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E&W Oktober 2009 - GEW

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Foto: Privat Foto: imago<br />

Foto: <strong>GEW</strong> NRW<br />

SCHULE<br />

Zeugnisse erleben<br />

immer noch<br />

viel zu viele Kinder<br />

und Jugendliche<br />

als Bescheinigung<br />

ihres Versagens.<br />

Das muss<br />

nicht so sein.<br />

<strong>GEW</strong>-Landesvorsitzender<br />

NRW<br />

Andreas Meyer-<br />

Lauber<br />

NRW-Schulministerin<br />

Barbara<br />

Sommer (CDU)<br />

Schulleiter<br />

Hans-Karl Eder<br />

28 Erziehung und Wissenschaft 10/<strong>2009</strong><br />

Projekt will Zahl der Sitzenbleiber in NRW halbieren<br />

Das Ziel ist ehrgeizig: Bis 2012 soll<br />

die Zahl der Sitzenbleiber an nordrhein-westfälischen<br />

Schulen halbiert<br />

werden. Eine lösbare Aufgabe.<br />

Glaubt <strong>GEW</strong>-Landeschef Andreas<br />

Meyer-Lauber.<br />

Vorausgesetzt, man lässt das<br />

von uns angestoßene Projekt<br />

‚Komm mit‘ wachsen“,<br />

fügt er hinzu. Grund<br />

zum Optimismus, dass<br />

die Landesregierung seinem<br />

Wunsch entspricht, hat Meyer-Lauber.<br />

Gerade wurde zwischen den Lehrerverbänden<br />

und Schulministerin Barbara<br />

Sommer (CDU) vereinbart, dass weitere<br />

400 Schulen in das Programm, das Fördern<br />

statt Sitzenbleiben zum Inhalt hat,<br />

einsteigen können.<br />

Damit werden sich mehr als 800 Schulen<br />

darum bemühen, die „Ehrenrunden“<br />

in den Klassenstufen 7 bis 9 aufs<br />

gewünschte Minimum zu beschränken.<br />

Ein bundesweit einmaliges Vorhaben.<br />

60 000 Schülerinnen und Schüler mussten<br />

Ende des Schuljahres 2007/2008<br />

noch den Vermerk „nicht versetzt“ auf<br />

ihren Zeugnissen zur Kenntnis nehmen.<br />

Das seien lediglich 2,7 Prozent, wie die<br />

Schulministerin zufrieden bilanziert,<br />

„aber eben doch noch zu viele“. Denn<br />

„Sitzenbleiben ist häufig eine pädagogisch<br />

kaum weiterführende Maßnahme“,<br />

hat die CDU-Politikerin erkannt.<br />

Sie folgt damit der klaren <strong>GEW</strong>-Forderung,<br />

individuelle Förderung zum wesentlichen<br />

Merkmal schulischen Unterrichts<br />

auszubauen. „Wir müssen anders<br />

Schule machen. Wir müssen Mitnahmeschulen<br />

werden“, fordert Ilse Führer-Lehner,<br />

Bildungsexpertin der <strong>GEW</strong> NRW.<br />

Sie weiß um die Überzeugungsarbeit,<br />

die noch geleistet werden muss. Selbst<br />

in Kollegien jener Schulen, die sich dem<br />

Anti-Sitzenbleibprogramm verschrieben<br />

haben, vertritt manch ein Pädagoge<br />

noch die Auffassung, dass es für Schüler<br />

hilfreich sei, den Stoff nochmals zu büffeln.<br />

Führer-Lehner sieht das anders:<br />

„Die Einstellung, irgendwann wird das<br />

Kind es schon gefressen haben, ist<br />

falsch.“<br />

Schulen, die diese Überzeugung teilen,<br />

stricken intensiv an Förderkonzepten.<br />

Sie nutzen dafür die 0,3 Lehrerstellen,<br />

die ihnen vom Land für die dreijährige<br />

Dauer des Projektes gewährt werden.<br />

Zirka neun Stunden mehr Zeit wöchentlich,<br />

