zu sein und nimmt insbesondere in Pflegeheimen und bei äl­
teren Patienten deutlich zu. Risikofaktoren umfassen zunehmendes Alter, Frauen und Multipari­
tät, desweiteren chronische Obstipation bzw. Defäkationstörung, Rektumprolaps und Descen­
ding-perineum-Syndrom. Ein zunehmendes Verständnis der Beckenbodenanatomie und dessen
Physiologie ist erforderlich, um die Einflüsse, die den Kontinenzmechanismus des anorektalen
Organes umfassen, zu verstehen. Der Beckenboden unterstützt die Regulation des Defäkati­
onsvorganges wie auch der anorektalen Speicherfunktion. Auch hier besteht ein enger Zusam­
menhang zwischen Vaginalgeburt und Störung des Kontinenzmechanismus durch eine direkte
Läsion der Beckenbodenmuskulatur, deren motorischer Innervation, oder auch beides.
13.1. Anatomischen Grundlagen des Rektums (Mastdarm) und Afters (Canalis
analis)
13.1.1. Das Rektum
Das Rektum ist ca.12 -20 cm lang. Es beginnt auf Höhe von S3 und folgt der Krümmung des
Kreuzbeins und Steißbeins (Flexura sacralis) bis etwa 2,5 cm unter der Spitze des Steißbeins,
wo es sich nach hinten wendet. Diese Biegung deren Konvexität nach vorn zeigt, bezeichnet
man als Flexura perinealis, hier tritt das Rektum durch den Beckenboden wird zum After und
endigt mit dem Anus. Im Normalfall beträgt der anorektale Winkel hier durchschnittlich 70- 110
Grad. Er wird durch die tonische Wirkung des puborektalen Anteils des Levator ani gebildet. Die
Flexura sakralis liegt retroperitoneal, vorne ist sie von Peritoneum bekleidet. Die Flexura perine­
alis verläuft extraperitoneal! Im oberen 1/3 des ReKtums liegt die Ampulla recti ein stark erwei­
terungsfähiger Abschnitt dessen Füllung Stuhldrang erzeugt. Unterhalb springen 3 konstante
Querfalten ins Darmlumen vor, zwei kleinere und dazwischen eine größere, die Kohlrauschfalte
ca. 5-8 cm vom Anus entfernt.
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13.1.2. Der Canalis analis
Der Canalis analis ist in den unteren 2/3 von dünner sensibel innervierter Haut ausgekleidet, die
in die äußere Haut übergeht. Sie trägt eine verhornte pigmentierte Epidermis, Haare mit Talg
und Scheißdrüßen, in das obere 1/3 des Analkanals reicht noch die Kolonschleimhaut. Im un­
teren 2/3 wölben sich 6-10 wulstartige Längsfalten, Columnäe analis (Morgagnische Säulen) in
das Lumen vor, die durch Bündel glatter Muskulatur, Venenkonvolute und Lymphgefäße aufge­
worfen werden. Zwischen den Columnae finden sich Vertiefungen, Sinus anales (Morgagnische
Buchten), die kaudal durch kleine Falten,Valvulae anales (Analsegel), die von einer Columna
analis zur anderen reichen, begrenzt werden. Hinter diesen führen Analkrypten in die Tiefe der
seitlichen Rektumwand, die den M.sphinkter ani internus durchdringen. Am Boden der Krypten
münden die sog. Proktodealdrüsen, die sich bis in die Sphinkteren hinein verzweigen können,
wobei sie Ausgangspunkt entzündlicher Prozesse wie Abszesse und Fisteln sein können. Der
etwa 1cm lange Bereich der Columnae anales wird auch als Zone hämorrhoidales bezeichnet.
In der Columnae anales verlaufen Äste der A. rectalis superior. Sie liegen submukös und sind
die Grundlage der inneren Hämorrhoiden. Die Arterien haben durch knötchenförmige arteriove­
nöse Anastomosen Verbindung zum venösen anorektalen Plexus. Die Columnae bilden somit
einen Schwellkörper der zum Analverschluß beiträgt (19).
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich der Verschlußapperat des Anus aus Muskula­
tur, Bindegewebe und aus einem submukösen Venenplexus zusammensetzt.
