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E&W Oktober 2009 - GEW

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Hlynsdottir nicht so einfach: „Die Kinder<br />

fordern dich in einer Tour.“<br />

Auch die Pausen bringen da keine Entlastung.<br />

„Da stehen verletzte Kinder vor<br />

der Tür oder ich muss beim Jugendamt<br />

anrufen, wo der Zuständige aber gerade<br />

nicht zu erreichen ist“, erzählt Hlynsdottir.<br />

Keine erholsamen Pausen<br />

Bei Dreyer sind die Pausen auch nicht<br />

erholsamer. „Da muss ich organisieren<br />

oder mit Kollegen reden“, sagt sie.<br />

Wenn es um 13.10 Uhr im Gymnasium<br />

klingelt, fährt Dreyer noch nicht gleich<br />

nach Hause. „Es kann sein, dass ich da<br />

noch was organisieren oder besprechen<br />

muss.“ Dann aber: Essen und Mittagsschlaf<br />

– bis zu anderthalb Stunden, „um<br />

Abstand zu gewinnen und den Kopf<br />

freizubekommen“.<br />

Gegen vier, halb fünf setzt sich die Französisch-<br />

und Biologielehrerin an den<br />

Schreibtisch: Vorbereitung, Korrekturen.<br />

„In den ersten Jahren ging das bis 22<br />

oder 23 Uhr. Aber inzwischen arbeite<br />

ich nur noch bis 20 oder 21 Uhr.“<br />

Zwischendurch mal ein Telefonat mit<br />

Eltern. Und natürlich die Konferenzen.<br />

„Das hat erheblich zugenommen“, klagt<br />

Dreyer.<br />

„Eltern rufen häufig an“<br />

Dienstbesprechungen, Fach- und Schulkonferenzen<br />

– das kennt auch Hlynsdottir.<br />

Sie greift aber noch öfter zum<br />

Hörer als Dreyer. „Die Eltern rufen total<br />

häufig an.“ Die Grundschulpädagogin<br />

sieht sich auch als Erziehungs-, Eltern-,<br />

Ernährungs- und Eheberaterin. Am Telefon<br />

oder auf Elternabenden „muss ich<br />

erklären, dass ein Fernseher nicht ins<br />

Kinderzimmer gehört oder dass Kinder<br />

in Deutschland nicht geschlagen werden.<br />

Das ist schon nicht einfach.“ Die<br />

Schicksale verprügelter Kinder oder<br />

Ehefrauen beschäftigen sie auch in ihrer<br />

raren Freizeit.<br />

Wenn ihre Tochter im Bett ist, setzt sich<br />

Hlynsdottir noch für eine oder anderthalb<br />

Stunden an den Schreibtisch, um<br />

den Unterricht vorzubereiten oder per<br />

E-Mail Ausflüge zu außerschulischen<br />

Lernorten zu organisieren. Ins Bett geht<br />

sie schon um 21.30 Uhr.<br />

Am Wochenende sitzt sie ebenfalls an<br />

Vorbereitungen, nimmt sich aber auch<br />

Zeit für ihr einziges Hobby: ihre beiden<br />

Pferde. Dreyer hat dagegen ihre<br />

Hockey-Wettkämpfe aufgegeben – zu<br />

zeitaufwändig. Jetzt macht sie nur noch<br />

Fitnesstraining und Yoga. Wenn sie ein<br />

arbeitsfreies Wochenende haben will,<br />

muss sie sich das „wirklich freischaufeln“.<br />

Ansonsten sitzt sie – jedenfalls in<br />

8 Erziehung und Wissenschaft 10/<strong>2009</strong><br />

den „Hoch-Korrekturzeiten“ – samstags<br />

noch „drei bis vier Stündchen über den<br />

Arbeiten, und am Sonntag muss ich<br />

auch noch mal korrigieren und den<br />

nächsten Unterricht vorbereiten“.<br />

„Besonders übel: die Abi-Zeit“<br />

„Aber besonders übel ist die Abi-Zeit“,<br />

erzählt die Studienrätin. Arbeiten korrigieren,<br />

Gutachten schreiben, bis zu<br />

zehn mündliche Prüfungen pro Kurs abnehmen<br />

– „da gehen alle auf dem Zahnfleisch“.<br />

Und das alles parallel zum<br />

„normalen Wahnsinn des Schulalltags“.<br />

Das Zentralabitur mache es noch schwerer.<br />

„Da müssen sich auch ältere Kollegen<br />

neu in Themen einarbeiten“, weiß<br />

Dreyer. Sich einfach nur den alten Ordner<br />

mit Unterrichtsmaterial zu schnappen,<br />

funktioniert nicht.<br />

Das kann aber auch die Deutsch-, Mathe-<br />

und Musiklehrerin Hlynsdottir<br />

nicht: „Die Lerngruppe ist jedes Mal anders.DakannichnichteineganzeUnterrichtseinheit<br />

aus dem Schrank holen<br />

und fertig.“<br />

Dafür scheint sie in den Ferien etwas weniger<br />

zu arbeiten als Dreyer. Beobachtungsbögen<br />

ausfüllen und neue Einheiten<br />

vorbereiten – das ja. Aber nicht auch<br />

noch Arbeiten korrigieren wie die Studienrätin.<br />

Cartoon: Thomas Plaßmann<br />

Die leidet stark darunter, dass ihre<br />

„hehren pädagogischen Ansprüche“ immer<br />

wieder mit den schulpolitischen<br />

Vorgaben kollidieren. Über zu viele<br />

Vergleichsarbeiten, Dokumentationspflichten<br />

und anderen „Schreibkram“<br />

klagt aber auch Hlynsdottir. Sie wehrt<br />

sich dagegen, indem sie in der <strong>GEW</strong><br />

und im Personalrat mitarbeitet.<br />

„Die Schule ist wie eine Krake“, sagt<br />

Dreyer. Der Satz könnte auch von<br />

Hlynsdottir stammen. Sie nimmt ihre<br />

Arbeit „permanent im Kopf mit“.<br />

Viele Gemeinsamkeiten also zwischen<br />

den beiden Vollblut-Lehrerinnen. Ist es<br />

da gerecht, dass die eine mehr verdient<br />

als die andere? Die Gymnasiallehrer<br />

sind kognitiv stärker gefordert und müssen<br />

mehr korrigieren, haben aber dafür<br />

weniger Pflichtstunden und werden psychisch<br />

nicht so beansprucht wie die<br />

Grundschullehrkräfte. Nicht überall<br />

geht es so heftig zu wie in Oldenburg-<br />

Nadorst. Also: Nicht kleinlich aufrechnen,<br />

sondern gleiche Bezahlung für alle<br />

Lehrkräfte. Ein Polizist in Cloppenburg<br />

bekommt schließlich auch das gleiche<br />

Grundgehalt wie einer in Berlin-Kreuzberg.<br />

Aber ihren Beruf aufgeben – nein,<br />

das möchte keine der beiden Frauen.<br />

Dafür lieben sie ihn zu sehr.<br />

Eckhard Stengel, freier Journalist

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