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E&W Oktober 2009 - GEW

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Foto: Christan v. Polentz / transit Berlin<br />

Marianne<br />

Demmer<br />

Nur eine geeinte Profession ist stark<br />

Die kommende Tarifrunde bietet eine<br />

große Chance, der alten gewerkschaftlichen<br />

Forderung nach gleicher Bezahlung<br />

für alle Lehrkräfte einen erheblichen<br />

Schritt näherzukommen: Die<br />

<strong>GEW</strong> will durchsetzen, dass angestellte<br />

Lehrerinnen und Lehrer aller Schulformen<br />

gleich viel verdienen. Dafür,<br />

betont Marianne Demmer in ihrem<br />

Plädoyer, brauche es allerdings„einen<br />

langen Atem und einen kühlen Blick“.<br />

In den Ohren jüngerer Kolleginnen<br />

und Kollegen mag das Folgende<br />

nach Nostalgie klingen. Und zwar<br />

nach dem Motto „Die rote<br />

Großmutter erzählt“. Die Älteren<br />

werden vielleicht über die Vergeblichkeit<br />

allen Tuns seufzen. Meine Absicht<br />

ist jedoch ein Plädoyer, ein Plädoyer<br />

für langen Atem und einen kühlen<br />

Blick für eine große Chance.<br />

Die Eingruppierungstarifverhandlungen<br />

Länder bieten zum ersten Mal seit<br />

vielen Jahren die Möglichkeit, eine mittlerweile<br />

40 Jahre alte <strong>GEW</strong>-Forderung<br />

auf den Verhandlungstisch zu bringen.<br />

Zwischen 1969 und 1972 – zur Zeit<br />

der ersten Bildungsreform – lautete die<br />

kurz gefasste Essenz der schulpolitischen<br />

Forderungen der <strong>GEW</strong> genau so<br />

wie heute: Eine Schule für alle, gleich<br />

lange Ausbildung für alle, gleiche Bezahlung<br />

für alle. Heute heißt das: Wer<br />

ein abgeschlossenes Hochschulstudium<br />

18 Erziehung und Wissenschaft 10/<strong>2009</strong><br />

Eine Schule für alle – gleich lange Ausbildung – gleiche Bezahlung für alle Lehrkräfte<br />

und ein Referendariat absolviert hat,<br />

sollte in Entgeltgruppe (EG) 14 eingestuft<br />

werden.<br />

Unser vordemokratisches selektives und<br />

hierarchisches Schulsystem ist pädagogisch<br />

ebenso wenig zu rechtfertigen wie<br />

die unterschiedlich lange Ausbildungsdauer<br />

der Lehrkräfte und die daraus resultierende<br />

ungerechte Bezahlung. Die<br />

Arbeit in den verschiedenen Schulstufen<br />

und -formen differiert zwar, aber nur<br />

pädagogisch Ahnungslose oder kompromisslose<br />

Lobbyisten können behaupten,<br />

dass daraus auch eine unterschiedlich<br />

lange Ausbildung folgen<br />

muss, die eine ungleiche Bezahlung<br />

rechtfertigt. Bei den schlechter Bezahlten<br />

ist dies meist auch noch mit einer<br />

höheren Unterrichtsverpflichtung und<br />

pädagogisch schwierigen Verhältnissen<br />

verbunden.<br />

Diskussion verschlafen<br />

In Grundschulen: kleine Kinder – geringer<br />

Verdienst für Lehrkräfte, in Hauptschulen:<br />

arme Kinder, schlechter bezahlte<br />

Pädagogen – wer diese Logik für<br />

richtig hält, ist nicht nur zynisch. Der<br />

hat auch die gesamte Diskussion der<br />

vergangenen Jahre verschlafen, hat<br />

nicht mitbekommen, wie wichtig es<br />

z. B. für Grundschullehrerinnen und<br />

-lehrer ist, über ein fundiertes Wissen<br />

kindlicher Lernprozesse und über ein<br />

großes Methodenrepertoire zu verfügen.<br />

Soll kein Kind zurückgelassen werden,<br />

soll individuell gelernt und geför-<br />

Cartoon: Thomas Plaßmann<br />

dert werden, müssen Lehrende differenzierte<br />

Lernprozesse für alle Kinder organisieren<br />

und arrangieren können. Und<br />

schließlich: Lehren und Lernen beruht<br />

auf Verstehen und nicht nur auf Reproduzieren<br />

und Nachahmen. Es irrt auch,<br />

wer glaubt, in Grund-, Haupt- und Sonderschulen<br />

bedürfe es geringerer Fachkenntnisse<br />

als im Gymnasium.<br />

Ein Beispiel: Wer einem Jungen oder<br />

Mädchen verständlich erklären will,<br />

warum man nicht durch Null dividieren<br />

kann, braucht vertiefte fachwissenschaftliche<br />

Einsichten in Mathematik.<br />

Mit Fragen, die die Grundlagen der<br />

Fachwissenschaften berühren, werden<br />

Pädagogen auf jeder Klassenstufe konfrontiert<br />

– in der Primarstufe sogar vielleicht<br />

besonders häufig. Wer als Lehrer<br />

dann nur eine Ausbildung hat, die ihm<br />

zwar ermöglicht, Routinen zu lehren,<br />

nicht jedoch das Denken in Beziehungen<br />

und Zusammenhängen zu stimulieren,<br />

verschenkt intellektuelles Potenzial<br />

der nachwachsenden Generation, ohne<br />

es zu wollen.<br />

Gymnasial-Lobby sät Spaltpilz<br />

Natürlich bemüht sich die Gymnasial-<br />

Lobby um Differenzierung. Gleiche Bezahlung<br />

und EG 14 für alle passt nicht<br />

ins konservative Weltbild. Der Spaltpilz<br />

ist gesät. Die kommenden Tarifverhandlungen<br />

werden hart und verlangen von<br />

den Mitgliedern große Anstrengungen.<br />

Eine in Beamte und Angestellte sowie in<br />

unterschiedliche Schulformen gespaltene<br />

Profession muss sich darauf einstellen,<br />

dass die Arbeitgeber auf dieser Klaviatur<br />

spielen. Unsere angestellten Kolleginnen<br />

und Kollegen können jetzt<br />

dafür sorgen, die Strategie der Arbeitgeber<br />

und der Lobbyisten eines hierarchischen<br />

Schulsystems zu durchkreuzen.<br />

Nur eine geeinte Profession ist pädagogisch<br />

stark. Nichts schafft bekanntlich<br />

so zuverlässig schlechte Stimmung in einem<br />

Kollegium, stört die Harmonie im<br />

Team, als wenn gleichwertige Arbeit ungleich<br />

bezahlt wird. Integrierte Gesamtschulen<br />

und Gemeinschaftsschulen<br />

können davon ein Lied singen. Und<br />

dass eine einheitliche Bezahlung auch<br />

für die Lehrerversorgung enorme Vorteile<br />

hätte, könnte sogar der Arbeitgeberseite<br />

einleuchten.<br />

Marianne Demmer, Leiterin des<br />

<strong>GEW</strong>-Organisationsbereichs Schule

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