13.2. Der muskuläre Analverschluß
Der Analkanal ist 3-4 cm lang. Seine obere Grenze liegt in Höhe der vom M. puborektalis gebil­
deten Levatorschlinge, die einen bedeutenden Anteil am Verschlussmechanismus hat, indem
sie die Flexura perinealis nach vorne zieht. Ein innerer glatter und ein äußerer quergestreifter
Schließmuskel wirken als Teil des muskulären Kontinenzorgans. Der innere Schließmuskel, M.
sphinkter ani internus, besteht aus glatten Muskelzügen und gewährleistet einen Dauertonus,
welcher Grundlage der Kontinenz ist. Der äußere quergestreifte Schließmuskel, M. sphinkter ani
externus, ist dem inneren Schließmuskel wie eine Manschette aufgesetzt.
Die vom N. pudendus innervierten Mm. puborektalis sowie innerer und äußerer Schließmuskel
stehen unter einem Dauertonus, der sich nur bei der Defäkation entspannt.
13.2.1. Der muskulus sphinkter ani internus
Der M. sphinkter ani internus stellt die innerste Muskelschicht dar und besteht aus glatterMus­
kulatur. Er liegt im Bereich des Canalis analis und reicht vom Diaphragma pelvis bis zur Linea
anocutanea. Er kommt durch das Stratum circulare der Tunica muscularis der Darmwand sowie
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an der Innenseite durch zahlreiche Längsmuskelfasern zustande, die durch die Ringschicht der
Tunica muscularis hindurchgetreten sind und den Mastdarm in der perianalen Haut verankern.
Funktionell unterliegt der M. Sphinkter ani internus einem Dauertonus, der höher ist als der des
M. sphinkter ani externus. Der Dauertonus des M. Sphinkter ani internus wird teils vom Muskel
selbst, teils vom Sympathikus unterhalten, dessen zuständiges Reflexzentrum im Rückenmark
zwischen Th11-L3 liegt. Innerviert wird der M. ani internus vom Plexus myentericus(21).
13.2.2. Die wichtige Bedeutung des muskulus puborektalis
Der M. Levator ani wird zur quergestreiften, willkürlich beeinflussbaren Muskulatur gezählt
(rhabdomuskulofibröses System) . Er umfasst den Darm bei seinem Durchtritt durch das Dia­
phragma pelvis schlingenförmig. Der untere randbildendende Anteil dieses Muskels, der als M.
puborektalis isolierbar ist, kann daher den oberen Anteil des Analkanals verschließen, indem er
das Analrohr nach vorne zieht. Er entspringt an der Symphysenhinterwand, umschlingt das
Rektum von hinten in Form einer U-förmigen Schleife und zieht somit das Rektum in Richtung
seines Ursprungs. Durch diesen Zug entsteht eine Abknickung (Winkel), die formgebend für die
Flexura perinealis ist und den sogenannten anorektalen Winkel bildet. Dadurch wird der Canalis
analis abgeknickt und so die Hinterwand des Darms gegen die Vorderwand gepresst. Durch die
nach anterior konvexe Krümmung liegt das Rektum der Levatorplatte auf. Es entsteht der ano­
rektale Winkel, der auf einer tonischen Dauerkontraktion des M. puborekralis beruht.
Abbildung 13: Anatomie der anorektoralen Öffnung und des Verschlusses
Abbildung 13: modifiziert aus: Goeschen: Der w. Beckenboden 1. Auflage, Springer Verlag
2008, S. 40
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13.2.3. Definition des anorektalen Winkels:
Der Winkel der zwischen Längsachse des Analkanals und der Längsachse der Rektumwand als
solche besteht. Der normale anorektale Winkel (70-110 Grad) ist eine wichtige Voraussetzung
für die physiologische Kontinenzleistung (12).
Abbildung 14: Darstellung des anorektalen Winkels nach Wiersma.
a) Mit der Flexura sakralis am Os sakrum und der Flexura perineales, die durch den Zug nach vorne in
Ruhe der Publorektalisschlinge entsteht und zur Kontinenzerhaltung beiträgt.
b) das Rektum richtet sich nach dem Pressen auf, der anorektale Winkel vergrößert sich durch Entspannen
des M. puborektalis.