heißt das in konkreten Zahlen.<br />

„Das ist wirklich die einzige Reform, die<br />

mit Ressourcen unterlegt ist“, sagt Meyer-Lauber.<br />

Er baut darauf, dass dieser<br />

Personalzuschlag dauerhaft erhalten<br />

bleibt.<br />

Foto: dpa<br />

Die Philosophie der Schulen in NRW<br />

könnte sich dank „Komm mit“ nachhaltig<br />

verändern. Das spürt die <strong>GEW</strong> in<br />

ihren Seminaren, in denen sich engagierte<br />

Pädagogen fortbilden und austauschen.<br />

„Wie kriege ich möglichst alle<br />

Schülerinnen und Schüler dazu, den<br />

Sprung in die nächste Klassenstufe zu<br />

schaffen?“, lautet dabei häufig die entscheidende<br />

Frage. Eine Antwort gibt<br />

Meyer-Lauber: „90 Prozent der Lernleistung<br />

hängt von der Motivation ab.<br />

Wenn ich es schaffe, Schüler zu motivieren,<br />

nicht sitzen bleiben zu wollen,<br />

dann habe ich die wesentliche Hürde genommen.“<br />

Noch aber verabschiede sich<br />

die Hälfte derjenigen, die im Januar drei<br />

Fünfen im Zeugnis habe, gedanklich<br />

vom zweiten Schulhalbjahr.<br />

Hilfe im Lernbüro<br />

Eine der 400 Schulen, die vom Sinn des<br />

Versetzens und Mitnehmens überzeugt<br />

ist, ist die Israhel-van-Meckenem Realschule<br />

in Bocholt. Schulleiter Hans-Karl<br />

Eder bedauert, dass „in Deutschland<br />

meist gefragt wird, ob das Kind reif für<br />

die Schule ist, statt zu fragen, ob unsere<br />

Schulen reif sind, Kinder richtig zu fördern“.<br />

Sein Kollegium bemüht sich, jede<br />

Unterrichtsstunde zur Förderstunde<br />

werden zu lassen. Man ist sich bewusst,<br />

dass dies nicht immer gelingt. Zahlreiche<br />

außerunterrichtliche Förderangebote<br />

wurden entwickelt. Zum Beispiel das<br />

Lernbüro. Versteht ein Kind etwas in der<br />

Stunde nicht, bittet es im Lernbüro um<br />

Hilfe. Hier werden alle Fördermaßnahmen<br />

koordiniert, hier sind Pädagogen<br />

ansprechbar, helfen, wenn möglich direkt<br />

oder stellen den Kontakt zum Fachlehrer<br />

oder zu älteren Schülern her. Gemeinsam<br />

mit den Jugendlichen werden<br />

für sie realistische Leistungsziele festgelegt<br />

und im Blick behalten. Lehrkräfte<br />

werden zu Lernbegleitern, die bei der<br />

Versetzung ein entscheidendes Wort<br />

mitreden. Sie haben die gesamte Persönlichkeit<br />

und die Entwicklung des Kindes<br />

im Auge.<br />

Nicht nur an dieser Schule wird es als<br />

Vorteil gesehen, dass „Komm mit“ keine<br />

Regeln aufstellt, wie Förderung aussehen<br />

muss. Jede Schule entscheidet eigenständig<br />

über ihren Weg. „Abgucken<br />

ist aber ausdrücklich erlaubt“, wie Meyer-Lauber<br />

sagt. Dass ausgerechnet die<br />

Realschulen neben den Gymnasien am<br />

stärksten an dieser Entwicklung beteiligt<br />

sind, lässt den <strong>GEW</strong>-Chef schmunzeln<br />

– hat sich doch der Realschulverband<br />

vom Projekt distanziert, weil, so die Begründung,<br />

„unsere Schulen das Projekt<br />

nicht wollen“.<br />

Stephan Lüke, freier Journalist

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