14. Die Defäkographie
Die Defäkographie ist die einzige Untersuchungsmethode durch die sich Veränderungen der
Beckenbodeninsuffizienz nachweisen lassen. Mit ihr kann man statisch die Verhältnisse am Be­
ckenboden ausmessen als auch dynamisch die Bewegungsabläufe der Stuhlentleerung darstel­
len. Sie ist eine Untersuchung mit hoher Aussagekraft, da man morphologische Veränderungen
wie Rektozele etc. als auch funktionelle Veränderungen wie unvollständige Darmentleerung
dargestellt werden können. Die dynamische Beckenboden MRT bietet die Möglichkeit, eine voll­
ständige Darstellung des Beckenbodens und seiner Organe zu gewährleisten, da hiermit ohne
Strahlenbelastung der Organe im kleinen Becken die anatomische Lage dargestellt werden
kann. Die dynamische Beckenboden MRT kann gleichzeitig die anatomische Lage aller pelvi­
nen Organe während Ruhe-, Press- und Kneifphase sowohl in Einzelbilddarstellungen als auch
in Videosequenzen mit hoher Aussagekraft abbilden.
Im folgenden wird nur kurz auf die Auswertungskriterien eingegangen. Die Nachfolgenden Bild­
sequenzen stellen eindrücklich die Veränderungen und die Bewegungen des Beckenbodens
dar.
Abbildung 14: modifiziert aus: Wiersma: Funct. Anorectal Abnormalities. Greenwich Medical
Media, Seite 105
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Der anorektale Winkel wurde als Winkel zwischen einer Geraden durch den Analkanal sowie ei­
ner Gerade durch die Rektumachse bestimmt. Er wird sowohl im Ruhezustand als auch unter
Defäkation gemessen und die Werte dokumentiert. Als quantitatives Maß für die Beurteilung der
Funktionsfähigkeit des M. puborektalis bzw. der Rektumbewegung unter Defäkation dient die
errechnete Differenz des anorektalen Winkels zwischen Press- und Ruhezustand.
Für die Bestimmung des anorektalen Überganges dient als Referenzlinie die pubococcygeale
Linie (PCL), eine Verbindungslinie zwischen der Spitze des Os coccygeus (Steißbeinspitze) und
dem Unterrand der Symphyse (Schambein). Der anorektale Übergang lässt sich durch die Kon­
trastmittelmarkierung bestimmen. Auch hier wird der Analkanal bei intaktem Sphinkter nicht dar­
gestellt, wodurch die Kontrastmittelsäule zur Markierung des anorektalen Übergangs genutzt
werden kann. Somit dient die Kontrastmittelgrenze als Markierung für den anorektalen Über­
gang. Der anorektale Übergang (Beckenbodenstand) wird in Abhängigkeit seiner Lage zur PCL
mit positivem Vorzeichen oberhalb der Referenzlinie und mit einem negativen Vorzeichen ver­
sehen, falls er unterhalb der PCL positioniert ist. Der anorektale Übergang dient als quantita­
tives Maß für den Beckenbodenstand und gibt Auskunft über seinen Zustand in der Ruhepositi­
on als auch während des Pressens. Die Differenz des anorektalen Übergangs zwischen Ruhe-
und Presszustand gibt Auskunft über das Ausmaß der Beckenbodenbeweglichkeit. Die nachfol­
genden Bilder zeigen deutlich die BB-Beweglichkeit und die Ausbildung einer Zystozele bzw.
Rektozele.
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Abbildung 15: Sequenzielles dynamisches saggitales MR- Defäkogramm:
Die Aufnahmen zeigen einen bereits in Ruhe herabgesenkten Beckenboden (Descending-perineum-syndrom)
sowie den Pressakt mit anschließender Entleerung des Kontrastmittels in die
Windel. Eindrücklich erkennt man die erst beim Pressvorgang manifest werdende massive Zystozele.
a) Ruhe; b) u. c) Pressen (Kneifen); d) Defäkation
Abbildung 15: private Leihgabe
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Abbildung 16: Die dynamischen MR-Aufnahmen zeigen eine objektivierbare rektoanale Dyssynergie bei
subjektiven Stuhlentleerungsstörungen mit pathologischer Verkleinerung des anorektalen Winkels sowie
Ausbildung einer vorderen Rektozele beim Pressen und noch eindrucksvoller beim Defäkationsversuch.
a) Ruhe; b) Pressen; c) Defäkation; d) Rektozele und flacher Damm als Folge eines Dammdefektes
Abbildung 16a-c: mit freundlicher Genehmigung der radiologischen Praxis Dr. Kübler / 16 d:
modifiziert aus: Goeschen: Der w. Beckenboden 1. Auflage, Springer Verlag 2008, S. 58
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15. Geburt und anale Inkontinenz / eine Zusammenfassung
Das Risiko für eine anale Inkontinenz im Alter läßt sich am besten mit Hilfe der Sonographie
des analen Sphinters. bzw eines Defektes desselben nachweisen. Sphinkterdefekte werden bis
zu 33% auch nach vaginaler Geburt mit intakten Damm nachgewiesen. Am meisten Sphinkter­
defekte weist mann nach Dammriss III bzw IV nach. Deshalb sollte, wenn immer möglich das
Auftreten dieser Dammrisse vermieden werden.
Vermieden werden sollte die mediane Episiotomie, genauso wie die Forcepsentbindung. In Zah­
len ausgedrückt entwickeln 0,4-6 % aller Frauen nach der Geburt eine anale Inkontinenz. Bei
Vorliegen eines Dammriss IIIoder IV steigt die Prävalenz auf 17-50 % !
Diese Symptomatik ist meist transient meldet sich aber bei 7-42 % nach 3-13 Jahren wieder zu­
rück. Bei Frauen die bei einer vorhergehenden Geburt Dammriss III bzw. IV hatten tritt in 39 %
eine transiente Inkontinenz nach der Geburt auf. Bei 4 % persistiert die Inkontinenez, auch
wenn keine neuerliche Verletzung des Phinkterapperates stattgefunden hat. Deshalb sollte bei
solchen Frauen,der Geburtsmodus genauer erwogen werden (Sectio) (6).
• Sichtbare und okkulte Sphinkterdefekte sowie Nervenschädigungen nach vaginaler Ge­
burt sind prädisponierend für eine Stuhlinkontinenz.
• Sphinkterläsionen sind wahrscheinlich nicht vermeidbar und werden zunächst kompen­
siert; erst mit fortschreitendem Alter und anderen Risikofaktoren (z.B. mangelnde kör­
perliche Betätigung, weiter vaginale Geburten) kann sich auf dem Boden dieser Verlet­
zungen eine Stuhlinkontinenz entwickeln.
• Dammrisse III° und IV° sind die bedeutendsten Risikofaktoren für die Entwicklung einer
Stuhlinkontinenz.
• Dammschnitte schützen nicht vor analen Sphinkterläsionen und sollten daher nur re­
striktiv zur Anwendung kommen.
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Fazit:
Die Komplexität des Beckenbodens erfordert zum einen ein großen Wissen an Anatomie und
Physiologie, vom behandelten Arzt ebenso wie vom Therapeuten, vor allem aber sollte die Prä­
vention und Aufklärung weit mehr in den Vordergrund unserer Gesellschaft gestellt werden wie
bisher, den dieses Gebiet betrifft Alte wie Junge, Frauen wie Männer gleichermaßen. Gerade
weil Veränderungen des Beckenbodens weitreichende Folgen nicht nur gesundheitlicher Art,
sondern vor allem auch auf das soziale Leben des Patienten haben ist es eine unbedingte Not­
wendigkeit auf Folgen und deren massive Auswirkungen sobald als möglich hinzuweisen.
Schluß:
Mein Ziel war es, mir ein Thema zu erarbeiten, dass immer mehr Präsens in unserer Praxis
zeigt, dessen Ausmaß und Komplexität mir jedoch erst klar wurde anhand einiger Themen die
hier erarbeitet wurden. Der Bereich Beckenboden umfaßt letztendlich viel mehr als hier darge­
stellt werden konnte. Ich hoffe aber, dass diese Zusammenfassung hilft, bestimmte Erkran­
kungen und Symptome besser zu verstehen und auch anregt diesen mehr Interesse und Be­
handlungzeit in der Praxis zu widmen.
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